Wesel Behinderten Ausbildungschancen geben

Wesel · Arbeitsagentur-Chefin und Wesels Bürgermeisterin besuchen Rechenzentrum für Heilberufe (RZH). Das Unternehmen gilt als Vorzeigebetrieb, weil es überdurchschnittlich viele Mitarbeiter mit Handicap beschäftigt.

 RZH_Schwerbehindertenbeauftragte Beate Langwald (l.) mit der ausgebildeten Bürokauffrau Jennifer Ifkovitz

RZH_Schwerbehindertenbeauftragte Beate Langwald (l.) mit der ausgebildeten Bürokauffrau Jennifer Ifkovitz

Foto: Fischer, Armin (arfi)

Für junge Menschen mit Handicap ist es oft gar nicht so leicht, einen geeigneten Ausbildungsplatz zu finden. Nicht selten gibt es Vorbehalte der Arbeitgeber, körperlich Behinderte seien öfter krank oder weniger leistungsfähig. "Das Gegenteil ist der Fall", sagt Beate Langwald. "Sie alle sind ganz besonders ehrgeizig und fehlen so gut wie nie." Die 49-Jährige ist seit fünf Jahren Schwerbehindertenbeauftragte beim Weseler Rechenzentrum für Heilberufe (RZH) im Gewerbegebiet Am Schornacker. Das RZH, das bundesweit unter anderem Abrechnungen für Pflegedienste, Physiotherapeuten, Sanitätshäuser und Taxiunternehmen erledigt, beschäftigt 25 Frauen und Männer mit Behinderungen. Das macht bei 300 Mitarbeitern eine Quote von 8,8 Prozent. Gesetzlich gefordert sind fünf Prozent.

Im RZH arbeiten zwei Gehörlose sowie mehrere Menschen, die auf einen Rollstuhl oder einen Rollator angewiesen sind. Zu ihnen gehört Jennifer Ifkovitz (26). Die junge Frau aus Dinslaken ist von Geburt an gehbehindert. Nach dem Ende ihrer Schulzeit war sie auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz im kaufmännischen Bereich. Über die Arbeitsagentur erhielt sie die Adresse des RZH. "Man sagte mir, dass das Unternehmen bekannt dafür sei, gehandicapten Menschen eine Chance zu geben."

Jennifer Ifkovitz schrieb eine Bewerbung, wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen und bekam die Stelle. "Das einzige, was ich brauche, ist ein spezieller Stuhl", sagt sie. Ansonsten arbeitet sie wie alle anderen Kollegen. Nach Ende ihrer dreijährigen Lehrzeit zur Bürokauffrau wurde sie vor zwei Jahren in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. "Für mich ist das RZH der ideale Arbeitgeber. Und mir macht die Arbeit Spaß."

Ein Lob wie dieses hört RZH-Chef Stefan Mühr natürlich gerne. Während eines Gesprächs mit Wesels Bürgermeisterin Ulrike Westkamp, Arbeitsagentur-Chefin Barbara Ossyra und Manfred Mertsching, dem ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten der Stadt Wesel, zum Thema "Kein Handicap für die Ausbildung - Lehrstellen für junge Menschen mit Behinderungen" , sagt Mühr, dass er den einen oder anderen Unternehmer durchaus verstehen könne, der Bedenken habe, einen Behinderten einzustellen. "Allerdings hilft gegen Vorbehalte nur, es einfach mal auszuprobieren. Inklusion kann nur gelingen, wenn es selbstverständlich wird, auch Menschen mit Handicap eine Chance zu geben." Zustimmendes Nicken erntet er dafür von allen Gesprächsteilnehmern, die an die Firmen in der Region den Appell richten, mehr Ausbildungsplätze für junge Leute mit einem Handicap bereitzustellen.

"Wir müssen etwas tun für die jungen Leute, weil ich immer wieder von Unternehmern höre, die behaupten, die gehandicapten jungen Leute würden krank feiern", so Mertsching, der in den vergangenen zehn Jahren 16 Ausbildungsstellen für Jugendliche akquirieren konnten. Ulrike Westkamp macht darauf aufmerksam, dass jeder durch einen Unfall gehandicapt werden könne. Bei der Stadt Wesel haben zehn Prozent der Mitarbeiter eine Behinderung. Und Barbara Ossyra betont, dass die Arbeitsagentur interessierten Unternehmen zahlreiche Fördermöglichkeiten aufzeigen und Hilfestellen geben könne. "Motivierte und ausbildungsinteressierte junge Leute aufgrund ihres Handicaps nicht zu berücksichtigen, können sich zukunftsorientierte Unternehmen in Zeiten rückläufiger Schulabgängerzahlen nicht leisten", ist die Arbeitsagenturchefin überzeugt.

Wer mehr zum Thema wissen möchte, nimmt Kontakt auf mit dem Arbeitgeber-Service von Arbeitsagentur und Job-Center unter den Rufnummern 0281 9620-357 oder 9620-456.

(RP)
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