Wermelskirchen Der Heavy-Metal-Hausmeister

Wermelskirchen · Uwe Beinersdorf arbeitet im Wermelskirchener Rathaus und tauscht jeden Sommer Blaumann gegen Schottenrock. Der 60-Jährige besucht gemeinsam mit Sohn Sven (25) das Open-Air-Festival "Wacken".

Wacken Open Air 2015: Die ersten Heavy-Metal-Fans sind schon da
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Heavy-Metal-Fans reisen nach Wacken

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Uwe Beinersdorf kann es kaum erwarten, bis sich das "Wacken-Gefühl" einstellt. Der Wermelskirchener will endlich auf einer saftig grünen Kuhwiese im tiefsten Schleswig-Holstein stehen und zu stahlharter Musik Halligalli machen, bis Muskelfasern kreischen. Sein Ziel: das Wacken Open Air vom 30. Juli bis 1. August, Familientreffen der schwarzbunten Gemeinde.

Das größte Heavy-Metal-Festival der Welt - mit mehr als 85.000 Besuchern in teils skurrilen Fantasiekleidern - macht die verschlafene 1800-Seelen-Gemeinde Wacken im Kreis Steinfurt alljährlich zu einer mittelgroßen Stadt. Das Gelände: etwa 220 Hektar groß. Die Doppelbühne (eine von sieben): 95 Meter breit, fast 30m tief und 28m hoch. Mittendrin in der fröhlichen Horde meist dunkel gekleideter Langhaariger, die gerne aus Eimern oder Gießkannen trinken, will Uwe "Beini" Beinersdorf gemeinsam mit Sohn Sven (25) feiern. Beide greifen dazu tief in die Schublade mit den düsteren Shirts. Der 60-Jährige, anarchisch-grauer Vokuhila, rot-karierter Schottenrock, Lederkutte mit Aufnähern, Motorradstiefel, breites Grinsen, platzt fast vor Vorfreude auf das ganz große Metal-Tennis - und gesteht: "Das Wacken Open Air und ich: Ja, es ist Liebe!"

Ein Hausmeister, der einmal im Jahr "die Hütte abreißt", hat seinen Beruf verfehlt, sollte man meinen, doch dem ist natürlich nicht so. Das Wermelskirchener Rathaus, in dem Beinersdorf arbeitet, ist nicht in Gefahr, bekommt keinen Kratzer ab. Ohnehin feiert Uwe Beinersdorf in der Gemeinde Wacken, dem Ballermann der Headbanger, seinen Vorruhestand, tauscht Blaumann gegen Kutte - nur noch 62 Arbeitstage, dann ist es für den 60-Jährigen soweit, der im Rathaus seit 25 Jahren für Ordnung sorgt. Sohn Sven, der wie Uwe Beinersdorf ein Wacken-Tattoo auf dem rechten Bizeps trägt, fängt erst richtig an, macht bei der Stadt Leverkusen eine

Ausbildung zum Betriebselektroniker. Doch gerade haben die Tenter Urlaub - sorgfältig geplanten Festival-Urlaub. Das Gepäck ist vorbereitet, der Gelände-Plan eingeschweißt, die Karten sicher aufbewahrt. Zwölf Stunden dauerte es dieses Mal, bis das Open Air ausverkauft war. "Wir haben uns eine Nacht um die Ohren geschlagen, saßen vor dem Rechner, um Tickets zu bekommen", erzählt Uwe Beinersdorf, der seit 2010 kein Wacken-Festival verpasst hat. Damals gab es die ersten Karten von Frau Carola (57), der guten Seele, zu Weihnachten. 2011 war die Gruppe 60 Mann stark, jetzt sind es 13 Metaller: zehn aus Wermelskirchen, zwei Leverkusener, ein Kölner.

Am Montag geht's los, gut 500 Kilometer Richtung Norden. Jetzt wird der 13 Jahre alte, silbergraue Mazda vollgestopft, der "extra noch bei der Inspektion war". Auf der Heckscheibe prangt das Logo des Wacken-Festivals - aus Kreppband geklebt. Die Beinersdorfs packen ein: Zelt, Grill, Gaskocher, Luftmatratzen, Wasser, Bier, noch mehr Bier und - extrem wichtig - eine Eisenpfanne. "In der mache ich meine beliebten Bratkartoffeln mit Bacardi-Rum. Immer der Renner", sagt Uwe Beinersdorf.

Die Pforten des Ackers öffnen sich zwar erst am Donnerstag so richtig, aber die Wermelskirchener "müssen sich vorher auf den Zirkus einstimmen" - mit Party, Party, Party. "Da sollte man sich vielleicht besser anschnallen", sagt Uwe Beinersdorf augenzwinkernd. Auch die Dorfbewohner mischen mit. "Früher haben sie aus Vorgärten Snacks verkauft. Mittlerweile vermieten viele ihr Gelände an Caterer und machen selber Rambazamba", erklärt Sven Beinersdorf, der sich wie sein Vater vor allem auf die Auftritte von Sabaton, Judas Priest und Subway to Sally freut.

Melodisch, laut, schräg und abwechslungsreich muss es sein. In Erinnerung ist das Rammstein-Konzert 2013 geblieben. Sven Beinersdorf: "Die geilste Show, die wir je gesehen haben." 2011 begeisterte Rocker Ozzy Osbourne die Metaller aus Wermelskirchen: "Der hat beim Ausflipppen sein Gebiss verloren und musste kurz aussetzen", sagt der 25-Jährige.

200 Euro haben die Beinersdorfs pro Karte bezahlt, insgesamt kostet der Trip etwa 1000 Euro. "Das ist die Party aber wert", betont der Mann im Schottenrock, der die Waschräume auf dem Festival für "uncool" hält. Er findet immerhin ziemlich viele Gleichgesinnte. Man begrüßt sich auf dem Gelände mit der "Pommesgabel", dem Metal-Gruß mit Zeigefinger und kleinem Finger. Alternativ brüllt man voller Inbrunst einfach "Wackööööön" - und stürzt sich ins Getümmel. Ab Montag feiern Vater und Sohn wieder nach dem Motto: "Hurra, hurra, die Welt geht unter!" Sie darf aber nicht wirklich untergehen. Die Tenter wollen ja 2016 wieder hin, um die Gemeinde zu belagern und auf dem Krautacker, dem heiligen Metal-Land, die Sau rauszulassen.

(RP)
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