Wegberg Realschüler erleben ihr "blaues Wunder"

Wegberg · Zur traditionellen Flachsaussaat trafen sich Mitglieder des Beecker Heimatvereins mit Sechstklässlern der Edith-Stein-Realschule Wegberg. Die Schüler beschäftigten sich während einer Projektwoche intensiv mit dem Thema Flachs.

 Marie Wystub (l.) und Tabea Ngande von der Edith-Stein-Realschule bei der Flachsaussaat. Die Sechstklässlerinnen halten einen kleinen Haselnusszweig im Mund, denn nach der Überlieferung durfte während des Säens kein Wort über die Lippen kommen: "Der Flachs verträgt das Reden nicht", heißt es.

Marie Wystub (l.) und Tabea Ngande von der Edith-Stein-Realschule bei der Flachsaussaat. Die Sechstklässlerinnen halten einen kleinen Haselnusszweig im Mund, denn nach der Überlieferung durfte während des Säens kein Wort über die Lippen kommen: "Der Flachs verträgt das Reden nicht", heißt es.

Foto: hec

Nach überlieferter Tradition ist es "de Hongeste", also der 100. Tag des Jahres, an dem der Flachs ausgesät werden soll, damit er in den Folgemonaten prächtig gedeihen kann. So ganz genau nehmen die Mitglieder des Beecker Heimatvereins das aber nicht. Am 118. Tag des Jahres trafen sie sich unter Federführung von Heinz und Klara Schlömer mit Schülern der Jahrgangsstufe 6 der Edith-Stein-Realschule Wegberg und den Lehrerinnen Christel Strauchen, Edeltrud Becker und Silvia Wolff, um den alten Brauch im Flachsdorf aufleben zu lassen. Auf einem kleinen Feld neben dem Beecker Friedhof brachten die Schülerinnen und Schüler unter Leitung von Heinz Schlömer den Leinsamen in das vorbereitete Erdreich.

Die Wegberger Realschüler erlebten das "blaue Wunder der Region Heinsberg" und die hohe Bedeutung des Flachses für die Region rund um die Mühlenstadt während einer Projektwoche zu diesem Thema. Sie erfuhren unter anderem, was Raufen und Riffeln, Rösten und Darren bedeutet, und erlebten beim Besuch der Rickelrather Schrofmühle, der einzigen funktionstüchtigen Getreide- und Ölmühle im Rheinland, wie früher Öl gepresst wurde. Auf dem Feld am Beecker Friedhof stand nun die Flachsaussaat im Mittelpunkt. Heinz Schlömer erklärte den Schülern zunächst, dass die Frau des Bauern früher vor der Flachsaussaat rückwärts springen musste. An der Weite ihres Sprunges soll sich ablesen lassen, wie hoch der Flachs wächst. Es sei früher ein nützlicher Brauch gewesen, den Flachs in den Abendstunden auszusäen und über Nacht liegen zu lassen, damit er sich von Tau getränkt mit Erde umhüllt und so von den Vögeln nicht aufgepickt werden konnte.

Wie zu Urgroßvaters Zeiten legten die Realschüler zur Aussaat ein weißes Leinenhemd an. Nach alter Tradition musste der Bauer ein Brot mit Speck gefrühstückt haben, damit die Samenkörner bei der Aussaat gut durch die Hände glitten. Heinz Schlömer füllte die Schürzen der Schüler mit Samenkörnern. Während der Aussaat hatten die Schüler nach alter Tradition einen kleinen Haselnusszweig im Mund, denn während des Säens durfte kein Wort über die Lippen kommen, "der Flachs verträgt das Reden nicht", heißt es. Dann durfte die jüngste Schülerin einen etwa 1,20 Meter langen Zweig in die Mitte des Ackers stecken und brach dessen Spitze ab, um dem Flachs anzuzeigen, wie groß er werden soll. Die Schüler lernten auch, dass Flachs nur alle fünf bis sieben Jahre auf demselben Feld angebaut werden kann, weil die Pflanze sehr viel Nährstoffe aus dem Boden zieht.

Für die Schüler war die Projektwoche zum Thema Flachs mit dem Besuch der Schrofmühle und der Aussaat in Beeck eine willkommene Abwechslung zum regulären Unterricht. "Ich wusste gar nicht, dass Flachs früher eine so große Bedeutung hier in der Region hatte", sagte eine Schülerin. Außerdem habe die Projektwoche ihr Bewusstsein für die Hochwertigkeit regionaler Produkte geschärft.

(RP)
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