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Doppel-Interview Stefan Leßenich und Rainer Bleek Zwei Kandidaten - nur einer kann gewinnen

Wermelskirchen · Am Sonntag wird das wichtigste Amt der Stadt gewählt. Auf der Zielgeraden geben die Kandidaten alles, um die Wähler auf ihre Seite zu ziehen.

 Stichwahlkandidat I: Stefan Leßenich tritt für die CDU an, der 35-Jährige holte im ersten Wahlgang 38,30 Prozent der Stimmen.

Stichwahlkandidat I: Stefan Leßenich tritt für die CDU an, der 35-Jährige holte im ersten Wahlgang 38,30 Prozent der Stimmen.

Foto: Jürgen Moll

Die finanzielle Belastung durch die Zuweisung der Flüchtlinge nimmt zu. Denken Sie, dass Land und Bund tatsächlich alle Kosten übernehmen?

 Stichwahlkandidat II: Rainer Bleek geht für die SPD ins Rennen, im ersten Wahlgang am 13. September gaben 34,18 Prozent der Wahlberechtigten dem 60-Jährigen ihre Stimme.

Stichwahlkandidat II: Rainer Bleek geht für die SPD ins Rennen, im ersten Wahlgang am 13. September gaben 34,18 Prozent der Wahlberechtigten dem 60-Jährigen ihre Stimme.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Lessenich Das glaube ich nicht. Die rot-grüne Landesregierung ist ja schon lange auf Raubzug in den Kommunen. Das Land zahlt, was die Erstzuweisung angeht, 100 Prozent der Kosten. Aber die spätere Unterbringung der registrierten Asylbewerber wird noch zu 50 Prozent übernommen. Das kann so nicht bleiben. Da müssen wir mit anderen Kommunen das Land auffordern, auch diese Kosten zu 100 Prozent zu übernehmen. Es belastet uns in extremen Maßen. Das Haushaltssicherungskonzept könnte in Gefahr kommen. Ich möchte ungern über Steuererhöhungen diskutieren.

BLEEK Ich sehe nicht, dass das Land auf Raubzug geht. Das Land macht große Anstrengungen, um die Kommunen zu unterstützen. Zur Finanzierung ist vorgesehen, dass 100 Prozent der Erstaufnahme durch den Bund bezahlt werden. Bei den laufenden Kosten steht eine Quote von 90 Prozent, die übernommen werden soll. Gleichwohl werden uns diese zehn Prozent erheblich belasten. Ich plädiere dafür, einen separaten Produkthaushalt aufzustellen, um die Transparenz für diese Migrationskosten aufzuzeigen. Ohne Bund und Land werden wir diese Aufgabe nicht stemmen können.

Herr Leßenich, die SPD wirft Ihnen vor, Politik auf dem Rücken der Flüchtlinge zu machen.

Lessenich Das sehe ich nicht so. Denn das Thema ist die größte Herausforderung seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Man darf auf dem Rücken der Menschen keinen Wahlkampf machen. Es geht nicht darum, über welche Themen, sondern wie man über die Themen spricht. Die Bürger, und ich bin von vielen angesprochen worden, erwarten von einem Bürgermeisterkandidaten eine Aussage, wie er die Flüchtlingsprobleme lösen will. Das ist für die Menschen ein wichtiges, brennendes Thema, da muss man den Bürgern auch Antworten geben. Das sehe ich als meine Pflicht. Auch was die Finanzierung angeht. Also: Kein Wahlkampf mit den Menschen, aber die Fakten muss man aussprechen.

BLEEK Aber man sollte das Thema nicht parteipolitisch instrumentalisieren. Ich glaube, die Verwaltung macht einen guten Job. Deshalb ist es Aufgabe der Politik, sich erst einmal dahinter zu stellen. Hinterfragen sollte man intern. Wir sind hier gut beraten, den Zusammenschluss aller Parteien zu finden.

Worauf werden sich die Bürger finanziell einstellen müssen?

Bleek Auf jeden Fall auf Einschränkungen im täglichen Leben. Das fängt mit der Belegung von Sporthallen an. Wir werden weitere unterstützende Angebote im sozialen und schulischen Bereich machen müssen. Wir werden möglicherweise Probleme auf dem Wohnungsmarkt bekommen, denn da konkurrieren Asylsuchende und Flüchtlinge mit finanziell nicht so gut aufgestellten Wermelskirchenern um billige Wohnungen. Das sind Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen - bis hin zur Frage der hauptamtlichen Betreuung. Es könnte auch zu Problemen mit der Nachbarschaft kommen.

