Schermbeck Camper fühlen sich abgezockt

Schermbeck · Ab 2012 bittet Schermbeck Camper zur Kasse. Eine Zweitwohnsitzsteuer pro Stellplatz soll Geld bringen. Die Mieter zahlen rund 160 Euro mehr pro Jahr. Jetzt kocht die Camper-Seele. Viele wollen die Pacht kündigen.

Marc Terstegen weiß nicht mehr weiter — zu groß sind die Sorgen, zu groß die Angst vor der Zukunft. Terstegen, 31-jähriger Geschäftsführer des Campingplatzes "Wachtenbrink" (180 Stellplätze) in Damm, fürchtet um seine Existenz: "Ich rechne mit bis zu 40 Prozent Rückgang."

Hintergrund ist die vor kurzem vom Rat beschlossene Regelung, dass Camper ihren Stellplatz ab 2012 als Zweitwohnsitz anmelden müssen. Die Konsequenz: Acht bis zwölf Prozent der Jahrespacht müssen zusätzlich gezahlt werden. Beim teuersten Stellplatz sind das rund 160 Euro — für Rentner, die einen Gros der Mieter ausmachen, kaum zu zahlen.

Seit Jahren wird im Ort eingekauft

Viele fühlen sich betrogen, sprechen von Abzocke. Manche Mieter haben bereits erklärt, dass sie den Pachtvertrag schweren Herzens kündigen müssen. Ihnen könnte sich Christa Beuting (71) anschließen. Seit 22 Jahren hat sie in Damm ihren Rückzugsort. Seit einem Monat ist Beuting Witwe, das Geld wird immer knapper, ihre Verzweiflung ist groß. "Ich verstehe das alles nicht. Wie kommen die darauf?", fragt sie mehrfach im RP-Gespräch. Sie fühlt sich auf dem Platz wohl, hat dort viele Freunde gefunden.

Auch Marc Terstegen kann die Entscheidung, die Camper zur Kasse zu bitten, nicht nachvollziehen. Mit den Campingplatz-Betreibern aus Gahlen und Schermbeck besuchte er vor wenigen Wochen Bürgermeister Ernst-Christoph Grüter.

Und was dieser von Campern hält, macht Terstegen jetzt noch wütend: "Der Bürgermeister sagte uns, dass die Gemeinde von den Campern nichts habe." Laut Terstegen gehen alle Mieter seit jeher in Schermbecker Läden einkaufen, Reparatur-Arbeiten werden von ortsansässigen Firmen erledigt. "Und deren Gewerbesteuern fließen in die Kassen der Gemeinde."

Der Dammer Geschäftsführer nimmt wegen steigender Betriebskosten bereits seit Jahren Umsatzeinbußen in Kauf — nur um die Miete nicht erhöhen zu müssen. "Kommt die Steuer muss ich mir einen Zweitjob suchen", sagt der 31-Jährige. Zu seinen treusten Kunden zählen die Rentner Manfred (64) und Angelika (62) Straberg, die auf der Anlage Wachtenbrink seit 41 Jahren vom Alltag abschalten. Gut möglich, dass sie ihren Mietvertrag kündigen müssen. "Wir wissen nicht, ob wir das schaffen. Jedenfalls werden hier einige abhauen", vermutet Angelika Straberg.

Die Zweitwohnsitzsteuer ist Gesprächsthema Nummer eins unter allen Schermbecker Campern. Viele erwägen einen Marsch zum Bürgermeister. Und sie wollen der Politik Druck machen.

Karin Strauch, Ehefrau des Geschäftsführer vom "Sybergshof" in Gahlen: "Das Vorhaben wird sich nicht rechnen. In Velen ist ein ähnliches gescheitert. Dort hat die Gemeinde zwar 40 000 Euro eingenommen, aber 60 000 Euro an Verwaltungskosten gehabt."

(tpi)
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