Gregor Lange "Jeder Bürger zahlt 50 Euro im Jahr zu viel"

Erkelenz · Das Gericht hat seine Klage gegen den Abwasserbescheid abgewiesen. Jetzt denkt Gregor Lange an die Gründung einer Bürgerinitiative.

 Gregor Lange

Gregor Lange

Foto: J. Laaser (Archiv)

Herr Lange, Sie werfen der Stadt Wegberg vor, dass sie seit Jahren zu hohe Schmutzwassergebühren von ihren Bürgern verlangt. Das Verwaltungsgericht Aachen hat jetzt Ihre Klage gegen den Abwassergebührenbescheid für das Jahr 2016 abgewiesen. Lagen Sie falsch?

Gregor Lange Der Verhandlung am Verwaltungsgericht in Aachen waren meine Beschwerde über den Vorsitzenden Richter und mein Befangenheitsantrag vorausgegangen. Somit musste man sich über den Verlauf der Sitzung nicht wundern, obwohl der Richter eine Neutralitätspflicht hat. Außer mir hat leider kein einziger Bürger aus Wegberg an der Verhandlung teilgenommen. Das Desinteresse der Bürger ist grundsätzlich nicht nachvollziehbar, da es spätestens mit dem nächsten Schmutzwassergebührenbescheid wieder um rund 50 Euro geht, die jeder einzelne Bürger jedes Jahr zu viel bezahlt.

Das klingt nicht danach, als hätte Sie die Urteilsbegründung des Richters überzeugt. Gehen Sie in Berufung?

Lange Nach hunderten Stunden des Arbeitseinsatzes und einigen hundert Euro an Ausgaben fehlt mir als Einzelkämpfer die Verhältnismäßigkeit. Im Falle eines Berufungsverfahrens dürften die Anwälte - bezogen auf den Streitwert - nur 72 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer vom Kläger und von der Beklagten - in diesem Fall die Stadt Wegberg - fordern. Für diesen Betrag arbeitet kein Anwalt. Die Mehrkosten müssten Kläger und Beklagte zahlen.

Welche Kosten kämen im Falle eines Berufungsverfahren denn auf Sie zu?

Lange Ich habe bei mehreren Rechtsanwälten angefragt: Einer fordert 250 Euro pro Stunde, ein anderer 1000 Euro pauschal zuzüglich Mehrwertsteuer. Nehmen wir die zweite Option, liegt das Prozessrisiko bei rund 1600 Euro, und - sollte ich das Verfahren gewinnen - trotzdem noch bei rund 1200 Euro. Mit solch hohen Kosten hatte ich nicht gerechnet. 200 Euro wurden mir von einem Bürger bereits angeboten. Es fehlt somit noch ein bedeutender Betrag, der kurzfristig gespendet werden müsste, denn die Absicht der Berufung muss zunächst in einem Dreizeiler innerhalb der kommenden 14 Tage dem Gericht mitgeteilt werden.

Ist das Kapitel damit für Sie endgültig abgeschlossen?

Lange Nein, auf keinen Fall. Sollte es aus Kostengründen tatsächlich nicht zu einer Berufung kommen, könnte zu Beginn des nächsten Jahres eine Bürgerinitiative gegründet werden, die Sammlungen durchführt, um das Verfahren wegen der neuen Gebührenbescheide vorzubereiten. Wenn die Bürger bis auf wenige Ausnahmen dauerhaft untätig bleiben wollen, wird der Betrug am Bürger fortgesetzt. Ab dem nächsten Jahr sollten aber alle Bürger endlich gerechte Gebührenbescheide bekommen.

Sie fordern die Einführung eines Starkverschmutzerzuschlags für mehr Gebührengerechtigkeit. In dem Urteil des Verwaltungsgerichts heißt es aber, dass die Stadt Wegberg nicht verpflichtet ist, einen Starkverschmutzerzuschlag zu erheben.

Lange Starkverschmutzerzuschläge müssen laut Gericht und Stadt wegen der ca. 90.000 Kubikmeter - das entspricht 6,9 Prozent - Schmutzwassereinleitungen der anerkannten industriellen und gewerblichen Starkverschmutzer am gesamten Schmutzwasseraufkommen von 1,3 Millionen Euro Kubikmeter einschließlich aller Haushalte nicht erhoben werden. Diese Aussage ist letztlich rechtswidrig, da jeder Starkverschmutzer je nach der Chemie bzw. den Stoffen, die er einleitet, für sich gesehen zu bewerten ist und die Einleitungen aller Starkverschmutzer einen höheren Klärbedarf erfordern, als sich dieser aus den Einleitungen aller Haushalte ergeben wird. Ein Anteil von zehn Prozent am Schmutzwasser als gesamtheitlicher Beginn für Starkverschmutzerzuschläge gibt es nur in Wegberg. Dies würde außerdem bedeuten, dass noch drei Prozent mehr Starkverschmutzungen über noch mehr Unternehmen eingeleitet werden dürften, wodurch sich durch den nochmals verstärkten Klärbedarf und die zusätzlichen Messungen bei diesen Unternehmen die Kosten für die Allgemeinheit zusätzlich erhöhen würden. Und dies bei einer Kläranlage, die schon heute ausschließlich wegen der Starkverschmutzer völlig überfordert ist.

Halten Sie nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts an Ihrer Behauptung fest, dass beim Thema Abwasser einzelne Unternehmen in Wegberg zu Lasten der Allgemeinheit bevorteilt werden nach dem Motto "Einer macht den Dreck, alle müssen zahlen"?

Lange Ja, eindeutig. Und das lässt sich nachprüfen. Alle Städte in Deutschland erheben Starkverschmutzerzuschläge, wenn ein Unternehmen mehr als 2000 bis 3000 Kubikmeter im Jahr Starkverschmutzungen einleitet. Die Firma Heinen leitet in Wegberg alleine rund 60.000 Kubikmeter ein, ohne Zuschläge zu zahlen. Und die Messungen der Einleitungen, die bei dem jeweiligen Starkverschmutzer laut Gesetz durchzuführen sind, hat laut Landeswassergesetz der Verursacher zu zahlen. Wegberg ist die einzige Stadt in Deutschland, die ihr Hoheitsrecht, was die Gebühren angeht, gegen die Interessenlage ihrer Bürger missbraucht. Warum? Weil man den seit Jahrzehnten bestehenden Schutz der Starkverschmutzer nicht beenden mag, welche Gründe es dafür auch immer gibt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts schreit wegen der Fehlerhaftigkeit und einer spürbaren Befangenheit nach einer Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster.

Ihre Klage wurde vom Verwaltungsgericht Aachen abgewiesen. Können Sie Ihren bisherigen Bemühungen trotzdem etwas Positives abgewinnen?

Lange Die Stadt führt jetzt doch seit Mitte des Jahres spezielle Messungen bei den Starkverschmutzern durch, die bis Ende November 2016 abgeschlossen sein sollen, so die Aussage beim Verwaltungsgericht, die auch im Protokoll zum Urteil festgehalten wurde. Ziel ist es, die Einführung von Starkverschmutzerzuschlägen zu "überdenken", wenn man es denn wirklich glauben will. Selbst diese Messungen müssten laut Gesetz von dem Verursacher bezahlt werden, da dort auch die Messungen durchgeführt worden waren oder noch werden. Die Stadt bestätigt letztlich hiermit ihren Betrug am Bürger und die Tatsache, dass selbst sie den Handlungsbedarf sieht, obwohl ja laut Aussage der Stadt bisher alles angeblich rechtmäßig durchgeführt worden ist.

MICHAEL HECKERS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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