LESSENICH Sofern wir alle Kosten zu 100 Prozent erstattet bekommen, können wir gravierende Einschnitte vermeiden. Ansonsten sehe ich die Situation wie Herr Bleek: Wir werden das Angebot, was wir vorhalten, nicht mehr in dem Maße leisten können. Wir werden wahrscheinlich nicht umher kommen, auch bei freiwilligen Leistungen Abstriche machen zu müssen. Deshalb hoffe ich, dass das Land einlenkt.

Ist in dieser Situation zum Beispiel ein Kunstrasenplatz überhaupt noch finanzierbar?

Lessenich Wir dürfen, auch wenn wir diese Herkulesaufgabe Flüchtlingsaufnahme vor uns haben, Projekte nicht vernachlässigen. Wir müssen alles tun, um bei diesen Themen weiter nach vorne zu kommen. Der Kunstrasenplatz ist finanzierbar.

BLEEK Ich halte ihn auch für finanzierbar. Es gibt genügend günstige Finanzierungsmöglichkeiten. Und mit Unterstützung der Vereine werden wir dies bewerkstelligen.

Braucht die Stadt mehr Personal in der jetzigen Situation?

Bleek Ich sehe in vielen Bereichen die Untergrenze erreicht. Das muss in Gesprächen mit den Mitarbeitern erörtert werden und auch vor dem Hintergrund möglicher neuer Aufgaben geschehen.

LESSENICH Die Auslastung ist sehr hoch in der Verwaltung. Aber ich müsste mir erst ein detailliertes Bild machen. Ob neues Personal angesichts der Haushaltslage möglich ist, sehe ich im Moment nicht. Ich setze mehr auf Synergien. Zum Beispiel sollte WiW viel stärker im Tourismusbereich eingebunden werden.

Es gibt eine Aussage der Bezirksregierung, dass Kommunen "ergebnisorientiert handeln" sollten, um trotz Flüchtlingsandrang den Haushaltsausgleich sicherzustellen. Wie bewerten Sie diese Aussage?

Bleek Ich interpretiere diese Aussage gar nicht. Wir müssen immer ergebnisorientiert handeln. Das halte ich für eine Binsenweisheit. Die Bezirksregierung ist für mich nicht das Ende der Erkenntnis. Zu glauben, dass wir die erforderlichen Leistungen für die Flüchtlinge aus eigenen Mitteln stemmen können, ist schlicht Unsinn.

LESSENICH Ja, wir müssen ergebnisorientiert handeln. Ich will helfen, dass dabei das gesellschaftliche Leben nicht wegbricht. Wir sind zum Beispiel jetzt in Dabringhausen als Stadt gefordert, die Vereine zu unterstützen. Ich kann mir vorstellen, ein Zelt aufzubauen, um die Veranstaltungen stattfinden zu lassen. Im Dorf gibt es eine große Welle der Solidarität. Wir müssen die Bürger mitnehmen, statt sie mit den Veränderungen allein zu lassen.

BLEEK Der Bund hat im ersten Halbjahr einen Überschuss von 21 Milliarden Euro erwirtschaftet. Wer zurecht eine Willkommenskultur fordert, muss er auch in der Lage sein, die Städte in die Lage zu versetzen, dies in die Praxis umzusetzen.

LESSENICH Aber dann muss die Landesregierung die Bundesgelder gerecht verteilen. Beim kommunalen Investitionsprogramm bekommt Remscheid 60 Euro je Bürger, Wermelskirchen gerade mal zwei Euro. Wir versuchen, sparsam zu sein, aber das Geld wird in die Großstädte gepumpt. Der ländliche Raum leidet extrem darunter. Wir müssen dafür kämpfen, dass das Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird.

Die Wahlbeteiligung bei der Hauptwahl war schlecht. Wie wollen Sie das Bürgerinteresse an Politik und auch das Vertrauen in handelnde Personen zurückgewinnen?

Lessenich Ich werde die Bürger mitnehmen. Ich möchte alle Vereine und Institutionen in politische Entscheidungen einbinden. Ich möchte runde Tische einführen. Die Leute sollen sich mitgenommen fühlen. Ich möchte Transparenz herstellen. Was den Schuldenstand der Stadt angeht, zum Beispiel mit einer Schuldenuhr. Die Leute müssen sich wieder mehr mit unserer Stadt identifizieren. Es muss klar werden, dass wir nur in einer Gemeinschaft von Bürgern, Verwaltung und Politik etwas bewegen.

