Wermelskirchen Wermelskirchen jagt die Pokémon

Wermelskirchen · Kleine Monster treiben ihr Unwesen in Wermelskirchen - das Spiel "Pokémon Go" zieht junge und ältere Spieler in Scharen in die Stadt.

Die skurrilsten Pokémon-Go-Vorfälle in NRW
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Die skurrilsten Pokémon-Go-Vorfälle in NRW

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Foto: Laura Ihme

Sie sitzen auf den Bänken am Bürgerzentrum, sie pendeln zwischen Marktplatz und der Katholischen Kirche St. Michael über die Kölner Straße oder bummeln vom Loches-Platz über die Eich in Richtung Schwanenplatz - allen gemein ist der auf das Handy-Display gesenkte Blick. Die Welle des Computerspiels "Pokémon Go" für das mobile Telefon (Smartphone) hat in diesen Tagen unübersehbar jede Menge Wermelskirchener erfasst. Dabei sind es nicht nur Jugendliche, die sich von dem "Spiele-Virus" haben anstecken lassen.

Auch Erwachsene jagen die kleinen virtuellen Monster in nahezu jeder freien Minute in der Stadt. Arbeitspausen, Urlaubsfreizeit oder auch ein Umweg vom Arbeitsplatz nach Hause dienen als willkommene Gelegenheit, die "Pokémon" zu jagen, "Kampfarenen" zu besuchen oder bei "Pokéstopps" vorbeizuschauen.

 Sebastian Lienen und Vanessa Tamke nutzen ihre freie Zeit im Urlaub für einen Bummel durch die Stadt - "Pokemon Go" auf dem Handy fehlt dabei nicht.

Sebastian Lienen und Vanessa Tamke nutzen ihre freie Zeit im Urlaub für einen Bummel durch die Stadt - "Pokemon Go" auf dem Handy fehlt dabei nicht.

Foto: Stephan Singer

"Ich gehöre sicherlich nicht mehr zur typischen Zielgruppe dieser Handy-Spiele-Apps. Aber ich bin schon immer ein ,Gamer' gewesen, habe das eine oder andere Spiel am PC und auch am Handy gespielt. Ich bin empfänglich für solche Sachen", sagt der 40-jährige Krankenpfleger Daniel Esser und lacht. Für den verheirateten Vater zweier Kinder ist jedoch klar: "Ich nutze dafür wirklich freie Zeit. Familie, Freunde oder die Arbeit dürfen darunter nicht leiden."

 Daniel Esser wohnt in Eipringhausen. Schnell fand er heraus, dass sich in unmittelbarer Nachbarschaft am Kirchturm in der virtuellen "Pokemon"-Welt eine Kampfarena befindet, wo er eines seiner "Monster" platzierte.

Daniel Esser wohnt in Eipringhausen. Schnell fand er heraus, dass sich in unmittelbarer Nachbarschaft am Kirchturm in der virtuellen "Pokemon"-Welt eine Kampfarena befindet, wo er eines seiner "Monster" platzierte.

Foto: Stephan Singer

Ähnlich sieht das auch das Paar Vanessa Tamke und Sebastian Lienen (beide 24 Jahre), die unser Reporter vertieft im "Pokémon"-Spiel auf der Telegrafenstraße traf. "Wir rennen bestimmt nicht den ganzen Tag mit dem Handy in der Hand durch die Gegend. Oder würden uns auch keine Zusatz-Akkus kaufen, wie es viele ja machen. So viel Langeweile könnte ich gar nicht haben. Ich spiele Fußball und treffe mich gerne mit Kumpels - das ist mir dann doch wichtiger", sagt Sebastian Lienen, der als Kfz-Meister arbeitet. Bei seiner Lebensgefährtin Vanessa Tamke (Hotelfachfrau) weckt die neue Handy-Variante von "Pokémon" durchaus Kindheitserinnerungen: "Wir sind die Generation, die schon früher 'Pokémon' auf dem Gameboy gespielt hat. Jetzt spielen wir es zwischendurch auf dem Handy." Das Paar, das zurzeit den wohlverdienten Urlaub genießt, ist sich sicher: "Dieser Hype wird schnell wieder enden. Irgendwann sind die Sommerferien vorbei, und es kommt der Herbst mit Regenwetter."

