Wermelskirchen Praxisschließung - Arzt kritisiert Politik

Wermelskirchen · Die bevorstehende Schließung der Arztpraxis Sachser ist weiterhin ein viel diskutiertes Thema in Wermelskirchen. Die Praxis muss Ende September schließen, weil seit dem Tod von Thomas Sachser im November 2016 bislang kein Nachfolger gefunden werden konnte, der die Praxis übernimmt und die knapp 1000 Patienten weiter in den Räumen an der Thomas-Mann-Straße behandelt.

Am "Bürgermonitor" unserer Redaktion meldete sich jetzt der Wermelskirchener Dr. Peter Melchers zu Wort. Er ist als Chefarzt in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie & -psychosomatik in Gummersbach und Marienheide tätig. "Bei der Erörterung der Schwierigkeiten, durch Tod oder Altersgrenze frei werdende Arztpraxen neu zu besetzen, sollte der generelle und politisch ganz offensichtlich gewollte Arztmangel auch stets erwähnt werden", sagt er.

Die Situation sei nicht nur bei den niedergelassenen Ärzten schwierig. "In den Krankenhäusern haben wir ebenfalls Mühe, insbesondere auf dem Land, Nachwuchs zu finden - nicht nur bei den Assistenzärzten, sondern durchaus auch bei Oberarztstellen", betont Melchers. Vielfach sei man froh, "wenn Bewerber wenigstens einigermaßen Deutsch verstehen".

Er nennt aktuelle Zahlen des Marburger Bundes: In NRW habe es Mitte der 80er-Jahre etwa 3400 Studienplätze für Humanmedizin gegeben, aktuell seien es etwa 2200. "Der Abbau erfolgte maßgeblich auf Druck der Kassen, die eine vermeintliche und unfinanzierbare Ärzteschwemme kommen sahen", sagt er. "Es gibt heute zwar mehr Ärzte, aber durch Bürokratiewahn, Feminisierung der Medizin, teilweise Überalterung des Berufsstandes und Abwanderung aus der klinischen Medizin ist der Bedarf noch stärker gestiegen." Wenn dann Konkurrenz fehle, seien Städte wie Wermelskirchen nicht die erste Wahl für Interessenten.

Auch die Politik in Wermelskirchen schaltet sich unterdessen in das Thema ein: Die SPD bittet den Bürgermeister um Unterstützung bei der Suche nach Nachfolgern. "Das Problem, das jetzt beim Verkauf der Praxis Sachser sichtbar geworden ist, kennen viele Gemeinden im ländlichen Raum bereits seit Jahren", sagt Fraktionschef Jochen Bilstein. "Bei der Suche nach Lösungen haben Stadtverwaltungen und Kommunalpolitik Konzepte entwickelt, um junge Ärzte die Niederlassung außerhalb der Großstadt schmackhaft zu machen." Auch wenn die Erfolge dieser Bemühungen bundesweit bisher sehr unterschiedlich seien, "sollten wir in Wermelskirchen nichts unversucht lassen, frühzeitig mitzuhelfen, um einem personellen Mangel in der ärztlichen Versorgung vorzubeugen", meint Bilstein.

Die SPD regt an, dass Verwaltung, Politiker und Ärztevertreter zusammen geeignete Maßnahmen erarbeiten. Dabei soll auf bereits erprobte Konzepte aus anderen Gemeinden zurückgegriffen werden. Die SPD sei bereit, einen entsprechenden Antrag für die Fachausschüsse zu stellen, "gerne auch mit anderen Fraktionen", sagt Bilstein.

(ser)
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