Analyse Gesamtschul-Debatte CDU muss wieder näher an den Bürger rücken

Wesel/Hamminkeln · Die Entscheidung über die Elternbefragung zur Gesamtschule zeigt, dass die Christdemokraten die Gewichte neu ausrichten müssen.

Die Gesichter in der CDU-Fraktion wurden lang und länger. Hauchdünn mit 18 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung war die Dingden-Fraktion (inklusive USD) gescheitert, die Elternbefragung zum Doppel- oder Einzelstandort der Gesamtschule abzulehnen. Rechnerisch hätten es 21 sein müssen, eigentlich ein sicheres Polster. Nun lecken die Kräfte, die mit einer Befragung den Schulstandort Dingden gefährdet sehen, ihre Wunden. Es wird ihnen nichts nutzen, sie werden nicht gesichert herausbekommen, ob drei oder vier Abtrünnige aus den eigenen Reihen zu den Befragungs-Befürwortern wechselten. Wer von der CDU der Kritik standhielt von Schule und Eltern in den letzten Wochen, darf getrost sauer sein, dass die Abweichler nur bei der Abstimmung aus der Deckung kamen, nie aber in der Debatte. Das muss es dann aber auch sein. Die Niederlage bietet Chancen - nämlich vorauszuschauen, die Politik neu zu justieren und verständlich zu machen.

Die Frage ist, wie die CDU wieder Pluspunkte machen will. Antwort: Am besten, indem sie die veränderte politische Realität wahrnimmt und wieder näher an den Bürger rückt. Die Strecke der Schwachpunkte ist lang: Das schlappe Ergebnis bei der Bürgermeisterwahl, das sture Festhalten an der 2012er-Entscheidung zur Gesamtschule, die Bebauung Raiffeisenstraße, wo man die Bürger Einwendungen machen lässt, um sie anschließend (inklusive CDU-Sympathisanten) zu ignorieren, die Bebauung des alten Sportplatzes Brüner Straße, wo statt einer Klimaschutzsiedlung nun Sozialbauten entstehen sollen. Hat man dafür Lidl in Ortsnähe verhindert? Auch ist die Kernfrage nicht beantwortet, wie sehr Dindgen politisch den Gesamtort dominieren soll. Die Gesamtschul-Abstimmung hat CDU-intern gezeigt, dass Dingden nicht alles bekommt. Debattiert ist dieser Zielkonflikt nicht.

Nach der Abstimmungsniederlage sollte die CDU eine neue Balance ausloten. Wer sich in den Schmollwinkel zurückzieht, kann nicht gehört werden. Die Fraktion ist für alle Ortsteile da, und zur Übung taugt erneut das Thema Gesamtschule. Pädagogisch und schulorganisatorisch sind die Argumente für den zentralen Standort unschlagbar. Aber finanzpolitisch kann die CDU Verantwortung zeigen. Die Maximalforderung, die Schulverwaltung und die sich immer mehr mit Ansprüchen hochschaukelnde Schulleiterin Schmücker verlangen, kann kaum so bleiben, wenn 2016 ein Sieben-Millionen-Defizit klafft. Hier kann die stärkste schwache Fraktion Profil zeigen und mit Verantwortungsbewusstsein kombinieren.

Mehr Bürgernähe und weniger hohes Ross wird sie benötigen. Ein bisschen Demut vor dem Bürger hat noch nie geschadet. Zumal der Gegner von der SPD, powered bei Bürgermeister Romanskis Wahlsieg, psychologisch hochfliegt. Die kürzliche "Wir sind Bürgermeister"-Kraftmeierei der SPD zeigt, dass schon ein Sieg Kräfte freisetzen kann. Das ist gefährlich für die CDU, dem lässt sich am besten durch bürgernahe Politik begegnen. In Wirklichkeit hat die SPD nicht viel Neues zu bieten. Beim Gesamtschul-Standort wackelte sie von Dingden nach Hamminkeln. Bei den Finanzen lässt sie den Landrat, dessen Kreisumlage Hamminkelns größte Last ist, zufrieden, statt der Kreis-SPD die Leviten zu lesen. "Ihr" Bürgermeister langt da kritisch härter zu. Von seinem aktuellen Überzeugungsgrad werden die Sozialdemokraten nicht ewig leben können. Worauf wartet die CDU noch?

(RP, thh)
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