Wegberg Die Volksvertreterin alter Schule

Wegberg · Mehr als 40 Jahre lang war Elke Lindt kommunalpolitisch tätig. Nach dem Ende der aktiven Ratsarbeit verfolgt sie das Geschehen nun aus der Distanz. Bürger aus ihrem alten Wahlbezirk bitten die 72-Jährige heute noch regelmäßig um Rat.

 25 Jahre lang war Elke Lindt (72) Mitglied des Stadtrates. Auch nach dem Ende ihres aktiven politischen Engagements besucht die Ehrenratsfrau regelmäßig die Mitarbeiter im Rathaus - und vertritt die Interessen der Bürger.

25 Jahre lang war Elke Lindt (72) Mitglied des Stadtrates. Auch nach dem Ende ihres aktiven politischen Engagements besucht die Ehrenratsfrau regelmäßig die Mitarbeiter im Rathaus - und vertritt die Interessen der Bürger.

Foto: Jürgen Laaser

Städtische Finanzen, Abwassergebühren, Baugebiete. Elke Lindt ist immer noch bestens im Thema. "Wie kann es sein, dass Familien mit Kindern in Wegberg 4,44 Euro pro Kubikmeter fürs Abwasser zahlen müssen und in der Nachbarstadt Erkelenz nur 1,91 Euro?", sagt sie und tippt energisch mit den Fingern auf die Tischplatte. Wenn es um Politik in ihrer Heimatstadt geht, ist die 72-Jährige immer noch mit Herz und Verstand bei der Sache - auch wenn sie nun seit über einem Jahr nicht mehr dem Stadtrat angehört.

Elke Lindt ist die einzige Ehrenratsfrau der Stadt Wegberg. Eine Volksvertreterin alter Schule, die jahrelang im Rathaus ein- und aus- und dabei keinem Konflikt aus dem Weg ging. Jemand aus dem Verwaltungsvorstand hat mal gesagt, Elke Lindt trage das Herz auf der Zunge. Wer die 72-Jährige kennt, weiß: In mehr als vier Jahrzehnten politischer Arbeit hat sie aus ihrem Herzen nie eine Mördergrube gemacht. "Wenn mir was nicht passt, dann sage ich das. Egal, wer vor mir steht", sagt sie. So einfach ist das.

Klare Kante zeigte sie nicht nur im Sitzungssaal des Wegberger Rathauses. Wenn es um Probleme der Bürger aus ihrem Wahlbezirk (Harbeck, Dorp, Berg) ging, war für Elke Lindt der "kurze Dienstweg" stets erste Wahl. Sie kümmerte sich, wenn die Wasserleitung auf dem Friedhof nicht funktionierte oder ein Schlagloch den Straßenverkehr gefährdete. Offizielle Anträge nach Paragraf 20 der Geschäftsordnungdes Rates der Stadt Wegberg waren nicht ihr Ding. In all den Jahren hat sie nur einen Einzigen gestellt, zum Baugebiet Kieroth. "Dauerte zu lange", sagt sie und winkt ab.

Auch das war die Ratsfrau Elke Lindt: Wenn andere aufgaben, war sie erst so richtig im Element. Als in den 1990er Jahren der Gestank der Kläranlage am Grenzlandring die Bürger in ihrem Wahlbezirk quälte, setzte sie sich monatelang mit wissenschaftlichen Untersuchungen auseinander, studierte Grenzwerte zu Sulfat und Chlorid, verbrachte Nächte auf dem Klärwerkgelände. Als sie im Wegberger Rathaus nicht mehr weiterkam, schaltete Lindt den damaligen Oberkreisdirektor Dr. Leo Thönnissen und Regierungspräsident Dr. Franz-Josef Antwerpes ein. Am Ende gingen auf ihre Initiative hin Umweltexperten der RWTH Aachen der Ursache für den Gestank in Harbeck auf den Grund.

Als Ratsmitglied erlebte Elke Lindt zwischen 1989 und 2014 die Bürgermeister Fritz Jakobs, Hedwig Klein und Reinhold Pillich (alle CDU). Reibungslos verliefen die Diskussionen mit Elke Lindt im Rathaus nur selten. "Damals war die politische Streitkultur in Wegberg aber eine ganz andere als heute", sagt sie rückblickend, "wir haben uns früher im Rathaus gestritten wie die Kesselflicker. Aber sobald wir draußen waren, war der Streit vergessen, und wir haben im Westend oder in der Burg alle gemeinsam ein Bier getrunken." Dann spielte die Farbe des Parteibuchs keine Rolle mehr. Bis heute pflegt Elke Lindt ihre guten Kontakte zu ehemaligen Ratsmitgliedern, auch über Fraktionsgrenzen hinweg. "Das habe ich mir nie nehmen lassen", sagt sie und lacht: "Fragen Sie doch mal den langjährigen Chef der roten Socken, Harald Kersten aus Klinkum."

Dass diese Form des Miteinanders im Rat nicht mehr praktiziert wird, bedauert die Ehrenratsfrau zutiefst. "Heutzutage sind die sich spinnefeind." Die gegenseitigen Anschuldigungen - zum Beispiel zum Thema Haushalt - helfen weder der Stadt noch ihren Bürgern weiter, meint Lindt. "Die sollen lieber mal raus auf die Straße gehen und den Bürgern zuhören."

Rausgehen und spüren, wo die Bürger der Schuh drückt, das hat Elke Lindt immer mit großer Leidenschaft getan. Und dafür wurde sie gewählt. Mit Ablauf der vergangenen Wahlperiode endete 2014 ihr langjähriges politisches Wirken im Stadtrat. Schluss gemacht mit ihrem Engagement für die Bürger hat Elke Lindt deshalb noch lange nicht. Regelmäßig besucht sie die Mitarbeiter im Rathaus - und vertritt dort die Interessen der Bürger. Denn im Hause Lindt klingelt immer noch häufig das Telefon, und die Ehrenratsfrau wird um Rat gefragt. Zum Beispiel, was man gegen die hohen Abwassergebühren in Wegberg tun kann - mehr als doppelt so teuer wie in Erkelenz, das könne doch nicht sein! Dann ist die Volksvertreterin alter Schule wieder im Element. Sie kümmert sich, redet Klartext. Egal, wer vor ihr steht. Typisch Elke Lindt.

(RP)
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