Wesel 100 Spielarten der improvisierten Musik

Wesel · Mehr als 100 Musiker sorgten zu Pfingsten für spannende Stunden zwischen Komposition und Improvisation.

 Die vier Saxofonisten von Tim Isforts "Zapptet" begeisterten das Publikum.

Die vier Saxofonisten von Tim Isforts "Zapptet" begeisterten das Publikum.

Foto: kdi

Er selbst spielt Bass. Über Moderator Odilo Clausnitzer lässt er ausrichten, dass er "im Prinzip" Saxofonquartette ja hasst, bringt aber dann mit seinem Projekt "Zapptet" ein Saxofonquartett auf die Bühne der Festivalhalle, das es in sich hat: Tim Isfort, der Moerser Lokalmatador, überrascht sein Publikum, in dem er sich quasi durch die Jazzgeschichte zappt - und das nicht allein: Der Bassist, der bereits mehrfach mit verschiedenen Projekten auf dem Moers Festival vertreten war, hat sich klangvolle Verstärkung geholt - mit Angelika Niescier und Hayden Chisholm zwei ehemalige Improviser in Residence, dazu Jan Klare, der die Morning Sessions kuratierte, und Silke Eberhard. Komplettiert wurde die ungewöhnliche Combo durch Gitarrist Thorsten Töpp, Michael Vatcher am Schlagzeug und Isfort am Bass. Klar, dass sich die Truppe, die nur drei Tage zum Proben hatte, in die Herzen der Zuhörer spielte. Vielleicht machte es den Auftritt auch so sympathisch, weil Tim Isfort den Mut aufbrachte, sein Bedauern über die aktuelle Situation des Moers Festivals zum Ausdruck zu bringen. Das Jazzfest ist finanziell ins Schlingern geraten. Es war nicht sicher, ob es tatsächlich dieses Jahr überhaupt stattfinden konnte. Die Stadt Moers übernahm schließlich die Garantie für dieses Jahr. Das "Zapptet" darf sich ganz sicher zu den Höhepunkten des Moers Festivals zählen, das auch in diesem Jahr mehr als 100 Musiker aus aller Welt in die Grafenstadt zu Musizieren eingeladen hatte. Eigens aus Kuba eingeflogen wurde das Trio von Harold López-Nussa, das mit Piano, Bass und Schlagzeug zwar eine klassische Besetzung bietet, seinen Jazz aber mit latein-amerikanischer Lebensfreude würzt. Das Trio kam beim Publikum ungemein gut an. Ohne Zugabe durfte es die Bühne nicht verlassen. Reiner Michalke, künstlerischer Leiter, gab aber auch den verwegenen und ungewöhnlichen Projekten zwischen Komposition und Improvisation einen Raum.

Dazu gehörte auf jeden Fall das Trio "The Liz", das sein neues Projekt "Book of Birds" auf dem Moers Festival vorstellte. Liz Kosack, Liz Albee und Korhan "Liz" Erel, ja in diesem Trio nennen sich tatsächlich alle Liz, sind Klangforscher, die eine Geschichte zu erzählen haben. Mag sein, dass sich nicht allen Zuhörern auf Anhieb das ambitionierte Konzept des Trios erschloss, das Anubis, Sphinx und Ödipus zusammenbrachte. Es war aber ein Hingucker, weil das Trio, das zum Teil Masken trug, sehr poetische Bilder zur sphärischen Musik erzeugte. Zum Abschluss ließ es sogar eine Vogel-Marionette vom Hallendach auf die Bühne hinunter schweben.

Das Festival präsentierte die unterschiedlichsten Spielarten der aktuellen improvisierenden Musik in einem beständigen Wechsel. Wer es rhythmisch und melodiös mag, der war beim Subway Jazz Orchestra mit seiner Suite "State of Mind" gut aufgehoben, während das Duo Kaja Draksler und Susana Santos Silva das Publikum an der Intimität von Improvisation und Klangforschung teilhaben ließ - im Zusammenspiel von Piano und Trompete.

(RP)
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