Wermelskirchen Spurensuche auf dem Stadtfriedhof

Wermelskirchen · Zu einem Stadtspaziergang zum Thema "Wermelskirchen unterm Hakenkreuz" hatten VHS, Stadt und Referent Armin Himmelrath eingeladen.

 Armin Himmelrath (blaue Jacke) mit der Gruppe interessierter Bürger auf dem Stadtfriedhof.

Armin Himmelrath (blaue Jacke) mit der Gruppe interessierter Bürger auf dem Stadtfriedhof.

Foto: Jürgen Moll

Es sind die spannenden, faszinierenden und zugleich schockierenden Geschichten, die die Führungen von Armin Himmelrath bewegend machen. Der 48-Jährige, der unter anderem dem Bergischen Geschichtsverein und dem Verein Bergische Zeitgeschichte angehört, steht nicht nur für eine aufwendige Recherche in den Archiven, sondern vor allem für einfühlsame Gespräche mit Opfern und Zeitzeugen - für Berichte, von denen er aus "erster Hand" erzählt.

Anlässlich des 71. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz lud die VHS in Kooperation mit der Stadt zu einer Führung "Wermelskirchen unterm Hakenkreuz". Diesmal machten sich trotz des nasskalten Regenwetters knapp 40 Interessierte zu einem "Spaziergang" über den Stadtfriedhof auf, um in die dunkle Zeit deutscher Geschichte abzutauchen, als die heutige Dhünner Straße noch Hermann-Göring-Allee hieß.

Am Grab von Margarete Krenz erinnerte der Heimatforscher an eine prägende Persönlichkeit der Wermelskirchener Geschichte. Krenz verstarb 2008, zu ihren Lebzeiten stand sie ihm für Gespräche zur Verfügung: "Am 1. Mai 1929 trat Margarete Krenz ihre Stelle als Amtssekretärin im Rathaus, das sich an der heutigen Oberen Remscheider Straße befand, an. Der Tag der Arbeit war damals kein Feiertag, ihn nutzten aber Nationalsozialisten und Kommunisten für Ausschreitungen in den Straßen. Krenz übernachtete aus Angst nach ihrem ersten Arbeitstag unter ihrem Schreibtisch im Rathaus." Zehn Jahre später sollte Margarete Krenz sogar provisorische Kämmerin der Stadt werden (die Männer waren alle auf den Schlachtfeldern), nach dem Zweiten Weltkrieg setzten die Engländer sie als erste weibliche Kämmerin in NRW ein.

Wer mit offenen Augen den Stadtfriedhof besucht, findet manches Zeugnis aus der NS-Zeit: So diente der im Ersten Weltkrieg angelegte Soldatenfriedhof im Dritten Reich für Propaganda-Aufmärsche. Bis heute befindet sich unterhalb von Teilen des Friedhofs ein Brauerei-Lager-Tunnel, der der Bevölkerung aus dem Hüpp-Gebiet als Luftschutzbunker diente. "Den Eingang haben wir bis heute nicht gefunden", erläuterte Himmelrath. Nach wie vor unauffindbar ist auch das Grab des desertierten Soldaten aus Lennep, der im Eifgen auf Höhe der Einfahrt nach Süppelbach erschossen wurde. "Er wurde wohl auf dem Stadtfriedhof beerdigt. Wir wissen jedoch nicht, ob seine Familie nach dem Krieg seinen Leichnam hat umbetten lassen oder ob das Grab schlicht eingeebnet wurde."

Erschreckend die Gräber von zwölf Zwangsarbeitern, die die Stadt inzwischen an einer Stelle auf dem Friedhof zusammengefasst hat. "Das sind ganz, ganz gruselige Geschichten. Es werden über 1000 Zwangsarbeiter in Wermelskirchen gewesen sein, Informationen zu diesen Menschen gibt es wenig. 13- bis 15-jährige Waisen aus der Ukraine mussten in der Siebel-Schuhfabrik in Herrlinghausen schuften", weiss Himmelrath.

Mit einer dieser Waisen, Maria Millischenkow, hatte der Forscher zeitweilig Briefkontakt: "Sie lebte zuletzt von 60 Euro monatlicher Rente und konnte über ihr Erlebtes nicht sprechen, da sie in ihrer Heimat als Kollaborateurin galt. Entschädigung aus Deutschland erhielt sie nie. Leider habe ich den Kontakt verloren - vielleicht ist sie inzwischen gestorben."

(sng)
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