So nutzen die Pokémon-Jäger die Kö in Düsseldorf für sich
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So nutzen die Pokémon-Jäger die Kö in Düsseldorf für sich

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Foto: Uwe-Jens Ruhnau

Bereits 1996 wurde "Pokémon" in Japan für den Gameboy und die Nintendo-Spielekonsole veröffentlicht. Bei der neuen Smartphone-Version "Pokémon Go" jagen die Spieler den niedlichen Monstern nicht mehr per Pfeiltasten hinterher, sondern müssen sich selbst in der realen Welt bewegen. Haben die Spieler ein "Pokémon" gefunden, muss dieses auf dem Handy-Display mit einem "Pokéball" abgeworfen werden - dann gehört es zum Inventar des Spielers. Die "Pokémon" werden mit Hilfe einer Straßenkarte und GPS im öffentlichen Raum auf dem Handy-Display sichtbar, markante Orte wie Statuen, Kirchtürme oder andere bekannte Gebäude dienen als Plätze für "Pokéstopps" oder "Kampfarenen".

So flattert dann beispielsweise auf dem Display ein "Pokémon" namens "Tauboga" über die Telegrafenstraße. Neben der Jagd auf "Pokémon", die Punkte bringt und die Spieler von Level zu Level klettern lässt, ist die Suche nach Modulen, die sich an "Pokéstopps" befinden, entscheidend: Durch die Module ("Items") bekommt der Spieler beispielsweise einen Supertrank, mit dem er einen in der Arena kraftlos gewordenen "Pokémon" wieder aufpäppeln kann.

Genau in dieser Verschmelzung von realer und virtueller Welt sieht Daniel Esser den Reiz: "Kein Spieler kann nur noch zu Hause sitzen, man muss herausgehen. Das fördert sogar die Kommunikation, denn an den speziellen Plätzen, die durch das Spiel vorgegeben sind, trifft man immer wieder neue Mitspieler." Gerne fährt Esser mit dem Fahrrad zur Arbeit und macht auf dem Heimweg schon mal einen halbstündigen Umweg, um eine "Kampfarena" oder einen "Pokéstopp" zu finden.

Unlängst war er abends mit zwei Arbeitskollegen in der Wermelskirchener Innenstadt unterwegs, um die "Pokémon"-Jagd mit einer Kneipentour zu verbinden. "Da waren viele unterwegs, wir Spieler erkennen sofort, warum jemand ausgerechnet an einer bestimmten Stelle unterwegs ist, weil ja alle Spieler einen "Pokémon"-Platz angezeigt bekommen", erzählt Esser. Er freut sich auf die Weiterentwicklung des Spiels: "Da wird nach und nach eins drauf gelegt. Ich erwarte da schon noch etwas." Der erfahrene Spieler sieht in "Pokémon Go" keine großen Gefahren: "Die Spieler müssen im Straßenverkehr vorsichtig bleiben, damit sie nicht vor ein Auto laufen. Schlimm wäre es natürlich, wenn jemand das Spiel spielt und gleichzeitig ein Fahrzeug fährt!" Die Verbraucherzentrale hingegen zweifelt am Datenschutz und mahnte den kalifornischen Spiele-Entwickler Niantic ab: "Die Nutzer geben ihre Daten wie E-Mail-Adresse und Standort ihrer Smartphones oder Tablets frei. Anonymes Spielen wird dadurch praktisch unmöglich gemacht", warnt der Bundesverband auf seiner Internetseite.

(sng)
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