Wesel. Bilder zum Drüberstreicheln im Tannenhäuschen

Wesel. · Der alte "Baum" ist voller Schründe und rissiger Rinde. Seine gealterte Haut ragt leicht aus dem planen Bilduntergrund heraus. Er wirkt wie ein verwitterter alter Stamm im dunklen Braun und schattigen Tönen, der in seinem Alterswachstum die Oberfläche gesprengt hat. Man möchte nachfühlen, drüberstreicheln, um sich zu vergewissern, dass diese Kunst auch eine haptische Seite hat. Doch darf man Gemälde berühren? "Tun Sie's. Es ist Kunst zum Anfassen", sagt Markus Persing. Er zeigt seine Arbeiten im Rahmen des Kultursalons im Waldhotel Tannenhäuschen. Sonntag um 18 Uhr ist Vernissage. "GO Between" haben er und Kunsthistorikerin Claudia Bongers die Ausstellung genannt. Das ist doppeldeutig, auf das Bildnerische und die berufliche Seite bezogen. "Das Leben bedeutet Entwicklung und Veränderung", heißt die Grundlage.

 Markus Persing stellt im Hotel Tannenhäuschen aus.

Markus Persing stellt im Hotel Tannenhäuschen aus.

Foto: Weissenfels

Das trifft auch auf Markus Persing zu, der als dritter Sohn einer alten Weseler Familie mit einem Bäckereibetrieb (ten Hompel seit 1860) sich für eine Laufbahn in der IT-Branche entschied. 20 Jahre war er für SAP unterwegs, heute arbeitet er bei Haniel in Duisburg als Visual Coach & Facilitator. Heißt: er visualisiert in comicartiger Darstellung, mit Symbolen und Zeichen die Kernbotschaften von Seminaren und Sitzungen - eine amerikanische Methode, die hilft, mit Bildern komplexe Probleme besser zu verstehen.

Entwicklung spiegelt sich gleichfalls in Persings ausgestellten Arbeiten. Malte der Jugendliche mit Kohle und Bleistift, so verwendet er heute Baumaterialien, Öl, Wachs und reine Pigmente. Diese Methode hat er bei der Essenerin Gabriele Musebrink gelernt. "Jedes Werk ist das Ergebnis aus Bewegung und Gefühl - wie im Leben gibt es dabei nicht das eine Ziel, sondern es ist der Weg, der die Bilder zu dem macht, was sie sind", sagt Persing. Der Weg ist vor allem Handarbeit und Fingerfertigkeit, nicht der Auftrag mit dem Pinsel. Mit den Händen trägt er zum Beispiel Gips als Bilduntergrund auf, er mischt Pigmente und ganz oft Marmormehl. Diese Mixtur trägt er mit Händen auf, die Wärme der Finger macht sie geschmeidig. Auch getrocknetes Kaffeepulver mit Leim ist Masse mit Überraschungspotenzial. Das Material arbeitet, es bricht, wölbt sich, reißt Risse, bildet urwüchsige Oberflächen. "Absichtslose Kunst", sagt Persing. Sie passiert.

Info Sonntag, 23. Oktober, 18 Uhr, Tannenhäuschen; Musik: Godehard Reul, Violine; Steffen Wandel, Tin Whistle, Querflöte; Artur Holz, Gitarre; Dagmar Persing, Bodhran, Akkordeon.

(RP)
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