Wesel Ein Abschied, der doppelt weh tut

Wesel · Eltern und Kinder sind traurig: In zwei Wochen schließt die Brüner-Tor-Schule. Und Leiterin Sybille Handel wird pensioniert.

Eine Lehrerin wie Sibylle Handel wünscht sich wohl jedes Grundschulkind. Sie ist humorvoll und bei aller beruflichen Professionalität stets sehr freundlich und hilfsbereit. Eigenschaften, die auch das Kollegium der Gemeinschaftsgrundschule am Brüner-Tor-Platz in der Weseler Innenstadt und auch die Eltern in den vergangenen 21 Jahren sehr geschätzt haben.

Auch gestern verbreitete Sibylle Handel eine positive Stimmung, obwohl bei der Aufführung der Tanz-AG "Koffer packen für neue Wege" dem einen oder anderen Elternteil unter den Gästen eher zum Weinen zu Mute war. Denn es heißt Abschied nehmen.

Zum einen von der Schule, die mit Ende des laufenden Schuljahres in zwei Wochen geschlossen wird, weil die Politik das vor vier Jahren für richtig hielt und diese Entscheidung heute größtenteils bedauert (RP berichtete mehrfach). Zum anderen von Sibylle Handel, die im August 65 wird und damit nach 42 Berufsjahren (eingerechnet sind die beiden Jahre als Referendarin) in den Ruhestand tritt und heute ihre Entlassurkunde erhält.

"Natürlich hätte ich es mir gewünscht, dass die Brüner-Tor-Schule weitermacht. Für alle, die hier gearbeitet und gelernt haben oder sich für die Schule engagierten, ist die Schließung traurig. Aber ich finde ebenso für die Stadt Wesel, der ein Stück Differenzierung in der Schullandschaft verloren geht", sagt die aus Mülheim an der Ruhr stammende Pädagogin, die mit ihrem Mann seit vielen Jahren in Alpen-Menzelen lebt.

Im RP-Gespräch blickt sie auf ein erfülltes Berufsleben zurück. Lehrerin, ja, das war immer schon ihr Traumberuf. "Die Grundlagen werden im Kindesalter gelegt, da kann man so viel bewirken. Und man bekommt so viel zurück". Dass sie einmal Schulleiterin werde würde, war für sie eigentlich kein Thema. "Die Grundschule am Weseler Hansaring wurde 1994 geschlossen. Drei Kolleginnen und ich wurden zur neuen Brüner-Tor-Schule versetzt, in der anfangs praktisch nur Migrantenkinder angemeldet wurden. Aber genau an dieser Aufgabe hatte ich Freude. Die Arbeit mit diesen Kindern kannte ich von meiner Zeit in Duisburg-Hamborn." Als ihr die Chance geboten wurde, die neue Schule gegenüber der Feuerwache zu leiten, griff sie zu. Weniger wegen der Verwaltungstätigkeit, sondern "weil ich hier nach meinen Vorstellungen die Schule gestalten und für mich wichtige Schwerpunkte setzen und entwickeln konnte." Ihr zur Seite standen und stehen bis heute hochmotivierte Lehrerinnen, von denen viele in der Lehrerausbildung und Weiterbildung tätig waren und sind.

Zu dem guten Schulklima trug auch die Ogata mit der Leiterin Anke Sicking bei, bei der sich die Kinder stets sehr wohl gefühlt haben. Das alles hatte naturgemäß Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts. "Wir haben es geschafft", sagt sie nicht ohne Stolz, "dass wir uns intensiv um die schwächeren Schüler gekümmert haben und gleichzeitig den Förderwünschen auch von Eltern mit höchstem Bildungsanspruch gerecht wurden." Engagierte Eltern, die die Arbeit der Schule mit ihrer pädagogischen Ausrichtung zu schätzen gelernt hatten, gingen vor vier Jahren gegen die Schließungspläne der Verwaltung auf die Barrikaden. Doch selbst eine groß angelegte Demonstration konnte die Politiker damals nicht mehr umstimmen. Sibylle Handel möchte sich zu diesem Thema heute nicht mehr äußern. "Die damalige Reaktion der Eltern war für die Schule und mich eine Bestätigung unserer Arbeit. Aber es ist wie es ist."

Weil die zum Auslaufen verurteilte Brüner-Tor-Schule seit Jahren keine Schüler mehr aufnehmen darf, gibt es aktuell nur noch zwei vierte und ein drittes Schuljahr, die von Sibylle Handel und ihren Kolleginnen Sandra Bussiek, Irmgard Geisler und Bianca-Maria Schumann unterrichtet werden.

Große Pläne, was sie nun im Ruhestand machen wird, hat Sibylle Handel noch nicht geschmiedet. Klar, sie wird künftig morgens nicht mehr so früh aufstehen. "Denn eigentlich bin ich ja eher ein Nachtmensch", gibt sie lachend zu. In Urlaub fahren, das wird sie mit ihrem Mann künftig sicher auch öfter. Und auch mehr lesen und Freundschaften pflegen. "Ich lasse das jetzt alles so auf mich zukommen", sagt sie und lächelt.

Dieser Optimismus ist einfach ansteckend und hat auch gestern Nachmittag bei der Abschiedsfeier dafür gesorgt, dass so manche Mutter am Schnittchen-Büfett mit Tränen in den Augen auch schnell wieder lachen konnte.

(RP)
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