NRW Immer mehr Städte verbieten Zirkusse mit Wildtieren

Viersen · Elefanten, Flusspferde, Robben und Affen: In immer mehr Städten sind Zirkusse mit Wildtieren unerwünscht, in NRW etwa in Viersen, Köln und Siegen. Der Tierschutzbund begrüßt die Entwicklung, fordert aber ein generelles Tierhaltungsverbot.

 Eine Elefantendressur wie im "Zirkus Krone" soll es in Viersen nicht mehr geben.

Eine Elefantendressur wie im "Zirkus Krone" soll es in Viersen nicht mehr geben.

Foto: dpa/Kochetkov

Ein winterlicher Besuch im Zirkus hat Heinz Plöckes ernüchtert. Damals, vor zwei, drei Jahren, musste der Viersener SPD-Ratsherr mitansehen, wie Raubtiere bei minus zehn Grad im Käfig froren. "Die sind doch eigentlich tropische Temperaturen gewohnt", sagt Plöckes. "Da habe ich angefangen, mich sachkundig zu machen." Ergebnis: Der Viersener Rat hat sich vor kurzem mit breiter Mehrheit dafür ausgesprochen, Zirkussen mit Wildtieren keine kommunalen Flächen mehr bereitzustellen. Darunter fallen etwa Elefanten, Flusspferde, Robben und Affen, aber auch, und darauf ist Plöckes besonders stolz, Raubtiere. Viersen geht damit einen Schritt weiter als viele andere Städte, liegt aber mit dem Beschluss im Trend - in bundesweit mehr als 30 Kommunen (in NRW etwa Köln, Siegen und Paderborn) sind Zirkusse mit Wildtieren unerwünscht.

Der Deutsche Tierschutzbund begrüßt zwar die Entwicklung, möchte aber die Haltung von Wildtieren in Zirkussen generell verboten sehen. Unterbringung und Lebensbedingungen der Tiere seien oft nicht artgerecht, sagt Lea Schmitz, Sprecherin des Tierschutzbundes. "Zirkusse sind Wanderbetriebe, die bis zu 50 Mal im Jahr den Standort wechseln", erklärt Schmitz. "Die Tiere werden in Lkw verfrachtet, sie müssen mit wenig Platz auskommen und stehen oft auf Beton." Elefanten etwa lebten in Freiheit in komplexen Sozialgefügen, während sie im Zirkus häufig allein gehalten würden. Dazu würde bei vielen Dressurmethoden der Wille der Tiere gebrochen.

Dem widerspricht der Berufsverband der Tierlehrer, in dem auch viele Dompteure organisiert sind. Die Haltung von Zirkustieren sei in Deutschland sehr gut geregelt, sagt Sprecher Frank J. Keller. Es müssten Nachweise für den richtigen Umgang mit den Tieren erbracht werden, es gebe regelmäßige amtstierärztliche Untersuchungen, Missstände würden ins Zirkus-Zentralregister eingetragen und nachkontrolliert. "Natürlich gibt es wie in jeder Branche schwarze Schafe", sagt Keller. "Aber man zieht wegen ein paar Verkehrsrowdys auch nicht gleich alle Führerscheine ein."

Dem Vorgehen der Städte begegnet der Verband "ganz gelassen". Das Verbot sei nicht rechtens, in Darmstadt und Chemnitz hätten Zirkusse bereits erfolgreich geklagt. Die Argumentation: Tierlehrer würden an der Ausübung ihres Berufes behindert, das verstoße gegen die im Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit. Keller: "Eine weitere Möglichkeit ist, auf einen privaten Platz auszuweichen."

Dompteur kuschelt mit weißem Löwen
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Der Stadt Viersen ist das Rechtsrisiko bekannt. "Das haben wir ganz bewusst in Kauf genommen", sagt Willi Zerres, Abteilungsleiter im Liegenschafts-Amt. So könnten Zirkusse, die Jahr für Jahr auf derselben Fläche stehen, unter Umständen ein Gewohnheitsrecht für sich in Anspruch nehmen. Einen festen Zirkusplatz habe die Stadt aber ohnehin nie ausgewiesen, sondern wechselnde, kleinere Standorte. Zerres: "Uns ging es um die Signalwirkung, dass die Stadt die Haltung von Wildtieren in Zirkussen, besonders auch die von Raubtieren, nicht gutheißt." Die Betriebe, die mit domestizierten Arten wie beispielsweise Pferden, Hunden oder Hauskatzen arbeiten, sind weiter in Viersen willkommen.

Eine Unterscheidung, die Keller vom Tierlehrer-Verband in Frage stellt. In Zirkussen habe man es grundsätzlich nicht mit Wildtieren zu tun, weil diese teils Jahrzehnte dort gehalten würden. Für Tierschützerin Lea Schmitz ist aber gerade das auch ein Problem. Tiere im Zirkus würden sich nicht fortpflanzen, es handele sich fast ausschließlich um Wildfänge. "Der Artenschutzgedanke kommt also auch nicht zum Tragen", so Schmitz. Sie sieht die Bundesregierung gefordert, entsprechende Verbote zu erlassen. In der Bevölkerung sei schon ein Umdenken zu spüren. Schmitz: "Früher ging es nur um die schöne Dressur, heute wird den Menschen immer bewusster, was das für die Tiere bedeutet."

"Circus Probst" gastiert in Neuss
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Andererseits verlangt das Publikum laut Keller nach dressierten Tieren. Die meisten Zirkusse könnten auf diese zugkräftigen Angebote nicht verzichten. Keller: "Natürlich müssen sich diese Betriebe dann auch der Verantwortung den Tieren gegenüber bewusst sein."

(RP)
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