Wegberg Der Vater backte Brötchen, der Sohn lieber Ziegel

Wegberg · Josef Simons (89) hat das Ziegelei-Werk in Uevekoven groß gemacht. Nun erlebt der Seniorchef, wie die alten Fabrikmauern fallen.

 Fast täglich ist Josef Simons (89) auf dem früheren Ziegeleigelände in Uevekoven unterwegs. Fast 50 Jahre lang war er hier der Chef. 1939 hatte er die Ringofen-Ziegelei übernommen, später ausgebaut und an seinen Sohn übergeben.

Fast täglich ist Josef Simons (89) auf dem früheren Ziegeleigelände in Uevekoven unterwegs. Fast 50 Jahre lang war er hier der Chef. 1939 hatte er die Ringofen-Ziegelei übernommen, später ausgebaut und an seinen Sohn übergeben.

Foto: Michael Heckers

Die Zeiten ändern sich. Josef Simons weiß das. Der 89-Jährige ist fast jeden Tag hier. Vorsichtig geht er mit seinem Rollator über das alte Ziegeleigelände. Im Hintergrund legen zwei Bagger sein Lebenswerk in Schutt und Asche. "Ja, ein bisschen Wehmut ist schon dabei", sagt der rüstige Senior. "Aber es muss ja irgendwie weitergehen. Und es ist gut, dass sich hier endlich mal was tut."

 Die alten Gebäudeteile werden zurzeit abgerissen. Dort wird u.a. eine Tankstelle gebaut. Im Hintergrund steht das Uevekovener Wahrzeichen: der Wasserturm.

Die alten Gebäudeteile werden zurzeit abgerissen. Dort wird u.a. eine Tankstelle gebaut. Im Hintergrund steht das Uevekovener Wahrzeichen: der Wasserturm.

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Mit dem fortschreitenden Abriss der alten Ziegeleimauern geht in Uevekoven eine weit mehr als 100 Jahre alte Ziegelei-Tradition endgültig zu Ende. Mehr als 50 Jahre lang wurde sie von Josef Simons und seiner Familie geprägt. "Wir hatten früher einen Bischof in der Familie", sagt Josef Simons, "er predigte uns immer: bete und arbeite."

Ora et labora - diese Worte hat Josef Simons zu seinem Leitbild gemacht. Als er 1939 die Ringofen-Ziegelei von der Familie Symes übernahm, bestand die Produktionsstätte aus einem Ringofen, einer Presse und einem Trockenschuppen. 15 Beschäftigte stellten damals - vor allem während der Sommermonate - zwei Millionen Ziegel pro Saison her. Josef Simons betrat damals Neuland. Sein Vater war Bäcker, litt aber unter der Bäckerkrankheit (Mehlstauballergie) und konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben. Statt Brötchen backte der Sohn Josef dann Ziegel.

Familie Simons wirtschaftete in den folgenden Jahren erfolgreich. Stück für Stück wurde das Uevekovener Werk ausgebaut und modernisiert. Die Gebäudeteile, die jetzt abgerissen werden, entstanden nach und nach zwischen 1960 und 1980. In seinen besten Zeiten beschäftigte das Unternehmen mehr als 100 Mitarbeiter, "und zwar im Drei-Schichten-Betrieb", wie Simons weiß. Mit bis zu zwölf Fernlastzügen lieferte Simons in viele Länder. Bemerkenswert, wie leicht es dem Seniorchef auch heute noch fällt, die wesentlichen Ereignisse der Unternehmensgeschichte rückblickend mit den entsprechenden Jahreszahlen zu verknüpfen.

Als sein Unternehmen 1989 das 50-jährige Bestehen feierte, verließen im Zwei-Schichten-Ganzjahresbetrieb rund 35 Millionen Klinker das Werk. Einige Jahre zuvor hatte Josef Simons den Betrieb an seinen Sohn übergeben, der ebenfalls Josef heißt.

Das Simons-Werk war zwischenzeitlich mit modernsten Fertigungsanlagen, leistungsfähigen Pressen, vollautomatischen Trockenanlagen und Tunnelöfen ausgestattet worden. So konnte Simons eine umfangreiche Palette an Ziegeln produzieren: von rustikalen, bunten und weißen Klinkern für den Hausbau über großformatige Produkte für den öffentlichen und Industriebau bis hin zu Pflasterklinkern - über die beispielsweise die Wegberger bis heute in ihrer Fußgängerzone flanieren.

1990 wurde Simons von der niederländischen Redland-Gruppe übernommen. Danach verschwand der Name Simons-Klinker, wie das Uevekovener Werk im Volksmund genannt wurde. Nach weiteren Firmenwechseln landete das Werk 1997 bei der Wienerberger Ziegelindustrie GmbH. Doch die schwierige Lage am Bau ließen weiterhin nicht Gutes für den Standort Uevekoven erwarten. 2003 wurde das Werk endgültig geschlossen. 35 Mitarbeiter waren betroffen, darunter viele, die der Produktionsstätte im Schatten des Wasserturms jahrzehntelang die Treue gehalten hatten.

In den Folgejahren verfiel die Industriebrache mehr und mehr. Hochtrabende Pläne eines niederländischen Investors, der ein Fünfsterne-Hotel inklusive Wohnanlage auf dem Gelände bauen wollte, zerschlugen sich schnell. Heute gehört das 165 000 Quadratmeter große Areal dem niederländischen Unternehmer Geert Bloem aus Panheel bei Roermond. Er erwarb das Areal im November 2014 bei einer Zwangsversteigerung für 800 000 Euro. Zurzeit werden die alten Industriehallen abgerissen. Auch das Wohnhaus auf dem Gelände - es war übrigens das Elternhaus von Josef Simons - wurde in der vergangenen Woche abgerissen. Auf dem Gelände sollen eine Tankstelle und mehrere kleinere Firmenhallen entstehen. Außerdem möchte ein Wegberger Taxiunternehmen seine Zentrale nach Uevekoven verlegen. Das Unternehmen Westenergie und Verkehr hat eine rund 5000 Quadratmeter große Fläche reserviert, um dort bis zu 30 Busse abstellen zu können.

In wenigen Tagen, am 16. Oktober, feiert Josef Simons seinen 90. Geburtstag. Bürgermeister Michael Stock hat seinen Besuch angekündigt, um dem früheren Firmenchef zu gratulieren. Seit 1970 wohnt Josef Simons in dem weißen Haus direkt neben dem ehemaligen Ziegeleigelände. "Die Türe da habe ich damals einbauen lassen, damit ich schneller im Betrieb war", sagt Josef Simons und zeigt auf ein Tor an der Grundstücksgrenze seines gepflegten Anwesens. Von dort aus wird der weißhaarige Senior ganz sicher auch mit 90 Lebensjahren genau beobachten, was sich auf dem Gelände nebenan entwickelt. Da, wo früher mal sein Lebenswerk stand.

(RP)
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