Wegberg Mit Leib und Seele Kutschenfahrer

Wegberg · Angela und Erich Gerards trifft man oft bei ihren Ausfahrten mit der Kutsche in der Umgebung ihres Heimatdorfes Holtum.

 Erich Gerards auf seinem Lieblingsplatz, dem Kutschbock. Bei Wind und Wetter ziehen die Ponys ihn und Frau Angela durch Wald und Feld. Neun Ponys leben auf dem Hof in Holtum.

Erich Gerards auf seinem Lieblingsplatz, dem Kutschbock. Bei Wind und Wetter ziehen die Ponys ihn und Frau Angela durch Wald und Feld. Neun Ponys leben auf dem Hof in Holtum.

Foto: RENATE RESCH-RÜFFER

Die Ponys, das Kutschenbauen und Turnierfahrten im Vierspänner sind ihre Leidenschaft. "Es ist wie in einer großen Familie, ein freundliches Miteinander", beschreibt Angela Gerards die Atmosphäre im Turniersport. Es ist ein Teamsport, bei dem jeder den Anderen unterstützt, ihm hilft und ihn nicht als reinen Konkurrenten sieht. Das macht die Faszination an diesem Sport für die beiden Holtumer aus. Bereits seit 22 Jahren leben Erich und Angela Gerards auf dem elterlichen Hof von Angela Gerards, mit ihren beiden Kindern und inzwischen neun Ponys.

Mit 25 Jahren hat Erich Gerards das Reiten begonnen, als er seine Frau kennenlernte. Auf seinem elterlichen Hof in Schwaam gab es früher auch Pferde - Kaltblüter, aber natürlich nicht zum Reiten, es waren Arbeitspferde. Als die Traktoren dann die Arbeit der Pferde übernahmen, verschwanden diese vom Hof. Heute erinnern lediglich alte Halfter aus dieser Zeit im Innenhof an sie.

Als Entlohnung fürs Arbeiten brachte Erich Gerards vor 25 Jahren ein Pony mit nach Hause, das er dann selbst pflegte und versorgte. "Wir sind jahrelang im Wald spazieren geritten. Dann kamen die Jungs, die konnten wir auf dem Pferd nicht mitnehmen," erinnert er sich. Zunächst wechselten sie sich mit dem Reiten ab, und der Andere fuhr mit dem Auto und den Kindern. Doch dann kam noch ein Pony dazu, und das Kutschenfahren begann. Nun konnte die ganze Familie beim Ausflug zusammensein.

 Ab dem kommenden Jahr will der 63-Jährige noch mehr Zeit mit den Ponys verbringen. Mit seinen Neuerwerbungen will er zusammen alt werden.

Ab dem kommenden Jahr will der 63-Jährige noch mehr Zeit mit den Ponys verbringen. Mit seinen Neuerwerbungen will er zusammen alt werden.

Foto: Renate Resch-Rueffer

Unter der Woche und am Wochenende sieht man die Beiden oft in ihrer Kutsche unterwegs. "Wir sind Freizeitfahrer, keine reinen Turnierfahrer," bemerken sie. Das Turnierfahren begann Erich Gerards, weil er feststellte, dass seine Ponys gut trainiert sind, er suchte den Vergleich: "Ich wollte sehen, ob ich mit den Anderen mithalten kann". Auf Turnieren fährt er mit seinen beiden Söhnen im Vierspänner. Dabei meistern die Pferde mit der Kutsche und den Fahrern, die auf ein ausgeglichenes Gewicht im Gespann achten, einen Parkour durchs Gelände. Gute Erfolge kann er dabei für sich bestreiten, er ist immer im ersten Drittel der Platzierung dabei. Ein Zeichen für ihn, dass er seine Pferde gut ausbildet und sie sportlich trainiert. "Ich fahre drei bis vier Turniere im Jahr - mehr nicht."

Dabei zu sein bedeutet, drei Tage unterwegs zu sein. Freitagnachmittags geht es jeweils los, Samstagvormittag finden die ersten Dressurprüfungen statt. Am Sonntag werden die Platzierungen dann gegen 17 Uhr bekannt gegeben, und erst danach machen sich die Kutschfahrer auf die Rückfahrt. Oft sind es weite Strecken, die zum Austragungsort zurückgelegt werden müssen, und die Fahrzeit ist lange. Eine gute Vorbereitung ist ebenfalls Bestandteil. Die Ponys müssen gewaschen und hergerichtet werden, das Geschirr geputzt, bis alles glänzt und blinkt. Dann werden die vier Ponys und die Kutsche in einen großen Anhänger geladen, der einen Wohnteil für die Kutschfahrer enthält, und los geht's. "Es gibt Fahrer, die fast jedes Wochenende auf Turniere fahren, das ist Vagabundenleben," weiß Angela Gerards.

Die Eheleute sind sich einig, "es ist zwar schön, mal bei den Platzierungen mitzumischen", aber der eigentliche Spaß liegt beim Spazierenfahren. Spontan entscheiden sie sonntagmorgens, wohin es gehen soll. Je nachdem wie das Wetter mitmacht, machen sie sich auf den Weg. Mal geht es nach Holland, mal durch das Gelände im Umkreis. "Wir fahren nicht nur, wenn schönes Wetter ist, bei Regen machen wir dann eine Schlammschlacht daraus", erzählt der passionierte Geländefahrer.

