Wegberg Sperrklausel: Das sagen Politiker zum Urteil

Wegberg · Der Verfassungsgerichtshof in Münster hat die 2,5-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen als verfassungswidrig gekippt. Das freut vor allem die kleinen Fraktionen in den Stadträten.

/ Erkelenz Positiv reagieren die kleinen Fraktionen aus den Stadträten in Erkelenz und Wegberg auf eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichts in Münster, das die im Juni 2016 von SPD, CDU und Grünen im Landtag beschlossene 2,5-Prozent-Hürde für Stadträte und Kreistage für verfassungswidrig erklärte.

Mit einem Sowohl-als-auch nimmt Peter Jansen (CDU), Bürgermeister von Erkelenz, die Entscheidung hin. Sein Amtskollege Michael Stock (SPD) aus Wegberg sagt: "Eine Sperrklausel verhindert die weitere Zersplitterung der Stadträte. Gleichwohl weiß ich, dass eine Zersplitterung die Arbeitsfähigkeit von Räten in anderen Städten beeinträchtigen."

Das gelte besonders für größere Städte, wo viele Einzelbewerber vertreten sind. Im Rat der Stadt Wegberg sitzen sechs Fraktionen. Mehrheiten sind laut Stock deshalb zwar mit mehr Aufwand und Abstimmung unterhalb der Fraktionen verbunden. "Solange die Fraktionen mit dieser Aufgabe aber verantwortungsvoll, konstruktiv und demokratisch umgehen, bereichert dies in Wegberg die politische Debatte", sagt Stock. Vor diesem Hintergrund werde man das Urteil akzeptieren müssen.

Christine Karneth, Erste Beigeordnete der Stadt Wegberg, weist darauf hin, dass in Wegberg alle Parteien und Wählergruppen, die 2014 zur Kommunalwahl angetreten sind, sogar über die 5-Prozent-Hürde gekommen sind. Insofern hätte sich an der Zusammensetzung des Wegberger Rates nichts geändert.

Gegen die Sperrklausel hatten acht kleine Parteien den NRW-Verfassungsgerichtshof angerufen. Sie machten im Verfahren geltend, dass die Hürde das Recht auf Gleichheit der Wahl und ihre Chancengleichheit verletze. Die Sperrklausel sollte verhindern, dass es zu viele Kleinparteien in die Kommunalparlamente schaffen, um einer zunehmenden Zersplitterung mit teilweise mehr als zehn Parteien und Gruppierungen entgegenzuwirken.

Zwei Sichtweisen hat Peter Jansen auf die Frage, ob eine 2,5-Prozent-Hürde sinnvoll gewesen wäre oder nicht. Auf der einen Seite stehe, dass für eine Kommunalverwaltung eine "Zersplitterung zu mehr Personal- und Verwaltungsaufwand führt". Es gebe einen höheren Bedarf an Beratung, Betreuung, schlichtweg aber auch an Räumen. Außerdem müssten mehr Aufwandsentschädigungen gezahlt werden, gebe es mehr Ausgleichsmandate und stiegen die Geschäftskosten.

Auf der anderen Seite aber hebt der Erkelenzer Bürgermeister heraus, dass dies wiederum aus seiner Sicht gar keine Rolle spielen dürfe: "Eine Kosten-Nutzen-Relation verbietet sich mit Blick auf die gewünschte offene Demokratie." In Erkelenz, fügt Jansen an, habe er im Stadtrat bislang auch noch nicht festgestellt, dass die Arbeit durch die Reihe kleinerer Fraktionen erschwert werde. Allerdings werden die Mehrheitsfindungen dadurch anspruchsvoller.

Bestätigt wird Jansen von Werner Krahe (FDP), der die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts begrüßt: "Im Rat der Stadt Erkelenz beweisen alle beteiligten Fraktionen gemeinsam, dass Meinungsvielfalt den Rat nicht in seiner Funktionsfähigkeit behindert, sondern Entscheidungen positiv beeinflusst." Christoph Moll, Freie Wähler Erkelenz sagt: "Die Freien Wähler Erkelenz begrüßen den Beschluss ausdrücklich.

Der damalige Beschluss von CDU, SPD und Grüne zielt ganz klar darauf ab, die Stimmen für kleinere Parteien zu ihren Gunsten unter den Tisch fallen zu lassen." Kleinere Parteien und Wählergemeinschaften bereicherten die politische Diskussion, indem auch Standpunkte fernab von Parteiideologien eingebracht werden.

Karl-Heinz Frings, Fraktionsvorsitzender der Bürgerpartei in Erkelenz: " Die Hürden, um in den Stadtrat zu kommen, stellen natürlich die Demokratie auf eine Probe. Einerseits sollten alle Bürger eine Chance haben, aktiv an der Stadtpolitik mitzuwirken, jedoch tut es der Demokratie nicht gut, wenn sprichwörtlich jeder ,Idiot' dort sitzen und mitdiskutieren kann. Unserer Meinung nach sitzen im Erkelenzer Stadtrat schon genügend Mitglieder, die dort eigentlich nicht hingehören."

Thomas Nelsbach, Freie Wähler Wegberg: "Die 2,5-Prozent-Hürde gibt es in Wegberg aufgrund von 36 Mandaten sowieso. Dass das Verfassungsgericht diese gekippt hat, ist zu begrüßen, denn CDU, SPD und Grüne wollten lästige Mitbewerber loswerden und diese Mandate unter sich aufteilen. Wegberg hat sechs Fraktionen, und von einer Lähmung ist hier nichts zu spüren, im Gegenteil - die Kontrolle der Verwaltung ist durch die Pluralität geschärft."

Sven Müller-Holtkamp, Fraktionsvorsitzender der FDP in Wegberg sagt: "Ich begrüße die Entscheidung, nicht aus Angst um die Ergebnisse der FDP in Wegberg, sondern wegen der Möglichkeit, auch kleineren Parteien und Vereinigungen die politische Mitarbeit in den Gremien zu ermöglichen."

Vielfalt und Varianz stellten für die Freien Demokraten keine Einschränkungen oder Arbeitserschwernisse dar, vielmehr seien sie Ausdruck einer wirklich gelebten demokratischen Kultur, von der auch große Parteien profitieren könnten.

Nicole von den Driesch, Wählergemeinschaft Aktiv für Wegberg, AfW, hat die Entscheidung des NRW-Verfassungsgerichts in Münster nicht überrascht. "Sie dient dem Schutz von kleineren politischen Gruppierungen und das ist gut so", sagt sie, "wäre diese Hürde vom Verfassungsgericht bestätigt worden, hätte dies meinen Glauben an den Rechtsstaat stark erschüttert."

(RP)
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