Wermelskirchen Brieffreundschaft hält seit 52 Jahren

Wermelskirchen · Ross Murphy aus Neuseeland ist zum ersten Mal zu Gast bei seinem Brieffreund Henryk Kellermann aus Wermelskirchen. Über ein altes "Fix und Foxi"-Heft fanden sie 1965 zueinander.

 Ross Murphy und seine Ehefrau Kirsty genießen das Bergische Land bei Hendryk und Ute Kellermann in Tente.

Ross Murphy und seine Ehefrau Kirsty genießen das Bergische Land bei Hendryk und Ute Kellermann in Tente.

Foto: Theresa Demski

Es ist ein lang ersehnter Besuch: Ein halbes Jahrhundert nach ihrem ersten Briefkontakt und mehreren Begegnungen in Neuseeland treffen sich die Familien Murphy und Kellermann in Deutschland. Als Henryk Kellermann seinen ersten Brief Richtung Neuseeland auf den Weg schickte, da ging er noch zur Schule. "Ich wollte meine Englisch-Kenntnisse aufbessern", erzählt er, "und ich hatte schon immer Interesse an anderen Ländern, deswegen suchte ich einen Brieffreund."

Im "Fix und Foxi"-Heft fand er 1965 eine Annonce. Eine Dame in München erfüllte für 8,80 D-Mark "Korrespondenz-Wünsche". Schon ein paar Tage später bekam Henryk Kellermann Post und eine Adresse: Ross Murphy in Neuseeland freue sich über Post, hieß es auf dem kleinen Papierstreifen. Der Junge sei 14 und sehr interessiert an Münzen und Briefmarken. "Das passt", entschied der Wermelskirchener und schrieb den ersten Brief.

52 Jahren später sitzen Ross Murphy und Henryk Kellermann mit ihren Frauen in Tente beim Frühstück zusammen. Ein halbes Jahrhundert musste vergehen, bis der Neuseeländer in ein Flugzeug Richtung Europa stieg. Der besonderen Freundschaft hat das nicht geschadet. "Mein Großvater kommt aus Leipzig", erzählt Ross Murphy nach dem Frühstück auf Englisch. Damals, als er die Anfrage des deutschen Schülers in einer Zeitung in Neuseeland fand, sei er auch auf der Suche nach den Wurzeln seiner Familie gewesen. Die beiden Jungs von verschiedenen Enden der Welt merkten schnell, dass sie etwas verbindet. "Ich begann damals auch Brieffreundschaften mit zwei Mädchen in Asien", sagt Ross Murphy lachend, "aber die hatten sich schnell erledigt." Vor allem die Begeisterung für Münzen und Briefmarken schweißte die Jungen über Ozeane hinweg zusammen. "Wir haben immer so viele Briefmarken wie möglich auf die Umschläge geklebt", sagt Henryk Kellermann lachend und holt die alten Kuverts hervor. Viele Briefe hat er behalten. Und auch Ross Murphy bekundet: "Ich hebe sie alle gut verstaut in einer Holzkiste auf."

Das erste Aufeinandertreffen der beiden Männer allerdings ist der Besuch in Wermelskirchen nicht. Denn fünf Jahre nach ihrem ersten Briefkontakt erreichte eine besondere Anfrage Henryk Kellermann in Wermelskirchen: Ross Murphy wollte damals wissen, ob sein Brieffreund bei seiner Hochzeit sein "best man", also der Trauzeuge würde. Mit einer Zusage hatte Murphy nicht gerechnet, aber Kellermann ging ins Reisebüro, erkundigte sich nach den Flugpreisen, nahm einen Studentenjob bei der Post an und machte den Flug möglich.

1973 trafen sich die beiden jungen Männer am Flughafen. "Wir waren uns gar nicht fremd", erinnern sich Murphy und Kellermann. Während der eine in diesen Tagen heiratete, auf Hochzeitsreise fuhr und schließlich sein neues Heim baute, knüpfte der andere Kontakte zur neuseeländischen Familie. "Meine Eltern nannten ihn seit damals immer ihren deutschen Sohn", erzählt Murphy lachend. Noch zwei Mal reiste Kellermann in den Jahrzehnten darauf nach Neuseeland, 2005 nahm er seine Frau und seine Tochter mit. Und auch aus Neuseeland machte sich Besuch auf den Weg nach Wermelskirchen: Murphys Tochter, seine Schwester, Vetter und Cousinen besuchen den Freund in Tente. Aber erst vor drei Wochen, frisch in Rente, steigt dann auch Ross Murphy mit Ehefrau Kirsty ins Flugzeug Richtung Europa. Seine Frau hat holländische Wurzeln und gemeinsam mit Kellermann und seiner Frau Ute machen sie sich auf Erkundungstour: das großelterliche Haus in Leipzig, Dresden, Weimar, dann Trier, der Weinanbau. "Ich dachte immer, so sei Deutschland nur in Filmen", sagt Ross Murphy, "aber es ist wirklich so geschichtsträchtig."

Geschichten, Münzen, Briefmarken: Trotz ihrer verschiedenen Lebenswege an verschiedenen Orten verbindet die beiden Männer heute mehr als sie trennt. Und bevor Ross und Kirsty Murphy heute wieder ins Flugzeug Richtung Heimat steigen, stellt der Gast aus Neuseeland fest: "Spätestens jetzt habe ich einen deutschen Bruder."

(RP)
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