Hamminkeln Das traurige Schicksal der Josepha Rölfing

Hamminkeln · Ein Stolperstein erinnert an ein Marienthaler Opfer der Nazis. Die Großfamilie Hartmann hat dies zu ihrem Anliegen gemacht. Das Schicksal des Mordopfers war über Generationen häufig Thema in der Familie.

 Dieses Bild hat die Familie Hartmann von Josepha Rölfing. Die Nazis haben sie im Rahmen der "Euthanasie" systematisch in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt, gezielt medizinisch unterversorgt und verhungern lassen, berichtet die Familie.

Dieses Bild hat die Familie Hartmann von Josepha Rölfing. Die Nazis haben sie im Rahmen der "Euthanasie" systematisch in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt, gezielt medizinisch unterversorgt und verhungern lassen, berichtet die Familie.

Foto: Fam

Der Schriftzug auf dem Stolperstein ist kurz und knapp, wie immer, wenn der Künstler Gunter Demnig an die Opfer der Nazi-Schergen erinnert. Auf dem Stein steht: "Hier wohnte Josepha Rölfing, geb. Hartmann, Jg. 1919, seit 1941 in verschiedene Heilanstalten ,verlegt', Heilanstalt Hadamar ermordet 28.11.1944". Die Geschichte dahinter ist tragisch, und die Nachfahren der Getöteten halten die Erinnerung wach.

Mehrere Stolpersteine werden am morgigen Dienstag in Hamminkeln verlegt. In Marienthal würdigt Gunter Demnig Josepha Rölfing an der Straße An der Klosterkirche 4. Die Frau galt als psychisch krank. Sie wurde in der als Tötungsanstalt benutzten Pflege- und Heilanstalt im hessischen Hadamar nahe Limburg an der Lahn ermordet. Im Zusammenhang mit ihrem Schicksal entstand zuerst die Idee der Stolperstein-Verlegung in Hamminkeln.

Michael Brömmel war es, der Geldgeschenke zu seinem 60. Geburtstag für das Gedenken an seine Tante sammelte - auch als Zeichen gegen den aufkeimenden Rechtsruck in Deutschland und Europa. Die Marienthaler Familie Hartmann empfand die Idee, Josepha Rölfing zu würdigen, als unterstützenswert. Sie wurde ebenso Opfer der Vernichtungsmaschinerie wie die letzten jüdischen Familien aus Brünen, die vor 80 Jahren von den Nazis vertrieben und in Soribor und Riga ermordet wurden.

"Josephas Schicksal war immer Thema bei meinem Großvater Johann und in der Familie. Deshalb passt die Aktion, deshalb wird der Stolperstein bewusst an unserem alten Bauernhaus platziert", sagt Johannes Hartmannn. "Meine Tante Josepha Rölfing war eine katholische Christin. Sie ist aufgrund ihrer psychischen Erkrankung damals in der Klinik Königshof in Krefeld behandelt worden. Die Nazis haben sie im Rahmen der sogenannten Euthanasie systematisch in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt, gezielt medizinisch unterversorgt und verhungern lassen", berichtet die Marienthalerin Agnes Sondermann, geb. Hartmann. Als adoptiertes Kind wurde Josefa Rölfing zum Praktikum auf einen Bauernhof geschickt, ihre Erlebnisse dort traumatisierten sie. Davon erholte sie sich nicht mehr. "Ich habe meine Tante nie kennengelernt. Es wurde aber oft über sie erzählt", sagt Johannes Hartmann. Franziska und Johann Hartmann hatten neun Kinder. Josepha wurde mit zwei Jahren weggegeben, adoptiert vom kinderlosen Bauernehepaar Rölfing in Obrighoven. Sie sollte die Landwirtschaft später übernehmen. Irgendwann kam sie auf einen anderen Hof zu einem Praktikum, sie kehrte psychisch angeschlagen zurück. Es gebe Überlieferungen, was dort geschah und womöglich Auslöser war, dies lasse sich nicht exakt nachvollziehen, sagt Johannes Hartmann.

Josepha kam gerne nach Marienthal zu Besuch, fühlte sich wohl im kleinen Dorf. Sie kam später in psychiatrische Behandlung. Zunächst nach Krefeld, mehrere Stationen folgten. 1944 wurde sie nach Hadamar eingeliefert, einer der sechs Anstalten des Deutschen Reiches, in denen die Ermordung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen stattfand. Drei Wochen später starb sie. Offizielle Todesursache: Lungenentzündung. Die einzelnen Stationen sind im aufbewahrten Schriftverkehr der Hartmanns nachzuvollziehen. "Josephas leiblicher Vater Johann wollte sie zurückholen", sagt Johann Hartmann. Auch das Archiv von Hadamar öffnete den Marienthalern seine Verzeichnisse.

Das Gedenken an die Euthanasieopfer geriet spät, aber langsam vermehrt in den Blick. Die Gedenkstätte in Hadamar leistet hierzu hervorragende Arbeit. 15.000 Menschen wurden dort durch die NS-Euthanasie-Verbrechen getötet. Johannes Krieg sagt: "An das erlittene Unrecht der Opfer zu erinnern und im Alltag an den konkreten Orten auf ihre Namen hinzuweisen bleibt eine wichtige Aufgabe."

(RP)
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