Doppel-Interview Stefan Leßenich Und Rainer Bleek (teil Ii) Als Bürgermeister immer im Einsatz

Wermelskirchen · Das Stadtoberhaupt muss viele berufliche Pflichten und das Privatleben vereinbaren. Beide Kandidaten trauen sich das zu.

 Stefan Leßenich (l.) und Rainer Bleek während des Doppel-Interviews in der BM-Redaktion. Am Sonntagabend wird feststehen, wer neuer Bürgermeister wird.

Stefan Leßenich (l.) und Rainer Bleek während des Doppel-Interviews in der BM-Redaktion. Am Sonntagabend wird feststehen, wer neuer Bürgermeister wird.

Foto: Jürgen Moll

Welchen Teil Ihres Traums, Bürgermeister zu werden, wollen Sie verwirklichen?

Bleek In Verbindung mit dem Bürgermeisterjob habe ich keine Träume, auch keine Alpträume. Man muss sich den Realitäten stellen, da ist kein Platz für Traumszenarien. Ich habe die Haushaltssituation vor Augen mit einem geplanten Defizit von über neun Millionen Euro. Wichtig ist Realpolitik. Traumpolitiker bin ich noch nie gewesen. LESSENICH Bürgermeister zu sein, ist mein Traumjob. Ich möchte, dass Wermelskirchen für alle Generationen attraktiv bleibt und wird - für Familien, Kinder und Senioren. Wir müssen daran arbeiten, dass wir über das Jahr 2020 hinaus eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität für alle Generationen vorfinden.

Gibt es Prinzipien, die Sie auch gegen Mehrheiten durchsetzen wollen?

lessenich Der Bürgermeister muss sich immer seine Mehrheiten suchen. Ich möchte mit allen Fraktionen im Rat vertrauensvolle Kontakte pflegen. Das ist mir ganz wichtig. Mir wäre es auch sehr wichtig, dass alle meine Ziele von einer breiten Mehrheit im Rat getragen werden. Hier nenne ich Sauberkeit in der Innenstadt, bessere Dienstleistung durch die Stadtverwaltung, besseres Online-Angebot auch für Blinde. Das möchte ich so schnell es geht nach vorn bringen. BLEEK Bürgerorientierung und Kundennähe, Fairness im Umgang mit Verwaltung und Rat, wertschätzender Umgang. Das ist mir ganz wichtig. Und Transparenz im Verwaltungshandeln.

Sie legen beide viel Wert auf Sauberkeit in der Stadt. Ist das nicht zweitrangig geworden bei dieser neuen Aufgabe, sprich der Versorgung der Flüchtlinge?

bleek Zweitrangig sehe ich das nicht. Die Bürger sollen sich in dieser Stadt wohlfühlen. Die Stadt soll auch nach außen ein gutes Bild vermitteln. In vielen Augen tut sie das nicht. Wir müssen prüfen, wie die Standards sind und wie sie zu verbessern sind. LESSENICH Mein Ziel ist, dass sich die Bürger hier wohlfühlen, auch die Gäste. Über die mangelnde Sauberkeit regen sich viele Leute auf. Es ist ein Stadtthema. Es brennt den Menschen unter den Nägeln. Da möchte ich gern mit Verwaltung, mit dem Betriebshof ein Konzept erarbeiten, wie man über Pflege und verstärkte Kontrollen zu einer sauberen Innenstadt kommen kann. Oftmals braucht man nur mal einen Besen oder einen Lappen - wenn ich zum Beispiel sehe, wie dreckig die Ortseingangsschilder sind.

Welches Gebäude würden Sie gern abreißen, wenn Sie keine Rücksicht auf Gesetze, Behörden und Interessen nehmen müssten?

BLEEK Die Rhombus-Fabrik - dort gilt es Platz zu schaffen für Gewerbeflächen; nicht erhaltenswürdig ist das Haus an der Taubengasse/Berliner Straße, wo es Bestrebungen gibt, es unter Denkmal zu stellen. Es steht an so exponierter Stelle, dass man hier andere Lösungen finden sollte. LESSENICH Das Norma-Gebäude, damit wir den Loches-Platz bebauen können, und das Rhombus-Areal.

Welches Stück Natur mögen Sie am meisten in der Stadt?

Lessenich Das ist das Eifgental. Das liegt bei uns vor der Haustür. BLEEK Ich schließe mich an: Das ist auch für mich das Eifgental.

Wie viele Stunden in der Woche wollen Sie als Bürgermeister arbeiten?

Bleek Von meiner derzeitigen 38,5-Stunden-Woche habe ich mich schon lange verabschiedet. Es wird so auf 60 Stunden hinauslaufen. Aber man muss schauen, dass man zwischen den Stunden der Hektik im Verwaltungsalltag auch Stunden der Muße hat. Sonst kann man den Job auf Dauer nicht machen. LESSENICH 24 Stunden, wenn es sein muss, natürlich am Tag. Schon heute habe ich neben meinem Beruf und den Aufgaben als stellvertretender Bürgermeister keine geregelten Arbeitszeiten. Ich rechne mit 70 Stunden pro Woche. Das muss man als Bürgermeister ausfüllen, wenn man eine Verwaltung gut führt und Präsenz beim Bürger zeigt.

Wie viele Stunden wollen Sie ihrer Lebenspartnerin/ihrer Familie einräumen?

