Sommer-Interview Jochen Bilstein (spd) "Telegrafenstraße muss verkehrsberuhigt sein"

Wermelskirchen · Die Hälfte der Wahlperiode ist vorbei, 2020 wird ein neuer Stadtrat gewählt. Anlass für unsere Redaktion, mit den Fraktionsvorsitzenden über die "erste Halbzeit" und die künftigen Herausforderungen für die Kommunalpolitik in Wermelskirchen zu sprechen. Heute: Jochen Bilstein (SPD).

 Der "ganz normale Wahnsinn" auf der Telegrafenstraße - ist das die gewünschte Verkehrsberuhigung und die versprochene Lebensqualität?

Der "ganz normale Wahnsinn" auf der Telegrafenstraße - ist das die gewünschte Verkehrsberuhigung und die versprochene Lebensqualität?

Foto: Schubert

Die Hälfte der Legislaturperiode ist vorbei. Nennen Sie die drei wichtigsten Dinge, die die Wermelskirchener Politik in den vergangenen knapp drei Jahren angestoßen hat.

Bilstein Von zentraler Bedeutung ist für meine Fraktion und mich das Projekt "Loches-Platz". Wir haben unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne des früheren Bürgermeisters, Einzelhandel auf dem Rhombus-Gelände zu etablieren, für den Standort Loches-Platz gekämpft — und waren erfolgreich: Im Juni wurde ein Investor ausgewählt. Wichtig waren für uns auch der Bau von zwei Kunstrasenplätzen und ein Ersatz für das alte Hallenbad, finanziert durch geringere Unterhaltskosten.

Warum ausgerechnet diese drei?

Bilstein Wir haben mit dem einstimmigen Beschluss für einen Investor die Voraussetzungen für eine Lebensmittelnahversorgung im Zentrum, eine Stärkung der Innenstadt und eine architektonische Aufwertung des Loches-Platzes geschaffen. Mit den Beschlüssen für zwei Kunstrasenplätze und den Neubau eines Hallenbades stellen wir sicher, dass Wermelskirchen auch weiterhin öffentliche Angebote im Bereich Sport, Freizeit und Gesundheit für die Bürger vorhält.

Was sind die Ihrer Ansicht nach drei größten Flops seit der Wahl 2014?

Bilstein An erster Stelle ist die Rücknahme eines gemeinsamen Beschlusses zur Verkehrsberuhigung der Telegrafenstraße durch CDU und WNKUWG zu nennen. Eine weitere Pleite war die fehlende Umsetzung des Brandschutzbedarfsplans mit den bekannten Folgen. Auch die Planung eines Gebäudes für die neue Sekundarschule ist bisher mindestens suboptimal gelaufen.

Warum?

Bilstein Noch immer ist die Telegrafenstraße eine Durchgangsstraße. Das darf nicht sein. Der Versuch einer Beruhigung war aller Ehren wert. Die Kehrtwende von CDU und WNKUWG hat das verhindert und öffentliche Gelder verbrannt. Die Verbesserung des Brandschutzes in Teilen der Stadt und die Standortsicherung der Dabringhausener Feuerwehr wurden auf die lange Bank geschoben. Die Sekundarschule wächst und benötigt ein größeres und besseres Raumangebot. Die FDP will jetzt, dass wir wieder bei Null beginnen.

Was läuft zurzeit gut in der Stadt?

Bilstein Erwähnt wurden bereits der Loches-Platz und die Sportstätten. Auch die Sicherung des Standortes für den Jugendfreizeitpark gegen den anfänglichen Widerstand von CDU und WNKUWG ist positiv. Gut gelungen ist die Aufnahme und Integration von Geflüchteten in unserer Stadt — Dank und Anerkennung an die Bürger! Auch die Erweiterung des Kita-Angebotes gehört auf die Habenseite.

Und was läuft schlecht? Woran muss noch gearbeitet werden?

