Wermelskirchen Puppen als Krippenfiguren

Wermelskirchen · Mehr als 20 Schildkröt-Puppen wohnen in der großen Puppenstube bei Gerda Boris in Kovelsberg. Im Sommer trinken sie Tee, die Männer einen Whiskey, im Advent verwandeln sie sich in Krippenfiguren.

 Gerda Boris aus Kovelsberg baut jedes Jahr eine ganz besondere Krippe auf. Die "Darsteller" sind sind Schildkröt-Puppen.

Gerda Boris aus Kovelsberg baut jedes Jahr eine ganz besondere Krippe auf. Die "Darsteller" sind sind Schildkröt-Puppen.

Foto: Demski

Josef trägt einen grünen Mantel und einen breiten Hut. Aus den Ärmeln streckt er seine Arme den Geschenken der Heiligen Drei Könige entgegen. Vorsichtig streicht Gerda Boris über den Puppenkopf. Das Gewand der Puppe hat sie selber genäht. Das gilt auch für das Kleid von Maria, die Felle der Hirten, Kronen und Mäntel der Könige. Sogar das kleine Gewand des Engels hat die 87-Jährige mit Nadel und Faden selbst gefertigt. Und wer die gemütliche Wohnung in Kovelsberg betritt, der sieht sich direkt den großen Krippenfiguren in ihren besonderen Kleidungsstücken gegenüber. Statt Figuren aus Holz oder Ton erzählen bei Gerda Boris Schildkröt-Puppen die Geschichte vom Stall in Bethlehem - Figuren aus einer der ältesten Puppen-Manufakturen der Welt. Fein gearbeitete Puppen, die deutlich größer sind als gewöhnliche Krippendarsteller. Figuren mit einer langen Tradition und einer großen Bedeutung.

"Als Kind bekam ich meine erste Schildkröt-Puppe geschenkt", erinnert sich die heute 87-Jährige. Auf der Flucht aus Pommern musste sie die geliebte Freundin zurücklassen. Erst als ihre Tochter geboren wurde, kam wieder eine Schildkröt-Puppe ins Haus und verließ sie viele Jahre später mit dem Auszug der Tochter wieder. "Vor 20 Jahren habe ich mir dann meine eigene Schildkröt-Puppe gekauft", erzählt Gerda Boris und dann lächelt sie und ergänzt: "In mir bin ich eben immer ein Kind geblieben."

Inzwischen lebt in ihrem Puppenzimmer im ersten Stock eine ganze Familie von Schildkröt-Puppen. "Die sind heute nicht mehr so empfindlich wie früher", erzählt sie. Jede der Figuren hat ihr eigenes Kleidungsstück. Die Männer tragen Hosenanzüge, die Frauen Kleider mit eingestickten Namen. Sie haben ihren eigenen Tannenbaum und ihr eigenes Tee-Service. "Ich habe alle Kleidungsstücke selber genäht", erzählt Gerda Boris. Eigentlich hatte sie Handarbeitslehrerin werden wollen, aber dann kam der Krieg. Die Begeisterung fürs Nähen allerdings blieb und von ihr profitierte nicht nur der eigene Kleiderschrank, sondern auch die Puppen.

"Und dann dachte ich irgendwann: Warum sollen sie im Dezember nicht auch im Stall einziehen", sagt Gerda Boris. Gesagt, getan. Sie nähte für jede der acht Puppen ein Krippenkostüm, stibitzte aus der alten Krippe die Kamele, sammelte allerhand Naturmaterialien und baute einen Stall im Flur. "Ich mache aus allem etwas", sagt sie. Begeisterungsfähigkeit trifft auf Handarbeitsgeschick. "Das hält mich auch jung", erzählt Gerda Boris.

Jedes Jahr verändert sich etwas an ihrer großen Krippe, es kommt etwas dazu, ein Hut wird ausgewechselt, der Stall ausgebaut. Am Heiligen Abend kommt dann die kleinste Schildkröt-Puppe zum Einsatz: Dann legt die Kovelsbergerin das Jesus-Kind in die vorbereitete Krippe. "Alles an diesem Ort hat eine Bedeutung", sagt Gerda Boris. Es erinnert sie an ihren verstorbenen Mann, an ihre Kindheit, an die Botschaft aus dem Stall. Und nach Weihnachten schlüpfen die Puppen wieder in ihr Alltagsgewandt und gesellen sich zu den anderen im ersten Stock.

(resa)
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