Serie 120 Jahre Heimatverein (teil 1) Wassenberg zu einem Juwel machen

Erkelenz · Der Name war Programm: Am 23. Oktober 1897 wurde der "Verschönerungsverein" ins Leben gerufen. Es ging nicht nur um Heimatpflege und -forschung. Der Verein setzte sich auch aktiv für die Entwicklung des Luftkurortes ein.

 Die Graf-Gerhard-Straße in den 1930-er Jahren. Das vierte Haus von links mit Freitreppe ist das Forckenbeck-Haus. An Oskar von Forckenbeck, Gründer des Zeitungsmuseums Aachen, erinnert eine Tafel.

Die Graf-Gerhard-Straße in den 1930-er Jahren. Das vierte Haus von links mit Freitreppe ist das Forckenbeck-Haus. An Oskar von Forckenbeck, Gründer des Zeitungsmuseums Aachen, erinnert eine Tafel.

Foto: Heimatverein

WASSENBERG "Der Heimatverein war immer eine gesellschaftliche Kraft. Er hat viele Anstöße für die Entwicklung Wassenbergs gegeben. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wurden kommunalpolitische Initiativen auch gegenüber Oberbehörden, wie die Reparatur von Brücken, vom Heimatverein entwickelt, in dem die Politiker der Parteien mitwirkten. An den 120 Jahren seines Bestehens sind darüber hinaus gesellschaftspolitische Entwicklungen abzusehen." Sepp Becker, Vorsitzender des Heimatvereins Wassenbergs, macht im Gespräch mit unserer Redaktion deutlich, dass sich seine Gemeinschaft nie auf Heimatforschung und -darstellung reduziert hat. Das wurde eigentlich auch am Namen deutlich - schließlich wurde der Verein am 23. Oktober 1897, einem Samstag, als "Verschönerungsverein" ins Leben gerufen, Name als Programm. Vollends wird die Zielsetzung deutlich, wenn man dem Gründungsjournal die Gründernamen entnimmt, da wimmelt's von Personen und Unternehmen, die aufgrund ihrer Funktionen an einer positiven Entwicklung größtes Interesse hatten, haben mussten.

Das Gründungsjournal führt an erster Stelle das Textilunternehmen Krahnen und Gobbers, kein Eigengewächs, sondern aus Krefeld immigriert, es zahlt den mehr als üppigen Jahresbeitrag von 400 Goldmark. Je nach Kaufkraftberechnung heute bis zu 4000 Euro wert.

Was war das für ein Wassenberg, das die "Honoratioren" im prallen 2. deutschen Kaiserreich verschönern wollten am Ende des 19., an der Schwelle des turbulenten 20. Jahrhunderts? Ein Gründungsmitglied, Notar und Rechtsanwalt Wilhelm Weisweiler, lieferte eine Beschreibung, eine Erklärung, eine Liebeserklärung an Wassenberg und seinen Raum, die eigentlich eine "Verschönerung" überflüssig machen müsste. Dass der Verein das nicht so sah, verdankt Wassenberg Vorreiterfunktion mit erstem Schwimmbad, Parkgestaltung, Jugendherberge, "Luftkurort", der einzige im Raum.

Wilhelm Weisweiler: "Schmuck und aufgeräumt, leise und stimmungsvoll die kleine Stadt am Burgberg. Mehr idyllisch als aufgeregt. Die Straßen sind propper, die Dürpel (Haustürtreppchen) blitzblank, die Hausfassaden gepflegt und begrünt, die Fensterläden gestrichen, zwischen den Steinen vor den Häusern wächst kein Unkraut. Der Ortskern berührt mich anheimelnd in seiner stillen Ausgeglichenheit. Alles strahlt Entspannung aus und draußen die Wälder sind von kluger Försterhand ausdauernd betreut, die Waldwege fest, die Ufer der Gewässer fast überall befestigt und gesäubert. Gemütliche Bänke laden zum Verweilen ein. Burg und Kirche betonen den Stolz der Silhouette. Die Einwohner lieben ihre Stadt."

"Was vorgefallen ist, wissen wir nicht, Tatsache ist aber, dass Wilhelm Weisweiler den Verschönerungsverein verlassen hat", zeigt Sepp Becker in das originale Mitgliederverzeichnis, in dem hinter dem Gründer-Namen Wilhelm Weisweiler steht: "In 1898 ausgetreten", nach einem Jahr also bereits.

Stand Weisweiler an sechster Stelle der Mitgliederliste, belegte mit dem jüdischen Kaufmann Simon Heumann der eigentliche Initiator des Verschönerungsvereins Platz neun. Der gebürtige Wassenberger Professor Dr. Heribert Heinrichs, Autor des Großwerks "Wassenberg", ermittelte, dass am 17. März 1897, einem Mittwoch, im Stadthaus des Burgbesitzers Oskar von Forckenbeck eine erste Sitzung stattgefunden hat. Forckenbeck, Gründer des Zeitungsmuseums in Aachen, schreibt dazu in einem Brief: "Heumanns Initiative ist vortrefflich. Wir können Wassenberg zu einem Juwel machen. Alle Voraussetzungen sind gegeben." Forckenbeck, der mit dem Zeitungsmuseum auch der Begründer der Medienwissenschaft war, zeigte auch hier den Blick für die Zukunft. Schließlich stellte Sepp Becker kürzlich bei der Eröffnung der Ausstellung über den runden Vereinsgeburtstag fest: "Wassenberg ist schöner geworden."

(isp)
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