Mit Freunden fahren sie auch mal Schnitzeljagden. Einer bereitet die Strecke vor, die anderen fahren dann über 30 bis 35 Kilometer mit. Das wechselt ab, damit jeder mal drankommt. So lernt man neue Strecken kennen, und "man trifft sich, erzählt, sitzt dazwischen eine Stunde zusammen - so zum Spaß".

Im Moment ist Winterpause beim Turnierreiten. Vor drei Wochen sind die Beiden das letzte Turnier für dieses Jahr gefahren. Den Winter nutzt Erich Gerards zum Bauen und Tüfteln an seinen Kutschen. "Ich habe keine gekaufte Kutsche", sagt er. Vom Marathonwagen bis zur Dressurkutsche hat er alles selbst gebaut. Als gelernter Schlosser baut er alles selbst, von den Rädern bis zur Sitzbank. Der alte Kuhstall wurde deshalb zur Kutschenwerkstatt umfunktioniert und wird im Winter von ihm ausgiebig genutzt.

Unterschiedliche Arten von Kutschen sind Bestandteil seiner Werkstatt. Jede Art hat andere Herausforderungen. Neben Dressurwagen haben Marathonwagen technische Raffinessen wie Scheibenbremsen, Bremsverzögerung, Einzelradbremsen. "Das ist heute nur noch Technik", weiß der Tüftler. Als gelernter Stahl- und Maschinenbauer hat er sich das Kutschenbauen über die Jahre selbst angeeignet.

Zu Beginn gab es für die kleinen Ponys keine Wagen für Erwachsene. Deshalb war er selbst gefragt, eine Kutsche zu bauen. Das war der Einstieg. Er fand Freude daran und modernisierte seine Kutschen ständig. Die technischen Raffinessen ergänzten die Gefährte. Als passionierter Tüftler war es ihm ein Anliegen, sie immer zu verbessern. Auch professionelle Kutschenbauer ließen sich von seinen ausgetüftelten Feinheiten inspirieren.

Die abendliche Kutschenrunde wird spontan festgelegt. Zehn bis zwölf Kilometer durch die umliegende Landschaft sind schon drin. Mal zum Schwager nach Schwaam, auf eine Tasse Kaffee, mal durch andere Orte. Die Wege sind bekannt, jedes Hindernis, jedes Loch, auf das man beim Fahren achten muss. Zum Fahren können alle Wege benutzt werden, angenehmer sind jedoch Feldwege, die nicht von Autos benutzt werden. Hund Mila, ein Border Collie, an weites Laufen gewöhnt, begleitet dann das Gefährt. "Für die Kutsche ist es kein Problem, aufpassen muss man mit den Ponys. Wenn sie in Löcher treten, bei zu schnellem Fahren, können sie sich die Beine brechen."

Eine schmerzliche Erfahrung haben die Fahrer beim Training mit dem Vierspänner in einer Kiesgrube gemacht: Ein vorderes Pony blieb im Sand stecken. Das nebenlaufende Pony blieb stehen, während die beiden nachfolgenden weiterliefen. Ein Crash war unausweichlich, bei dem sich ein Pony überschlug und "den Wagen von unten ansah", erinnert sich Gerards. Glücklicherweise passierte nichts weiter. Nach kräftigem Schütteln der Tiere war alles wieder im Lot und es konnte weitergefahren werden.

Gerards Ponys laufen barfuß, er braucht die Hufe nicht beschlagen. Durch die vielen Sandwege, die die Gespänne laufen, sind die Tiere gut trainiert und können auch mit Ponys mithalten, die in hügeligem Land trainiert werden. 20 Kilometer durch hiesiges sandiges Gelände sind sehr anstrengend und trainieren gleichzeitig gut.

Der Hof ist auch Stützpunkt für die Rheinlandjugend. Im Sommer kommt einmal im Monat der Landestrainer. Nachwuchskutschenfahrer aus der näheren und weiteren Umgebung kommen mit ihren Pferden zum Training auf die Wiese in Holtum. Auch im Frühjahr bieten sie der Vereinsjugend zwei, drei Kurse an. Zwei Trainer unterrichten Dressur und Pylonenfahren. "Wir profitieren auch davon", erzählt das Paar. Selbst junge Fahrer auszubilden, lässt aber ihre Zeit nicht zu. Erich Gerards ist voll berufstätig, die Kutschfahrt nur Hobby.

"Ich hätte gern noch mehr Zeit für die Ponys", wünscht sich Erich Gerards. Ab nächstes Jahr plant der 63-Jährige, in Vorruhestand zu gehen. Deshalb schaffte er sich unlängst große Ponys an, um sie richtig auszubilden. "Ich möchte mit ihnen alt werden." Jetzt sind sie sechs Jahre, "wenn ich sie noch zwei Jahre trainiere, habe ich sie soweit, dass ich mit ihnen auch, wenn ich älter bin, problemlos fahren kann," meint er. "Ich würde es genauso wieder machen", sagt Gerards rückblickend.

(rerü)
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