Zu Besuch im Burgers' Zoo Auf Du und Du mit der Seekuh

Wesel · Einen Tag im Zoo als Praktikantin verbrachte RP-Mitarbeiterin Nicole Scharfetter. Auf dem Programm stand: Füttern, füttern, füttern.

 Wenn die Seekühe ihr Gemüse und das eingeweichte Brot bekommen, checkt Tierpfleger Christiaan Luttenberg immer die Augen und die Zähne. Heute helfe ich ihm dabei.

Wenn die Seekühe ihr Gemüse und das eingeweichte Brot bekommen, checkt Tierpfleger Christiaan Luttenberg immer die Augen und die Zähne. Heute helfe ich ihm dabei.

Foto: van Offern, Markus (mvo)

Über meine erste Begegnung mit einer Seekuh kann Christiaan Luttenberg vom Burgers' Zoo in Arnhem nur lachen. Und das Foto, das ich beim Manatee-Watching vom Bötchen aus geschossen habe, werde ich ihm gar nicht erst zeigen. Mit dem dunklen Schatten unter der Wasseroberfläche kann ich ihn nicht beeindrucken.

Christiaan Luttenberg könnte Selfies machen mit Seekühen, wenn er wollte. Er ist so etwas wie der Seekuh-Flüsterer, der Mann, der fast alles weiß über die Säugetiere. Luttenberg ist Tierpfleger im Burgers' Zoo, verantwortlich für die beiden Seekühe - ein Männchen und ein Weibchen -, die im Busch leben. Genauer gesagt in einem großen, tümpelartigen Becken, das sich quer durch die Tropen-Halle schlängelt, vorbei an Papageien, Flughunden und Bananenbäumen.

 Wenn die Seekühe ihr Gemüse und das eingeweichte Brot bekommen, checkt Tierpfleger Christiaan Luttenberg immer die Augen und die Zähne. Heute helfe ich ihm dabei.

Wenn die Seekühe ihr Gemüse und das eingeweichte Brot bekommen, checkt Tierpfleger Christiaan Luttenberg immer die Augen und die Zähne. Heute helfe ich ihm dabei.

Foto: van Offern, Markus (mvo)

Ich quatsche ein bisschen mit ihm, möchte ganz viel wissen über seine Seekühe. Weil ich mich vorbereiten will auf meinen Tag als Zoo-Praktikantin. Die für mich wichtigste Frage stelle ich natürlich zuerst. "Wie heißen die beiden denn?" Der Tierpfleger grinst, insgeheim verdreht er aber sicher gerade die Augen. Einen Namen haben die beiden, aber den kennen nur die Pfleger. "Wir wollen hier keinen Knut-Effekt", sagt Luttenberg, der mir eine olivgrüne Gummi-Latzhose mit integrierten Stiefeln in die Hand drückt.

Wir müssen bei der Arbeit weiterreden, Christiaan Luttenberg hat einen engen Zeitplan, nicht nur die Seekühe wollen heute fressen. Ein bisschen tollpatschig stülpe ich mir die Riesenhose über, stolpere von links nach rechts, und stehe dann bis zum Bauchnabel im Wasser mit einer Plastikkiste in der Hand, die gefüllt ist mit Möhren, Kartoffeln und Roter Bete. Seekühe sind also Vegetarier. Ich halte Ausschau nach den beiden, als mich etwas von der Seite anstupst. Wobei das Anstupsen vielmehr ein Rempeln ist. Ich komme kurz ins Schwanken.

Mit knapp 400 Kilo Körpergewicht ist es vermutlich gar nicht so einfach, vorsichtig zu stupsen. Tausend Fragen schießen mir durch den Kopf: Kann die Seekuh mich beißen, und was, wenn sie mich nicht mag und plötzlich vom Vegetarier zum Fleischfresser mutiert? Christiaan Luttenberg merkt mir die Aufregung an und verrät den Namen der Tiere - den sage ich aber nicht weiter, hab' ich versprochen -, so wird es zumindest für mich ein bisschen persönlicher.

Ich lerne die 27 Jahre alte Dame kennen. Sie ist ganz rau, ein bisschen haarig. Ihre Augen sind klein aber lieb, sehen können Seekühe nicht gut, sagt der Tierpfleger, der mit der Fütterung schon längst begonnen hat. Das Weibchen stupst mich wieder an, diesmal ein bisschen ungeduldiger. Es hat auch Hunger, und Streicheleinheiten füllen nun mal nicht den Magen. Am liebsten mag meine Seekuh Rote Bete, Karotten isst sie nur widerwillig. Die heben wir uns bis zum Schluss auf - "wenn es nichts anderes mehr gibt, dann tun es auch die", sagt Luttenberg.

