Wermelskirchen Dem Hass auf Facebook die Stirn bieten

Wermelskirchen · Heimische Vereine und Initiativen nutzen Facebook häufig als Kommunikationsplattform. Wenn der Ton allerdings etwas rauer wird, hat jeder eine andere Weise, damit umzugehen. Das ergab eine Umfrage der Bergischen Morgenpost.

Wermelskirchen: Dem Hass auf Facebook die Stirn bieten
Foto: WiW

Der Ton wird rauer: Wer Facebook als Plattform für seinen Verein, seine Partei oder seine Kirchengemeinde nutzt, muss sich wappnen. Denn Kritik wird gerne anonym und scharf geübt. Dass die sozialen Netzwerke diese Gefahren bergen, das wissen auch die Wermelskirchener.

"Wir sind als Kirchengemeinde noch vorsichtig", sagt etwa Pfarrerin Almuth Conrad, Vorsitzende des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde. Sie habe in der Vergangenheit bereits erlebt, wie Diskussionen im Internet eine eigene Dynamik bekommen würden und erinnert an die Debatte um die Trauung eines homosexuellen Paares in Unterburg. "Da stehen Fakten neben Lügen, Kommentare neben Fake news", sagt sie, "und keiner kann mehr unterscheiden, was wahr ist und was nicht." Die Anonymität beflügle viele. Und als Betroffener habe man keine Möglichkeit mehr, die Sache aufzuklären.

Also plädiert Almuth Conrad zur Zurückhaltung. Die Evangelische Kirchengemeinde allerdings befinde sich gerade in einem Prozess, in dem auch Themen wie die Internetpräsenz diskutiert werden. Eine eigene Facebookseite gibt es bisher nicht. "Aber das wird sich langfristig wohl ändern", prognostiziert die Pfarrerin.

Andere haben Facebook unterdessen als Kommunikationsmedium entdeckt - wie die Initiative "Willkommen in Wermelskirchen". "Wir nutzen es als Plattform, um schnell Informationen zu streuen", sagt Cornelia Seng. Viele Geflüchtete seien bei Facebook unterwegs, und so erhielten sie auf dem schnellsten Weg wichtige Informationen. Wann finden welche Veranstaltungen statt? Wo fällt etwas aus? Anfangs postete die Initiative die Nachrichten auch auf Arabisch, Persisch und Urdu. Zweimal habe sie heftige, fremdenfeindliche Kommentare auf der Facebookseite gefunden. "Die haben wir gelöscht", sagt Cornelia Seng. Entmutigen oder verunsichern würden sie diese Kommentare nicht. "Wir können den Hasskommentaren nur positive Berichte entgegensetzen, sonst werden nämlich nur die schlechten Geschichten erzählt", sagt Cornelia Seng.

Schlechte Erfahrungen mit Facebook hat auch Bürgermeister Rainer Bleek bereits gemacht. Im vergangenen Dezember sah er sich Online-Schmähungen eines Blogbetreibers ausgesetzt. "Wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man mit Anfeindungen wohl rechnen", sagt der Bürgermeister. Er habe damals Anzeige erstattet, damit der Verfassungsschutz den Blog im Auge habe. Verändert habe der offene Hass seine Beziehung zu sozialen Netzwerken aber nicht. Er sei da immer schon zurückhaltend gewesen. "Es wird viel Schrott transportiert", sagt der Bürgermeister, "und es ist viel Inkompetenz unterwegs." Längst sei der raue Ton, den die Anonymität bei Facebook erst ermöglicht habe, auch in der Gesellschaft angekommen. Das würde auch beim Kundenkontakt auffallen. "Auf der anderen Seite bekommen wir über Facebook aber auch wertvolle Hinweise", sagt der Bürgermeister, "die greifen wir dann gerne auf und versuchen, Lösungen zu finden."

Als Kommunikationsplattform nutzen auch der Sportverein SV 09/35 Wermelskirchen und das "Wir in Wermelskirchen"-Marketing (WiW) das Soziale Netzwerk. Schlechte Erfahrungen habe er bisher nicht gemacht, sagt Sportvereinsvorsitzender Thomas Müller. Währenddessen funktioniere die Werbung über Facebook vor allem über Themen der Jugendarbeit des Vereins prima.

Den großen Nutzen des Netzwerks hat WiW-Geschäftsführer André Frowein erst am Wochenende wieder feststellen können: Als der Weihnachtsmarkt kurzfristig abgesagt werden musste, sei Facebook Gold wert gewesen, sagt er.

Aber auch in die andere Richtung funktioniere das System: Viele Menschen aus der Umgebung kämen inzwischen zu Veranstaltungen nach Wermelskirchen, weil sie über Facebook davon gehört haben. Außerdem würden sich viele Helfergruppen über Facebook organisieren, sagt Frowein. Negative Erfahrungen habe "WiW" bisher kaum gemacht. "Mit konstruktiver Kritik gehen wir um", sagt Frowein. Und dann werde aus dem virtuellen Kontakt oft auch ein persönlicher. Diejenigen, die sich im Ton vergreifen würden, blieben unsichtbar. Privat allerdings hat André Frowein die Facebook-Nutzung weitestgehend eingestellt - auch wegen des Tons, der dort zuweilen herrscht.

Skeptisch gegenüber dem Sozialen Netzwerk ist Jürgen Manderla (FDP). "Unsere jungen Fraktionsmitglieder sind da unterwegs", sagt er, "auch für die Partei. Das ist gut." Aber seine Welt sei das nicht. "Der Ton, der da herrscht, widerstrebt mir", sagt er. Er sei oft abwertend, die Anonymität führe zu Hasstiraden. "Ohne mich", sagt Manderla.

Währenddessen ist die CDU sehr aktiv bei Facebook. "Wir bewerben Veranstaltungen und bringen politische Inhalte unter", sagt Christian Klicki. 95 Prozent der Reaktionen seien sehr positiv, und mit Facebook würden viele Menschen erreicht, die sich sonst nicht angesprochen fühlten. "Wenn es doch mal despektierliche Reaktionen gibt, dann antworten wir", sagt Klicki, "wir sehen, ob ein Gespräch möglich ist."

Allerdings würden viele Menschen Facebook inzwischen nutzen, um Luft abzulassen. Deswegen würde Christian Klicki gerne eine Regel aufstellen: "Wer schimpft, sollte vorher noch loben."

(resa)
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