Wegberg Wildenrather fühlen sich übergangen

Wegberg · Das Jugendheim in Wildenrath soll vorübergehend als Gemeinschaftsunterkunft für zwölf Flüchtlinge dienen. Bürger und Vereinsvertreter sind sauer: Sie fühlen sich über diese Pläne von der Stadtverwaltung nicht ausreichend informiert.

 Wegbergs Verwaltungschef Michael Stock (l.) nahm vor Wildenrather Bürgern zum Umbau des Jugendheims Stellung. Dort sollen bald zwölf Flüchtlinge wohnen. Das Interesse an der Bürgermeister-Sprechstunde war riesig.

Wegbergs Verwaltungschef Michael Stock (l.) nahm vor Wildenrather Bürgern zum Umbau des Jugendheims Stellung. Dort sollen bald zwölf Flüchtlinge wohnen. Das Interesse an der Bürgermeister-Sprechstunde war riesig.

Foto: Jörg Knappe

Eine solch großes Interesse an seiner Sprechstunde hat Wegbergs Bürgermeister Michael Stock noch nicht erlebt: Der Veranstaltungssaal im Wildenrather Restaurant "Zur Post"platzte am Mittwoch aus allen Nähten. 90 Bürger wollten von Michael Stock und den Dezernenten Christine Karneth und Rudolf Fabry Informationen über den bereits fast abgeschlossenen Umbau "ihres" Jugendheims zur Gemeinschaftsunterkunft für zwölf Flüchtlinge erfahren. "Wir haben nichts gegen Flüchtlinge, aber wir brauchen unser Jugendheim für das Vereinsleben und für die Veranstaltungen im Dorf", hieß es aus den Reihen der Bürger.

Der anhaltende Flüchtlingszustrom setzt die Kommunen weiter unter Druck. In Wegberg hat sich die Zahl der asylbegehrenden Menschen innerhalb eines Jahres verdoppelt. Zurzeit leben 192 Flüchtlinge im Stadtgebiet. Die bisherigen Kapazitäten der städtischen Unterkünfte sind erschöpft. Dort wird sich die Situation erst entspannen, wenn die geplante Unterbringungseinrichtung des Landes NRW für bis zu 800 Flüchtlinge in Petersholz in Betrieb geht. Das ist nach den Plänen der Bezirksregierung Köln für Herbst 2015 geplant. Die Stadt sucht derzeit händeringend nach kostengünstigen Übergangslösungen, weil sie wegen ihrer Schulden (etwa 60 Millionen Euro) zurzeit ein Haushaltssicherungskonzept vorbereiten und größere Investitionen unbedingt vermeiden muss. Das Wildenrather Jugendheim soll laut Verwaltung für längstens zwei Jahre als Flüchtlingsunterkunft dienen und dann Vereinen und Schülern wieder zur Verfügung stehen.

Die Wildenrather hätten mehrfach bewiesen, dass Fremdenfeindlichkeit in ihrem Ort keine Chance habe, hieß es. So seien in den 1960er Jahren Angehörige der britischen Streitkräfte und später die Menschen in der Wohnstätte der Lebenshilfe (früheres Wildenrather Rathaus) in das Dorfleben integriert worden. "Die Vorgehensweise der Stadtverwaltung, uns Wildenrather vor vollendete Tatsachen zu stellen, ist aber nicht in Ordnung", sagte "Ur-Wildenratherin" Rita Esser. Die meisten Wildenrather hätten erst durch die Berichterstattung der RP über die Ratssitzung am 10. März von den Plänen der Stadt erfahren und bislang keine Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äußern.

Kritik an der Verwaltung äußerte auch Andre Schaffrath, Vorsitzender des Trommler- und Pfeiferkorps Wildenrath 1948. Die Mitglieder treffen sich in dem Gebäude jeden Freitag zur Vereinsprobe. Er widersprach der Darstellung der Verwaltung, er habe im Gespräch mit den Vereinsmitgliedern für deren Entscheidung geworben: "Uns wurde der Umstand als bereits beschlossen mitgeteilt. Eine Einflussnahme hierauf hatten wir zu keinem Zeitpunkt." Natürlich habe er die Mitglieder informiert, jedoch sei nie die Rede davon gewesen, dass er für die Entscheidung der Verwaltung werben wolle. Schaffrath: "Wir haben Verständnis für die Problematik, sind aber von dem derzeitigen Lösungsansatz keinesfalls begeistert."

Der Umbau des Jugendheims ist weitgehend abgeschlossen. Manche Wildenrather bezweifeln, dass "auf diesem Präsentierteller mitten im Ort" eine menschenwürdige Unterbringung möglich ist. Dem widersprach Baudezernent Rudolf Fabry.

Michael Stock nahm die Kritik der Wildenrather Bürger an der Vorgehensweise der Stadtverwaltung zur Kenntnis. Der Bürgermeister sagte städtische Unterstützung zu, damit die Wildenrather ihre Dorffeste wie Tanz in den Mai und die Spätkirmes mit Vogelschuss trotz des Umbaus des Jugendheims weiterhin feiern können. Mitarbeiter der Verwaltung wollen sich nach Ostern mit Vereinsvertretern aus Wildenrath zu einem Gespräch treffen. Die ersten Flüchtlinge werden voraussichtlich im April ins Jugendheim einziehen.

(RP)
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