Ansichtssache Autofahrerfreundliche Stadt muss Mobilitätswende mehr fördern

Meinung | Wermelskirchen · Wermelskirchen bleibt autofahrerfreundlich. Parkgebühren lehnte die Politik ab. Die Parkplatznot wird eher zunehmen.

Ansichtssache: Autofahrerfreundliche Stadt muss Mobilitätswende mehr fördern
Foto: Moll Jürgen

Autofahrer atmen auf: Der Parkplatz neben dem Rathaus bleibt gebührenfrei. Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr lehnte den Vorschlag des Fachbüros, das im Auftrag der Stadt ein Parkraumkonzept erstellt hatte, ab, dort Parkautomaten aufzustellen. Der Stadtrat dürfte dieser Marschroute folgen. Der schonende Umgang mit den motorisierten Kunden soll dem hiesigen Einzelhandel helfen und den Standort Wermelskirchen als Einkaufsstadt stärken.

Ob die Rechnung aufgeht, ist zweifelhaft. Wenn der Loches-Platz bebaut wird, wächst der Parkdruck. Der Parksuchverkehr nimmt zu. Was die Innenstadt nicht gebrauchen kann, ist ein wachsender Parksuchverkehr. Der käme zum Durchgangsverkehr, der über die Telegrafenstraße rollt, noch on top. Das fördert nicht gerade die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt, wenn man draußen vor dem Café einen Espresso genießen oder einfach nur bummeln möchte.

Beschlossen wurde eine Ausweitung der Kurzzeitparkplätze, auf denen der geschickte Autofahrer fast eine Stunde gratis parken darf. Wer zum Beispiel um 15.05 Uhr anrollt, stellt die Parkscheibe auf 16 Uhr. Ob neue Kurzzeitparkzonen allerdings den gewünschten Effekt bringen, dass ein hoher Umschlag auf den innerstädtischen Parkplätzen erfolgt, ist anzuzweifeln. Nur wo konsequent die tatsächliche Parkdauer überwacht wird, stellt sich der erzieherische Effekt ein, dass die Parkhöchstdauer eingehalten wird und möglichst viele in den Genuss eines Parkplatzes kommen. Aber dafür müsste das Ordnungsamt mehr Politessen einstellen. Über Knöllchen-Einnahmen könnten die zusätzlichen Personalkosten nicht gedeckt werden. Das ist die große Hürde für eine Kommune unter Sparzwang. Parken wird also ein Dauerbrenner-Thema bleiben.

Nicht anfreunden konnte sich der Ausschuss mit der Idee eines gegenläufigen Radverkehrs auf der Telegrafenstraße. Jetzt wird voraussichtlich eine Klage auf die Stadt zukommen. Der ADFC-Vorsitzende hat die Gesetzestexte studiert und rechnet sich gute Chancen aus, dass sein Vorstoß Erfolg haben wird. Die Stadt sollte und muss fahrradfreundlicher werden, wenn Wermelskirchen eine Verkehrs- oder Mobilitätswende schaffen will, wie es Experten allein aus Klimaschutzgründen fordern. Der Vorstoß des CDU-Vorsitzenden Christian Klicki, über neue Verkehrsmittel oder über eine Bahnstreckenreaktivierung nach zu denken und schon jetzt die Möglichkeiten auszuloten, ist genau richtig und fand große Zustimmung. Aber es ist ein Zukunftsprojekt, bei dem in langen Zeiträumen gedacht werden muss. Es muss zwischenzeitlich mehr passieren. Der Ausstoß von Treibhausgasen nimmt weiter zu. Mobilstationen sollen Autofahrer zum Umsteigen motivieren - sie funktionieren aber nur, wenn man gerne auf E-Bike oder Pedelec steigt, weil die Städte Schritt für Schritt fahrradfreundlicher werden.

(pd)
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