Bundestagswahl Tebroke geht für Rhein-Berg nach Berlin

Wermelskirchen · Um 19.39 Uhr brandet Applaus auf: Hermann-Josef Tebroke betritt mit Stephan Santelmann, beide in Begleitung der Ehefrauen, den Kreishaussaal. Zu diesem Zeitpunkt sind erst 140 von 290 Stimmbezirken im Rheinisch-Bergischen Kreis ausgezählt.

 Ein strahlender Wahlsieger mit seiner stolzen Familie (v.l.) Elias (19), Katharina (23), Ehefrau Sabine, Hermann-Josef Tebroke, Aaron (18) und Jonas (24).

Ein strahlender Wahlsieger mit seiner stolzen Familie (v.l.) Elias (19), Katharina (23), Ehefrau Sabine, Hermann-Josef Tebroke, Aaron (18) und Jonas (24).

Foto: Jürgen Moll

Der neue Bundestagsabgeordnete holte kreisweit 40,1 Prozent bei den Erststimmen, 35,6 Prozent bei den Zweitstimmen. In absoluten Zahlen: 68.408 Bürger wählten Tebroke. Damit kam er bei weitem nicht an Wolfgang Bosbachs Ergebnis 2013 heran: Er holte 58,5 Prozent Erststimmen (98.017 Stimmen), 43,7 Prozent Zweitstimmen,

 Nikolaus Kleine (SPD,r.) gratuliert dem Sieger Hermann-Josef Tebroke.

Nikolaus Kleine (SPD,r.) gratuliert dem Sieger Hermann-Josef Tebroke.

Foto: JUERGEN MOLL

Tebrokes Vorgänger Wolfgang Bosbach, 23 Jahre für den Landkreis in Berlin tätig, spricht von einem "hervorragenden Ergebnis" bei diesen Verhältnissen für Tebroke. "Wir können insgesamt im Kreis mehr als zufrieden sein." Denn mit Christian Lindner habe schließlich ein zweiter Kandidat aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis ein "fantastisches Ergebnis" erzielt.

 Roland Hartwig (r.) und Thomas Kunze freuen sich über das Ergebnis der AfD.

Roland Hartwig (r.) und Thomas Kunze freuen sich über das Ergebnis der AfD.

Foto: JUERGEN MOLL

Zehn Minuten später ergreift Tebroke das Mikrofon und spricht unter Jubel ans Wahlvolk. Er sei als CDU-Mann nicht ganz so froh und habe mit mehr gerechnet. "Ich habe fest daran geglaubt, dass wir mehr Zustimmung für unsere gute Arbeit erfahren würden." Seinen Mitbewerbern attestiert er einen fairen Wahlkampf. Er werde sich in Berlin dafür einsetzen, damit das Bewusstsein für den ländlichen Raum stärker entwickelt werde.

Für Wolfgang Bosbach habe das Bundeswahlergebnis seine Befürchtungen übertroffen. Hier von einem noblen Ergebnis zu sprechen, könne er nicht verstehen, so seine Kritik an den Bundesvorstand. "Mit 33 Prozent bin ich nicht zufrieden." Und Jamaika sehe er auch noch nicht. Nikolaus Kleine (SPD) sieht sich nicht als Verlierer. Zur AfD meint er, dass nun alle etablierten Parteien etwas tun müssten. "Ich bin heute froh, dass ich ein paar Prozentpunkte mehr geholt habe als meine Partei."

Als Alexander Gauland (AfD) im Fernsehen seinen Sieg feiert und ankündigt, die etablierten Parteien "zu jagen", kommt das Kontra fast mehrstimmig im Kreishaussaal zurück: "Wir Euch auch."

Der Overather Christdemokrat Peter Dresbach ist aufgebracht: "Ich kann die Wähler nicht verstehen, diese braunen Socken zu wählen. Protestwähler müssen nicht die AfD wählen. Sie können ihre Stimme auch ungültig machen."

Jürgen Wilhelm (SPD), der 1980 noch als Bundestagskandidat gegen Franz-Heinrich Krey 41,5 Prozent holte, schüttelt den Kopf nach den ersten Prognosen: "Die schlimmsten Befürchtungen, die ich in den vergangenen Tagen hatte, bewahrheiten sich. Die Bürger fallen auf Leute mit billigen Sprüchen rein. Das hätte ich mir vor vier Jahren nicht träumen lassen. Vor allem nicht, dass meine Partei nur etwas mehr als fünf Prozent vor der AfD abschneidet."

Kreisvorsitzender Hermann Küsgen (FDP) zeigt sich zufrieden mit dem eigenen Ergebnis - auch wenn's einen schalen Beigeschmack gebe, meinte er mit Blick auf die AfD. "Lassen wir das mal auf uns wirken...", sagt er vielsagend.

Auf die AfD zu schimpfen, sei schwach, sagt Otto Fell. Er ist 50 Jahre in der CDU und war Bergisch Gladbacher Stadtdirektor. "Die Etablierten haben dieses Ergebnis selbst verschuldet." Die Entscheidung in der Flüchtlingskrise vorbei am Parlament habe zu einem großen Teil zu diesem Ergebnis geführt, meint er. Er bezeichnet den Dauerzustrom von Flüchtlingen als "Staatsversagen": "Wir bekommen jetzt die Quittung."

Von allen gemieden, steht Roland Hartwig abseits allein am Tisch. Der AfD-Kandidat wird wohl ebenfalls in den Bundestag einziehen - über seinen Platz 14 der Landesliste. "Bei 9,9 Prozent bin ich drin", sagt er zuversichtlich. Bestätigt wird das am Abend nicht. Er gibt sich entspannt und gut gelaunt: "Unser Ergebnis ist ausgesprochen erfreulich - bei all dem Trommelfeuer der letzten Wochen gegen unsere Partei."

(RP)
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