BLEEK Das ist eine der schwierigsten Aufgaben, die wir als Kommune allein nicht lösen können. Es geht um mehr Transparenz von Bund über Land bis zur Kommune. Entscheidungen müssen verständlicher gemacht werden. Wir müssen loskommen von dem Ruch, dass vielfach nur noch Lobbyentscheidungen getroffen werden. Viele Bürger haben das Vertrauen in die Politik verloren, weil viele Probleme nicht mehr angegangen werden.

Fehlende Transparenz ist das Stichwort: Beim Winterdienst war das zuletzt wohl der Fall, oder?

Lessenich Es kann nicht sein, dass da eine Satzung rausgehauen wird, die den Eindruck vermittelt, die Frau mit dem Rollator muss die Straße vom Schnee befreien. Das geht gar nicht.

BLEEK Ganz allgemein: Transparenz ist immer eine Gratwanderung. Wenn ein Thema zu früh veröffentlicht wird, wird es häufig auch zerredet.

LESSENICH Es ist der Fehler beim Winterdienst gemacht worden, dass die Parteien nicht mitgenommen wurden. Es wurde darüber nicht einmal im Ältestenrat diskutiert.

BLEEK Das stimmt.

LESSENICH Wir beiden Kandidaten haben unisono gesagt: Mit uns so nicht. Weil wir beide uns bekannt haben, hat die Verwaltung die Satzung zurückgezogen.

BLEEK Ich stelle mir die Frage, wie die Vorlage entstanden ist? Ob darüber wohl im Verwaltungsvorstand diskutiert wurde? Oder hat die ein Dezernent im stillen Kämmerlein entwickelt?

LESSENICH Die Menschen sind geblendet worden, als die Kehrgebühren in der Grundsteuer aufgingen. Die wurde erhöht, aber eine Transparenz haben wir nicht mehr. Wir als CDU haben damals dagegen gestimmt. Wir haben das kommen sehen. Hier werden die Menschen einfach verschaukelt.

Herr Leßenich, Kritiker behaupten, sie seien zu jung für den Job als Bürgermeister, außerdem hätten Sie keine Führungserfahrung...

Lessenich Ich weiß, dass damit Stimmung gemacht wird. Ich bin genau im richtigen Alter. Ich kann das Amt über viele Wahlperioden ausführen. Eric Weik war damals jünger als ich heute. Da gab es keine Altersdiskussion. Deshalb verstehe ich das nicht. Ich kann 16 Jahre kommunalpolitische Erfahrung vorweisen, bin seit einem Jahr erster stellvertretender Bürgermeister. Das ist immer ein Argument, was besonders Friedel Burghoff gerne anführt, weil ich der erste Bürgermeister wäre, der nicht von ihm installiert wäre. Ich habe bereits Führungserfahrung sammeln können. Eric Weik hatte auch keine Verwaltungserfahrung. Ich setze auf meine politische Erfahrung. Ich kann Menschen motivieren. Und ich habe auch schon viele unangenehme Gespräche führen müssen. Die Argumente bestimmter Personen sind unbegründet.

Herr Bleek, Kritiker behaupten, Sie seien zu alt und würden nur für eine Legislaturperiode antreten.

Bleek Diejenigen, die das sagen, müssen umgehend den Rücktritt von Angela Merkel fordern. Man weiß heute nicht, wie der Kräfteverschleiß ist. Es ist wichtig, erst einmal den Job fünf Jahre vernünftig zu machen, die Verwaltung entsprechend aufzustellen, die Probleme anzugehen und den Stillstand zu beenden. Was danach kommt, schauen wir mal. Es gibt keine Altersgrenze, deshalb lasse ich das offen.

Wie wollen sie die Dieluweit-Wähler für sich gewinnen?

Lessenich Ich mache viele Hausbesuche, spreche viel mit Menschen. Ich bin optimistisch, denn die Dieluweit-Wähler kommen aus dem bürgerlichen Lager. Viele wollten einen Unabhängigen und keinen SPD-Mann. Etliche Wähler können sich vorstellen, mich zu unterstützen, viele sagen aber auch, dass sie gar nicht mehr zur Wahl gehen wollen. Das ist traurig. Ich bin jeden Tag in der Stadt, um die Wähler zu mobilisieren.

BLEEK Die Unterstützung werden wir jetzt noch ein wenig herausstellen. Ich bin froh, dass er mich unterstützt. Die Bürger sind entscheidungsfreudig und selbstbewusst genug, ihre Entscheidung zu treffen.

UDO TEIFEL UND SEBASTIAN RADERMACHER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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