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Wir stapfen aus dem Becken, und ich schäle mich aus der Latzhose. Am liebsten würde ich jetzt die Eindrücke sacken lassen. Keine Zeit, meint Christiaan Luttenberg, der mit einer Kiste voller Salat auf die Brücke im Busch zusteuert. Er wirft die Salatköpfe ins Wasser - auch für die Seekühe. So ein bisschen Gemüse macht die Tiere nicht satt. "30 Kilo Salat bekommt jede Seekuh am Tag", sagt Luttenberg. Und ganz nebenbei erwähnt er, dass im Wasser, in dem ICH gerade stand, auch Piranhas schwimmen. Die monsterartigen Fische mit den Riesenzähnen, denke ich. Ich schaue panisch auf meine Finger, zähle nach. Fünf links, fünf rechts, alle noch da.

Christiaan Luttenberg ist aber nicht nur Seekuh-Fachmann. Auch bei Erdferkeln ist er ein Spezialist. Und die warten schon ausgehungert in ihrem Gehege. Gemüse, Hackfleisch und Hundefutter hat Luttenberg in einem Napf angerührt, den er kaum auf den Boden stellen kann, so wild stürzt sich das Dreier-Gespann drauf. Erdferkel, eine Mischung aus Nasenbär, Känguru und übergroßer Ratte, denke ich. Irgendwie nackt, nicht die schönsten Tiere, trotzdem lustig anzuschauen. Burgers' Zoo führt das Europäische Zuchtbuch für Erdferkel, die nur in wenigen Zoos gehalten werden, erklärt mir Luttenberg. Insgesamt gibt es weltweit nur etwa 60 Stück. Sie sollen nachtaktiv sein, sagt Luttenberg, die meiste Zeit liegen sie aber nur faul in ihrer beheizten Höhle rum und schlafen.

So langsam macht mir das feuchte Tropenklima im Busch zu schaffen. Glück für mich, dass draußen schon Theo Kruse auf mich wartet, der Mann, der den wohl gefährlichsten Job im Zoo hat. Theo Kruse arbeitet mit Löwen, Tigern und Sri Lanka-Panthern. Auf seiner To-do-Liste steht die Fütterung der leopardähnlichen Raubkatzen. Und die läuft ganz und gar nicht so gemütlich ab wie bei den Seekühen.

Er nimmt mich mit zu den Käfigen, wo die Sri Lanka-Panther in der Nacht sind - getrennt voneinander. "Sonst gäbe es Mord und Todschlag", sagt er. Der Zoo hofft schon seit einigen Jahren auf Nachwuchs, aber das einzige Männchen in der Vierergruppe will nicht so recht. "Er ist anders", sagt Kruse. Manchmal gibt es einfach solche Muffel, die lieber fressen anstatt sich um Nachwuchs zu kümmern - wie die Pandas, die als absolute Fortpflanzungs-Verweigerer gelten. Wie anders Maga ist, sehe ich, als der Pfleger ihn aus dem Außengehege in den Käfig holt. Maga sitzt einfach nur da, guckt gelangweilt durch mich hindurch.

Seine Nachbarin Jafna dagegen springt an der Käfigtür hoch, knurrt mich an. Ihr Verhalten sei normal, sagt Kruse. Jafna ist gerade läufig und deshalb schrecklich aufgedreht. Und wenn dann auch noch der etwas andere Panda unter den Panthern kein Interesse zeigt, können die Hormone schon mal verrückt spielen. Deswegen wird Jafna heute auch zuerst gefüttert, Theo Kruse hat ein bisschen Mitleid mit der Panther-Dame. Wir binden eine zwei Kilo schwere Keule an einen Baumstamm, dutzendfach umwickelt mit einer Schnur. Lange wird Jafna nicht brauchen, um das Fleisch runterzureißen. So sieht Raubtier-Fütterung aus.

Bei dem ganzen Füttern meldet sich zwischendurch mein eigener Magen. Bevor ich ein paar Fritten reinschiebe, verteile ich noch Honig für die Malaienbären, damit das Trio am Nachmittag beschäftigt ist. Ein echtes Spektakel für die Besucher, Akrobatik-Show inbegriffen. Im Ocean erwartet mich bereits Bas Arentz. Für mich steht die schwierigste Aufgabe des Tages an. Die Adlerrochen wollen ihren Fisch, und den kann ich überhaupt nicht riechen. In den Hallen über dem Unterwassertunnel, wo man die Becken von oben sieht, müssen wir ganz ruhig sein, sonst fressen die Adlerrochen nicht. Sie sind empfindlich. Bas Arentz kennt jeden Rochen so gut als wären es sein eigenes Kind. Nur bei den Namen sollte er sich noch ein paar Gedanken machen, finde ich, Zahlen als Namen... Gar nicht kreativ.

Ich lasse Arentz allein, damit die Rochen auch wirklich alle satt werden. Mir geht der Arielle-Song durch den Kopf, den ich leise vor mich hinsumme: "Bei uns sind die Fische glücklich, man tummelt sich und hat Spaß." Den hatte ich auch bei meinem Praktikum, und würde am liebsten morgen wiederkommen. Für mich geht es aber zurück ins Auto, zurück nach Kleve, zurück zum Alltag, wo ich noch ganz lange von Seekühen und Bären und Panthern träumen werde.

(RP)
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