Hamminkeln Bildung ist das heißeste Wahl-Thema

Hamminkeln · Pro Mittelstand veranstaltete eine Podiumsdiskussion mit den lokalen Landtagskandidaten. Vor Wirtschaftsvertretern ging es vor allem um Wirtschaftsthemen. Es war eine bemerkenswert sachliche und inhaltsbetonte Veranstaltung.

 Gut besucht war die Diskussion bei der Vereinigung Pro Mittelstand, die im Hamminkelner Bürgerhaus erstmals die Landtagskandidaten auf einem Podium zusammenbrachte.

Gut besucht war die Diskussion bei der Vereinigung Pro Mittelstand, die im Hamminkelner Bürgerhaus erstmals die Landtagskandidaten auf einem Podium zusammenbrachte.

Foto: Markus Joosten

Es war eine doppelte Premiere. Erstmals haben sich die Landtagskandidaten gemeinsam einer öffentlichen Diskussion in Hamminkeln gestellt. Und erstmals haben sie nur Themen rund um die Wirtschaft - und das ausschließlich vor Wirtschaftsleuten - diskutiert.

Es war eine gelungene Premiere. Pro Mittelstand hatte in einer exklusiven Veranstaltung für Vereinsmitglieder nicht nur ein straffes Zeitmanagement vorgegeben nebst der Leitlinie, von emotionalen Unmutsäußerungen abzusehen, sondern auch die drei Themenbereiche Gemeindefinanzierung, Ausbildung und Bürokratieabbau.

Mit Abstand heißestes Wahl-Thema ist die Bildung. Hier häufte sich an diesem Abend heftige Kritik an der Schulpolitik. Insgesamt konstatierte Moderator Walter Münnich "klare, konträre Aussagen". Die Zuhörer könnten "sich wie Personalchefs ein Urteil über die Bewerber bilden".

Einzig zu Beginn hatte er Widerspruch auszuräumen. Ulrich Lütke von den Grünen, übrigens der einzige Unternehmer unter den Kandidaten, wehrte sich dagegen, der "AfD eine Bühne zu bieten". Münnich erwiderte, dass man demokratisch-liberal handele und alle vom Wahlleiter zugelassenen Parteien vertreten sein sollten. Nicht dabei war der Kandidat der Piraten, immerhin eine noch im Landtag vertretene Partei. Neben Lütke saßen Norbert Meesters (SPD), Charlotte Quik (CDU), Helen Fuchs (FDP), Sascha Wagner (Linke) und Stefan Kawinski (AfD) auf dem Podium. Alle waren gut vorbereitet anhand des Themenkatalogs - und rednerisch einer gewissen Kürze fähig.

Hoch her ging es in der Fragerunde des Publikums beim Thema Ausbildung. Inklusion, die mangelnde Vermittlung von Tugenden wie Pünktlichkeit und Verantwortungsbewusstsein, fehlende Schulbücher, Unterrichtsausfall, zu viele ideologisch bedingte Reformen, Abiturientenschwemme - die Kritik hatte ein erhebliches Ausmaß. Norbert Meesters, der die eingesetzten Bildungs-Milliarden vorrechnete, bekam den meisten Unmut ab - nicht etwa die Grünen, denen Hamminkelner Parteifreunde kürzlich attestiert hatten, die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann sei die schlechteste Ministerin, die man bisher erlebt habe. Ein Integrationshelfer riet Meesters, "die Inklusions-Katastrophe in der Schulrealität" wahrzunehmen. Da gebe es nichts schönzureden.

Die bildungspolitischen Rezepte der Kandidaten hatten jeweils andere Schwerpunkte: Wagner will heftig investieren, AfD-ler Kawinski ebenfalls und dazu die Rückkehr zum dreigliedrigen Schulsystem. Lütke will den Inklusionsgedanken in den Ausbildungsmarkt hineintragen. Charlotte Quik verlangt, sofort Maßnahmen für mehr Lehrer einzuleiten und keine Förderschule mehr zu schließen. Fuchs will den Schulen mehr Freiheit geben.

Meesters strich "die Priorität der SPD bei der Bildung" heraus und verbat sich, Nordrhein-Westfalen dauernd das Vorbild Bayern vorzuhalten: "Da krieg' ich Pickel", sagte er.

Stichwort Gemeindefinanzierung: Hier hatte Bürgermeister Bernd Romanski mit seiner landespolitischen Forderung, das Zuweisungssystem zugunsten der ländlichen Kommunen zu ändern, für Furore gesorgt. Die CDU forderte ihn eilig auf, Armin Laschet zu wählen, man vertrete die gleiche Ansicht. Charlotte Quik stützte Romanski, Kommunen wie Hamminkeln würden bei den Schlüsselzuweisungen vernachlässigt. Das sei "nicht nur ein Gefühl". Meesters wehrte sich gegen die Kritik, das Land helfe nur Ballungsgebieten. Er hatte Zahlen parat.

Wagner will die Gewerbesteuer zugunsten einer Gemeindewirtschaftssteuer abschaffen - mache 15 Milliarden Mehreinnahmen. Romanski verlangte, eine neue Regierung müsse die Gemeindefinanzierung anpacken: "Dass der ländliche Bereich weiter so behandelt wird, ist nicht okay", sagte er.

Einig waren sich die Kandidaten beim sogenannten Konnexitätsprinzip - heißt: Wenn Bund oder Land Maßnahmen beschließen, müssen sie auch zahlen.

Thema Bürokratieabbau: Klar, die FDP wolle Handwerker und Mittelstand von Gesetzen und Dokumentationspflichten entlasten, so Fuchs. Meesters will Genehmigungsverfahren für Projekte verkürzen. Lütke riet, Bürokratie nicht zu verteufeln, etwa wenn es um Schwarzarbeit und Arbeitssicherheit gehe, sowie mehr Beamte im Steuervollzug einzusetzen. Quik will Gesetze "anwenderfreundlicher" machen und die Regelungswut begrenzen. Sie kritisierte auch die Vielzahl der Verwaltungsebenen wie die Bezirksregierung.

Das nahm Hamminkelns Bürgermeister Bernd Romanski nach seinen Erfahrungen mit Oberbehörden zum Anlass, mehr Mut zu fordern. "Die Frage ist, ob die Struktur mit Kreis, Bezirksregierung, LVR oder RVR richtig ist. Da sollte man herangehen."

(RP)
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