Wassenberg Treffpunkt der feinen Leute

Wassenberg · Haus Alt Holland, Ende des 19. Jahrhundertes als Wald-Hotel gegründet, erlebte eine Geschichte als Hotel, Tanzlokal, Lazarett, Militärkommandantur.

 Aus einer Waldwirtschaft wurde Ende des 19. Jahrhunderts das Wald-Hotel und spätere Gästehaus Alt Holland der Seidenweberei Krahnen & Gobbers. Etliche alte Postkarten aus der Sammlung von Sepp Becker vom Heimatverein Wassenberg zeigen das bekannte Hotel-Restaurant im "Luftkurort Wassenberg".

Aus einer Waldwirtschaft wurde Ende des 19. Jahrhunderts das Wald-Hotel und spätere Gästehaus Alt Holland der Seidenweberei Krahnen & Gobbers. Etliche alte Postkarten aus der Sammlung von Sepp Becker vom Heimatverein Wassenberg zeigen das bekannte Hotel-Restaurant im "Luftkurort Wassenberg".

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Die aktuelle Ausstellung im Wassenberger Bergfried über die Seidenweberei Krahnen & Gobbers blättert auch ein interessantes Kapitel Sozialgeschichte der Stadt auf, zusammenhängend mit reger Bautätigkeit von Werkswohnungen und der Entwicklung der Wassenberger Oberstadt.

 Eindrücke von Haus Alt Holland - dessen charakteristischer Namenszug noch heute auf dem Gebäude an der Erkelenzer Straße zu lesen ist - kurz vor und nach dem Krieg. Heimatvereinsvorsitzender Sepp Becker, einige Jahre jünger als Karl Lieck, erinnert sich daran, als kleiner Junge nach dem Krieg mit Freunden die feinen Damen in ihren Abendkleidern bewundert zu haben. "Wir haben uns um die Fenster herumgeschlichen. Das war für uns damals eine andere Welt." Das Restaurant besaß gediegene Gasträume, eine Terrasse und einen Festsaal, dessen Flucht am Eingangsweg zum Judenbruch immer noch erkennbar ist.

Eindrücke von Haus Alt Holland - dessen charakteristischer Namenszug noch heute auf dem Gebäude an der Erkelenzer Straße zu lesen ist - kurz vor und nach dem Krieg. Heimatvereinsvorsitzender Sepp Becker, einige Jahre jünger als Karl Lieck, erinnert sich daran, als kleiner Junge nach dem Krieg mit Freunden die feinen Damen in ihren Abendkleidern bewundert zu haben. "Wir haben uns um die Fenster herumgeschlichen. Das war für uns damals eine andere Welt." Das Restaurant besaß gediegene Gasträume, eine Terrasse und einen Festsaal, dessen Flucht am Eingangsweg zum Judenbruch immer noch erkennbar ist.

Foto: Archiv des Heimatvereins

Eine besondere Rolle spielte Haus Alt Holland für das gesellschaftliche Leben der Stadt vor und kurz nach dem Krieg. Wassenbergs Heimatkundler Karl Lieck hat für die Ausstellung sein Wissen über Alt Holland zusammengetragen. Das Haus war schon bevor 1894 die Seidenweberei in der unteren Fabrik an der Erkelenzer Straße ihren Betrieb aufnahm, als "Wald-Hotel" in Besitz der Geschwister Graab bekannt - als "Treffpunkt der besseren Gesellschaft", wie es Heribert Heinrichs in seiner Wassenberg-Chronik ausdrückt.

Wassenberg: Treffpunkt der feinen Leute
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1920 kaufte Krahnen & Gobbers das Hotel als Gästehaus für Geschäftspartner. 1928, so schreibt Lieck in einem Aufsatz über die Geschichte des Hauses, wird das Waldhotel total umgebaut und erweitert zu einem damals hochmodernen Kurhotel. Presseberichte von der Eröffnung schreiben von mehreren Tausend Gästen aus nah und fern und den Niederlanden und vielen Automobilen, aus denen vornehme Herrschaften stiegen. Kein Wunder: Hatte doch die Fabrik ihre Wurzeln am Niederrhein in Krefeld und zog entsprechend Publikum an. Und Wassenberg legte Wert auf den Zusatz Luftkurort, der auch auf alten Postkarten von Alt Holland zu lesen ist.

