Wesel Ein Kreuz im Dom? - Gemeinde ist gefragt

Wesel · Morgen geht es in einer Versammlung der Kirchengemeinde darum, ob Willibrord innen in seiner reformierten Tradition schlicht bleibt.

 Lange kam der Willibrordi-Dom - im Hintergrund links noch die alte Kanzel - ohne ein Kreuz im Kirchenraum aus.

Lange kam der Willibrordi-Dom - im Hintergrund links noch die alte Kanzel - ohne ein Kreuz im Kirchenraum aus.

Foto: JS

Was evangelische Kirchen auszeichnet, ist nicht leicht zu beantworten. Es hängt von Traditionen ab, denen sich die jeweiligen Gemeinden durchaus unterschiedlich verbunden fühlen. Ebenso vom Zeitgeist, der sich stets ändert. Und von Fragen, ob Äußerlichkeiten wirklich was ausmachen. Auch in Wesel, der Hauptstadt des niederrheinischen Protestantismus, ist das nicht anders. Da geht es morgen nach dem Gottesdienst im Dom in einer Gemeindeversammlung ab 12.15 Uhr darum, ob in der groten Kerk ein Kreuz aufgehängt werden soll. Ein Stimmungsbild der Basis ist gefragt, bevor das Presbyterium weiter berät und eine Entscheidung trifft. Es ist kein kleines Thema, denn es geht auch um das, was die Reformation in Wesel vor genau 475 Jahren mitbestimmt hat. Der Willibrordi-Dom verkörpert wie kaum eine andere evangelische Kirche die Schlichtheit.

Kein Kreuz, keine Bilder, keine Kerzen: Das Fehlen dieser Dinge ist Merkmal einer reformierten Kirche. Ebenso gibt es keinen Altar, sondern einen Abendmahlstisch, an dem die Gemeindeglieder zusammenkommen, Brot und Wein erhalten beiziehungsweise einander weiterreichen. Willibrord steht seit Ostern 1540 in der Tradition des Abendmahls "unter beiderlei Gestalt" - also Brot und Wein. "Trinket alle daraus", forderte Jesus seine Jünger auf.

Der Dom ist für viele Weseler das Sinnbild ihrer Heimat. Zugleich in seiner Gestaltung auch das der reformierten Tradition. Ein Ort, in dem das Wort im Mittelpunkt steht. Gleichwohl versteht sich die Gemeinde als uniert, als vereinigt aus lutherischer und reformierter Konfession. Auch haben Kerzen und Blumenschmuck mittlerweile Einzug gehalten. Und es gibt seit langer Zeit auch immer wieder einmal den Wunsch nach einem Kreuz im Kirchenraum. Pfarrerin Sarah Brödenfeld wird von Besuchern schon mal gefragt, ob der Dom eine christliche Kirche ist. Schließlich sei ja kein Kreuz in ihr zu sehen.

Im Presbyterium und im Dombauverein ist auch theologisch am Thema Kreuz gearbeitet worden. Einerseits ist es seit Urzeiten für die Christen das Heilszeichen schlechthin, andererseits wegen der Kreuzzüge aber auch ein Symbol der Unterdrückung, weshalb die Reformatoren laut Brödenfeld vorsichtig waren. Die Pfarrerin nimmt den Wunsch mancher Gemeindeglieder nach einem Kreuz ernst, braucht es persönlich für ihre Frömmigkeit nicht und hält es bei der Ausstrahlungskraft des Doms auch nicht für notwendig. So ist auch sie ein Abbild der Haltungen in den Gremien, in denen es eben beide Stimmungen gibt. Den letzten größeren Anstoß gab es 2013: Als die neuen Prinzipalstücke - Kanzel, Altar und Ambo - von Architektin Jutta Heinze umgesetzt und in den Dienst genommen wurden, gehörte zu ihnen zunächst kein Kreuz, aber die Diskussion darum war neu entfacht.

Wie viele Menschen sich morgen Mittag zur Gemeindeversammlung einfinden, ist fraglich. Superintendent Thomas Brödenfeld rechnet mit 100 bis 120. Zu den beiden Dom-Bezirken gehören insgesamt rund 5500 Gemeindeglieder. Gefragt ist im Grunde die Evangelischen Kirchengemeinde Wesel mit allen 15.000.

Übrigens: Ganz kreuzlos ist der Dom nicht. Von der im Zweiten Weltkrieg restlos untergegangenen Mathenakirche (heute Kaufhof) stammt das Kreuz auf der Spitze des hohen Turmhelms. Auf dem Dach des Chors sitzt auch eins. Außerdem bilden Mittelschiff und Querhäuser des architektonischen Gesamtkunstwerks natürlich selbst das größte Kreuz.

(RP)
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