Bilstein Die Verkehrssituation auf der Telegrafenstraße ist ebenso wenig verbessert wie die Raumnot der Dabringhausener Feuerwehr beseitigt. Zudem kann die Beratung neuer Pläne für einen Sekundarschulneubau erst im Herbst beginnen. Die Schwanenschule bekommt zwar ihre Mensa, andere Grundschulen aber leiden bei der OGS auch unter Raummangel, etwa Tente und Hünger. Bei Besuchen der SPD-Fraktion in Schulgebäuden wurden erhebliche bauliche Mängel festgestellt. Erfolg schulischen Lernens hängt entscheidend vom Umfeld ab. In dem Kontext ist der Vorschlag der WNKUWG für einen aktuellen Schulentwicklungsplan richtig. Das Rhombus-Gelände an der Dellmannstraße ist zwar Privatbesitz, es besteht aber auch ein öffentliches Interesse an einer Sanierung.

Was sind die größten Herausforderungen für Wermelskirchen in den kommenden Jahren?

Bilstein Wir müssen die Balance zwischen einer Haushaltsanierung und den Investitionen in öffentliche Infrastruktur finden, damit Wermelskirchen als Wohnstandort nicht nur für Senioren attraktiv bleibt. Auch wenn wir nicht die Wohnraumnot der Großstädte haben, fehlen doch bezahlbare Wohnungen in der Kernstadt. Für junge Familien sollte das Angebot an bestehenden Immobilien deutlicher herausgestellt werden. Das reduziert Flächenverbrauch und bremst den Werteverlust von Immobilien in den Außenbereichen. Von dem Nachteil kaum bezahlbaren Wohnraums in den Großstädten sollten wir profitieren. Auch müssen vorausschauend Gewerbeflächen entwickelt werden.

Wie beurteilen Sie die Arbeit von Bürgermeister Rainer Bleek?

Bilstein Rainer Bleek hat das Klima in der Verwaltung wie in der Politik grundlegend verbessert. Das hat sich in kritischen Auseinandersetzungen gezeigt. Er hat mit deutlichen Weichenstellungen Struktur und Arbeitsfähigkeit der Ämter verbessert. Angesichts eines Bergs an Altlasten wie an neuen Herausforderungen hat er die Verwaltung an den entscheidenden Stellen personell verstärkt. Seine Bereitschaft, die Politik frühzeitig in wesentliche Entscheidungsprozesse einzubeziehen, hat viel unnötigen Streit vermieden.

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit im Stadtrat?

Bilstein Die Mehrheiten bei wichtigen Projekten wie Loches-Platz, Unterkünfte für Geflüchtete, Kunstrasenplatz und Hallenbad haben gezeigt, dass die meisten Fraktionen großen Wert auf das Gemeinsame legen, ohne die eigenen Vorstellungen über Bord zu werfen. Gerade in der Kommunalpolitik ist ein offener, freundlicher und respektvoller persönlicher Kontakt wichtig. Das trifft für meine Gespräche mit den anderen Fraktionsvorsitzenden zu. Das zu erhalten, ist für mich auch ein wesentlicher Teil meiner Arbeit.

Ein Ausblick auf den Wahlabend im Herbst 2020: Wo sehen Sie dann Ihre Partei in Wermelskirchen?

Bilstein Wie bei jeder Wahl hofft man darauf, dass die Wähler den Einsatz für Wermelskirchen mit einem guten Stimmenergebnis honorieren.

Zum Abschluss eine persönliche Frage: Haben Sie jetzt politische Sommerferien oder lassen die lokalen Themen Sie einfach nicht los?

Bilstein Ganz lässt einen die Kommunalpolitik nicht los, warum auch? Erst recht nicht, wenn man vor Ort ist. Probleme in Muße ohne Sitzungen und Termine zu durchdenken und zu diskutieren, ist wichtig. Dazu ist jetzt Zeit.

Sebastian Rademacher stellte die Fragen

(RP)
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