Wermelskirchen Warmes Wetter: Rasen mähen vorm Weihnachtsfest

Wermelskirchen · Die Natur spielt in diesen Tagen verrückt: Vögel bauen Nester, Knospen öffnen sich, die Pollen fliegen. Gärtnermeister warnt, jetzt alles "einzupacken". Die explodieren Schwarzwild-Population ist ein Indikator für den Klimawandel.

14 Grad Celsius gestern Mittag in der Wermelskirchener Innenstadt. Da kommen eher Frühlingsgefühle auf als Weihnachtsstimmung. Die Natur spielt verrückt. "Da werden wir wohl wenige Tage vor Weihnachten noch mal den Rasen mähen müssen", meinte mit einem leichten ironischen Unterton Gärtnermeister Reiner Sichelschmidt. Klar ist: Hecken treiben aus, Knospen öffnen sich, Vögel bauen Nester.

Eigenheimbesitzer mit Rasenflächen müssen sich aber wohl mal überlegen, ob sie nicht ihre Fläche noch schneiden. Nicht so kurz wie im Sommer, aber ein Schnitt täte gut. "Das ist zwar unnatürlich, aber wenn dann doch noch Schnee kommt und der sich auf die langen Rasenhalme legt, knicken die um, bleiben auf dem Boden liegen und beginnen zu faulen." Dieser dicke braune Belag sei im Frühjahr schwer zu entfernen. "Da gibt es dann auch keine saubere Mähfläche." Ein nasser Rasen sollte aber nicht gemäht werden. "Das wird eine reine Matschfläche." Es müsse trocken sein - und noch einige Tage so warm bleiben. Dann könne man den Schritt wagen.

Aber nicht nur der Rasen wächst. Rhododendren und Azaleen zum Beispiel sind schon wieder im Frühlingsmodus: "Jetzt gehen die Knospen auf. Gibt es dann bei offenen Knospen Frost, ist kein Schutz mehr vorhanden. Sie gehen kaputt. Und im Frühjahr gibt es dann keine Blüte." Nur eine geschlossene Knospe schütze; "man kann aber nichts machen", sagt Sichelschmidt. Denn das Einpacken bringe solchen Sträuchern wenig. "Eine offene Knospe ist empfindlich gegen Frost und Fäule. Letzteres entsteht schnell, wenn diese Sträucher eingepackt sind." Zudem könne man ja nicht die ganze Natur einpacken.

Pollen-empfindliche Menschen könnten zum ersten Mal mit Heuschnupfen unterm Weihnachtsbaum sitzen. "Haselnuss und auch Eiben streuen Pollen", erzählt der Gärtnermeister. Er ist seit 53 Jahren im Fach und hat so eine Wetterkonstellation noch nie erlebt. "Wir können aber die Natur nicht zurückhalten", sagt er.

Auch die Hecken treiben aus. Da werden die Gartenbesitzer im nächsten Jahr sicher zweimal zur Gartenschere greifen müssen.

Keine Sorgen müssen sich Hobbygärtner bei Zwiebelgewächsen wie Tulpen oder Narzissen machen. "Die kommen auch schon kräftig. Aber damit passiert normalerweise nichts, wenn der Frost kommt", weiß Sichelschmidt.

Auch die Tierwelt entwickelt zunehmend Frühlingsgefühle. "Bei uns am Kirchweg sammeln die Rabenvögel schon Stöcker, um Nester zu bauen", beobachtet Sichelschmidt. Das sei schon befremdlich.

Wer aufmerksam durch die heimischen Wälder geht, wird auch das ein oder andere Baumkätzchen sehen. Doch noch schlimmer sei die Situation beim Schwarzwild. "Die Wildschwein-Situation ist ein typischer Indikator für die Klimaveränderung", beobachtet Hegeringsleiter Norbert Drekopf. "In einem frostigen Winter findet eine natürliche Selektion statt - die schwachen Tiere kommen nicht durch. Das ist heute anders." Zudem frischen die Sauen nicht nur einmal im Jahr, sondern oft zweimal. "In einem Frostwinter kommen da auch nur die starken Frischlinge durch. Heute sind es alle Tiere." Zudem fänden die Tiere eine große Eichelmast vor. Bei Frost würden die Eicheln ungenießbar fürs Schwarzwild, jetzt aber fressen sie sich rund und fett. "Wir haben vor kurzem ein 65 Kilogramm schweres Wildschwein geschossen mit einer 20 Kilogramm Fettschwarte - das ist ungewöhnlich viel."

(RP)
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