Lessenich Man muss sich als Bürgermeister immer wieder Freiräume für die Familie schaffen. Das kann man an Stunden nicht festmachen. Man kann auch zu gewissen Terminen, das mache ich heute schon als Bürgermeister-Stellvertreter, Kinder oder die Familie mitnehmen. BLEEK Opa Rainer ist jetzt nicht mehr kontinuierlich gefragt. Die gemeinsame Zeit mit meiner Lebenspartnerin ist schon knapp. Wir haben aber gelernt, damit umzugehen. Es wird eng. Aber bestimmte Samstagnachmittage will ich freihalten, um zum Beispiel mit dem Enkel zum 1. FC Köln zu fahren.

Welche Fähigkeiten des Amtsinhabers würden Sie gern besitzen?

Bleek Die Fähigkeit, Repräsentationstermine wahrzunehmen und Reden aus dem Stegreif zu halten. Auch in französischer Sprache. LESSENICH Das sehe ich genauso. Die Rhetorik bei Herrn Weik ist 1a, es waren tolle Reden. Da möchte ich mich gerne weiterentwickeln.

Und welche lieber nicht?

Lessenich Ich möchte den Kontakt zu Vereinen und Institutionen verbessern. Das ließ zu wünschen übrig. Der Zusammenhalt von Vereinen ist unzureichend von der Stadt gepflegt worden. BLEEK Das, was Herr Leßenich sagt, möchte ich mit mangelnder politischer Kommunikation beschreiben. Die Kontaktpflege mit den Vereinen, Verbänden, Firmen, die bürgerschaftlichen Zusammenschlüsse - das fehlt. Und das werde ich ändern.

Können Sie Kritik vertragen? Wie gehen Sie mit Kritik um?

lessenich Sachlich. Ich gehe in eine offene Feedback-Kultur, bin der Meinung, man sollte die Person nicht vor ein offenes Tribunal ziehen. Ich kläre Kritik in einem Vier-Augen-Gespräch. Ich sehe Kritik als Chance, sich weiterzuentwickeln. BLEEK Natürlich kann ich Kritik vertragen. Wir sind immer eine kritische Partei gewesen. Intern, aber nach außen geschlossen. Ich habe vier Söhne, da werde ich auch schon mal kritisiert. Das ist okay. Auch im Beruf habe ich lieber kritische Leute um mich herum. Nur das bringt einen in Planung und Gestaltung weiter. Nur Ja-Sager will ich nicht.

Was sind Ihre Untugenden?

Bleek Hin und wieder sicherlich Unpünktlichkeit bei nicht so wichtigen Terminen. Das muss ich sicherlich ändern. Ich nehme mir manchmal in der zur Verfügung stehenden Zeit einfach zu viel vor. LESSENICH Ich habe mir vorgenommen, etwas ruhiger zu werden. Das wird aber schwierig.

Was sind Ihre Stärken?

Lessenich Ich kann gut zuhören, strukturieren und motivieren. BLEEK Analyse, Planung, überlegtes Vorgehen, Kontaktfreude und soziale Kompetenz.

Welche Geschäfte vermissen Sie in der Stadt?

Lessenich Einen Lebensmittelvollsortimenter. Außerdem fehlen ein paar Spezialgeschäfte, etwa für Käse. Einige dieser Geschäfte haben in den letzten Jahren Wermelskirchen verlassen. Ansonsten sind wir für eine Kleinstadt gut bestückt. BLEEK Ja, ein Lebensmittelgeschäft, aber auch ein gutes Spielwarengeschäft. Da wünsche ich mir ein umfangreicheres Angebot. Babykleidung ist noch ein Problem. Sicher das ein oder andere Spezialgeschäft, manche meinen auch Modegeschäfte, aber ich glaube, da sind wir schon recht gut aufgestellt.

Wen ertragen Sie nur mit Humor in dieser Stadt?

Bleek (spontan) Henning Rehse. LESSENICH (lacht) Schwierige Frage. Hier gibt es nur gute Menschen. Rainer Schneider von den Linken.

Wenn Sie selbst den Rat bilden dürften und dafür fünf Nicht-Politiker benennen müssten - wer wäre das?

Lessenich Manfred Maus, Jürgen Weiher (SSV), Brigitte Keller (Kunstverein), Rainer Jahnke (Finanzen) und Cornelia Seng (Willkommen in Wermelskirchen). BLEEK Bei Frau Seng schließe ich mich an. Dazu Walter vom Stein (Wirtschaftskompetenz), Peter Siebel (Sozialbereich), Günther Finkenrath und den jeweiligen Vorsitzenden des Kinderschutzbundes.

Warum lief der Wahlkampf so harmonisch ab?

Bleek Das ist einerseits der finanziellen Situation geschuldet. Große Projekte kann man nicht realisieren. Wir haben genug damit zu tun, was der Spielraum zulässt. Ich habe mich gewundert, dass der Wahlkampf zwischen Leßenich und Dieluweit so harmonisch verlaufen ist. Da hätte ich eine schärfere Profilierung erwartet. LESSENICH Die großen Themen waren bei allen Kandidaten gleich. Somit sind wir mit Sachargumenten nach vorn gegangen. Wir wollen alle das Beste für Wermelskirchen. Wir sind alle nette, aufgeschlossene Menschen. Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen nicht über den anderen Kandidaten öffentlich herziehen, sondern einen fairen Wahlkampf führen. Man sollte Wahlkampf an Sachthemen festmachen.

UDO TEIFEL UND SEBASTIAN RADERMACHER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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