Wassenberg Niederländer aktiv für die neue Heimat

Wassenberg · Johan Gielen kam erst nach seinem Umzug nach Wassenberg zum Interesse an der Heimatkunde, engagiert sich im Heimatverein. Das schafft Vertrautheit, sagt er.

 Johan Gielen in der von ihm maßgeblich konzipierten Ausstellung zur Webereigeschichte Wassenbergs, die zurzeit im Bergfried zu sehen ist.

Johan Gielen in der von ihm maßgeblich konzipierten Ausstellung zur Webereigeschichte Wassenbergs, die zurzeit im Bergfried zu sehen ist.

Foto: Laaser

Geschichtskenntnis, Geschichtsinteresse, Teilnahme an entsprechenden (Heimat-)Vereinen und Veranstaltungen - alles was für die ältere Generation? Das ist nicht von der Hand zu weisen. Die Gründe sind sehr differenziert. Dass es schwierig ist, ganz junge Leute an die Lokal-, die Heimatgeschichte heranzuführen, das erlebte nun Johan Gielen vom Heimatverein Wassenberg bei einer Schülerführung durch die von ihm zusammengestellte Schau zur Geschichte der Wassenberger Webereiindustrie im Bergfried der Burg.

Im Rahmen eines klassenübergreifenden "Ergänzungsstunden"-Angebots der Jahrgangsstufe 9 der Betty-Reis-Gesamtschule, das sich mit der Entwicklung Wassenbergs seit dem 19. Jahrhundert befasst, waren gut 20 Schülerinnen und Schüler die 113 Treppenstufen zum Bergfried aufgestiegen, um einen Teil der Industriegeschichte aus erster Hand zu erfahren. Und das Interesse am Vortrag des Vaters zweier Töchter von sieben und neun Jahren war ausgesprochen unterschiedlich ausgeprägt. Das liegt auch daran, dass inzwischen auch Grundschulen nicht mehr unbedingt im eigenen Schüler-Ort liegen.

Der 42-jährige Maschinenbauingenieur und Informatiker Johan Gielen über seine eigenen Erfahrungen: "Als Schüler in dem Alter hat mich der Geschichtsunterricht überhaupt nicht interessiert. Ich bin als in Maasbracht bei Roermond Aufgewachsener erst in Wassenberg zum Interessenten an Geschichte und Heimat geworden. Und Heimat ist da, wo man sich wohlfühlt. Ich fühle mich seit acht Jahren in Wassenberg sehr, sehr wohl!" Er kam als "Fremder" und hat sich reingelebt in seine neue Heimat.

Friseursalons sind traditionell "die" Informationsbörse vor Ort, auch Tauschbörse für Klatsch und Tratsch. Für Johan Gielen war sein Wassenberger Friseur derjenige, der ihn über die interessante Geschichte des Städtchens an der Rurterrasse anfütterte, die sich in zahlreichen Bauten der verschiedensten Jahrhunderte und entsprechender Baustile nachvollziehen lassen. Praktischer Anschauungsunterricht, der Johan Gielen aufmerksam machte vor allem für die Zeugnisse des Webereihandwerks und der -industrie, dem Heimatverein beizutreten und mit dessen Hilfe die noch bis Jahresende laufende Ausstellung einzurichten und Führungen anzubieten, waren dann logische Folgen. Er hat sich reingearbeitet in seine neue Heimat.

Die Arbeit daran hat ihm allerdings auch die Grenzen aufgezeigt, die vielen Menschen gerade seiner Altersstufe für Ehrenämter gesetzt werden durch berufliche und privat-familiäre Beanspruchungen und Eingebundenheit. Ehefrau, eine Deutsche, und die Töchter sollen etwas von Ehemann und Vater "haben". Der Beruf fordert täglich rund zwölf Stunden mit An- und Rückreise nach und von Venlo, Arbeitgeber ist dort das niederländische Unternehmen "Océ", einem seit 1877 existierenden Hersteller von Druckmaschinen und Druckern, bis vor wenigen Jahren noch ein Familienbetrieb aus Venlo, weltweit mit 24.000 Mitarbeitern. Sehr gute Arbeitsbedingungen, ebensolche Sozialbedingungen, denen Johan Gielen seit 17 Jahren treu ist, im Wortsinn, die den Begriff der "beruflichen Heimat" voll rechtfertigen. Und dass das Unternehmen vom japanischen Riesen Canon 2010 übernommen worden ist, traf die Zustimmung des Großteils der Océ-Belegschaft. Die Globalisierung forderte eine neue starke Über-Heimat - und da war man froh, dass es kein US-amerikanisches Unternehmen war. Heimat sei Vertrautheit auch im beruflichen Sinn, sinniert Gielen, Globalisierung Verlust an Vertrautheit. Kapital- und Warenströme brauchen Konten und Schifffahrtswege, keine Heimat. Gielen denkt über Verbesserungen in der Heimatvereinsarbeit nach. Er sieht Möglichkeiten, Veranstaltungen/Ausstellungen mit Bewirtung zu verbinden und den Kontakt mit anderen Vereinen zu vertiefen wie der Museumsgruppe Orsbeck-Luchtenberg, die eine aktive Jugendgruppe hat. Museumsvereine in Hückelhoven, weiß Johan Gielen, bieten Veranstaltungen und Führungen mit Speisen und Getränken an. Das fördert Kommunikation, Vertrautheit - Heimatgefühl.

(isp)
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