Wassenberg: Treffpunkt der feinen Leute
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Lieck erlebte als Kind in den 1930er Jahren den Parkplatz neben dem Hotel oft voller schwarzer Luxuslimousinen. Ein damals bekanntes Original, Heinrich Jansen, "fungierte, mit grauer Uniform ausgestattet, als Parkplatzwächter, und die Fahrer polierten die Wagen ihrer Herrschaften. Für uns Kinder war all dies höchst interessant".

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Im September 1944 wurde die Stadt Frontgebiet, aus den Hotelräumen wurde ein Hauptverbandsplatz für verwundete Soldaten der Rur-Front, der in enger Kooperation mit dem Lazarett im Marienhaus im Judenbruch stand. Liecks Aufsatz zitiert auch Zeitzeugen wie den früheren Wassenberger Stadtdirektor Walter Windeln, der Hilfsdienste an beiden Lazarettplätzen leistete. Eine weitere Station seiner wechselvollen Geschichte erlebte Haus Alt Holland nach dem Einzug alliierter Truppen in Wassenberg am 28. Februar 1945. Das Haus wurde Militär-Kommandantur, die das öffentliche Leben regelte, über Sperrstunden wachte und Betriebserlaubnisse aussprach.

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Karl Lieck: "Gerne erinnere ich mich an die Kantine (Messe) für die britischen Soldaten, die sich kurz nach Kriegsende in den Restaurant-Räumen befand. Die Tommys, wie wir sie nannten, waren uns Kindern gegenüber meist großzügig. Wenn sie gut gelaunt waren, bekamen wir Kaugummis oder auch schon mal Schokolade. Zigarettenkippen, die die Soldaten wegwarfen, waren für uns sehr begehrt, denn aus drei Kippen konnte man eine Zigarette drehen, die wir für drei Reichsmark (RM) verkaufen konnten. Vor der Kantine standen oft Lieferwagen mit Lebensmitteln für die Küche. Die mutigeren Kinder versuchten, etwas vom Wagen zu stibitzen, denn Hunger war unser steter Begleiter."

Nach Kriegsende war Alt Holland Quartier der Sprengkommandos, die in Wassenberg und Umland viele Minen aufspürten und sprengten. "Von diesen Minensuchern ließen sich viele in der Stadt nieder, etliche arbeiteten später auf dem Wildenrather Flughafen", berichtete Lieck.

Ende der 40er Jahre wurde Alt Holland wieder Gaststätte und Veranstaltungssaal. 1947 hielt dort die Karnevalsgesellschaft "Nü-Wasseberch" ihre erste Kostümsitzung, später die KG Kongo. Auch der Theaterverein "Bühnenfreunde" aus der Oberstadt gab ab 1947 in Alt Holland seine Vorstellungen.

Lieck: "Allmählich entwickelte sich Alt Holland wieder zum Nobel-Restaurant, Treffpunkt der ,besseren' Gesellschaft. Man sah wie vor dem Krieg die Nobelkarossen von nah und fern, auf der Stahl-Tanzfläche schwang man das Tanzbein, oft auf dem Klavier begleitet von Heribert Heinrichs, dem späteren Ehrenbürger unserer Stadt." Die Theaterbühnen Aachen und Neuss gastierten hier. Der Tennis-Club Blau-Weiß veranstaltete seine Bälle.

1958 wurde der Restaurantbetrieb eingestellt. In die Räume zog eine Näherei, später wurde das derzeit leider leerstehende Haus zu Wohnungen umgebaut.

(RP)
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