Brüggen Wolle braucht ein Entspannungsbad

Brüggen · Claudia Holthausen spinnt für ihr Leben gern. Aus ihrer Leidenschaft für Spinnrad und Wolle ist die Handspinnerei "Boerholzer M-ä-hhh-Werk" entstanden. An "wolligen Montagen" wird dort gestrickt, gehäkelt und geklönt.

 Claudia Holthausen liebt die Arbeit mit der Wolle. Sie wählt die Rohwolle aus, wäscht sie und färbt sie. Die Verarbeitung des Naturprodukts ist zeitintensiv, aber auch entspannend, findet die Boerholzerin.

Claudia Holthausen liebt die Arbeit mit der Wolle. Sie wählt die Rohwolle aus, wäscht sie und färbt sie. Die Verarbeitung des Naturprodukts ist zeitintensiv, aber auch entspannend, findet die Boerholzerin.

Foto: Franz-Heinrich Busch

"Herzlich willkommen Spinnstube" ist auf der weißen Tür zu lesen. Und kaum dass die Tür aufgeht, hat man wirklich den Eindruck, in einer Spinnstube zu stehen. Das liegt nicht nur an den Spinnrädern, die im Wohnzimmer und Wintergarten der Familie Holthausen stehen. Es gibt Körbe mit Wolle, handgefärbte Kammzüge hängen an Holzgestellen, Handgestricktes ist zu sehen. Säcke mit gewaschener Wolle stehen neben der Couch. "Das Wohnzimmer ist irgendwie mein Arbeitsbereich geworden. Hier sitzen mein Mann Thomas und ich abends und spinnen", verrät Claudia Holthausen und fügt mit einem Lächeln an, dass sie ihren Mann mit der ihrer Spinnleidenschaft infiziert habe.

Diese Leidenschaft packte sie selbst vor vier Jahren. "Die Nachbarn hatten sich Schafe angeschafft, meine Nachbarin meldete sich zu einem Spinnkurs an. Sie fragte mich, ob ich mitgehen wollte. Ich packte Omas altes Spinnrad ein und ging mit", erinnert sich Claudia Holthausen. Omas Erbe entpuppte sich als nicht mehr einsatzfähiges Flachsspinnrad, aber da war alles schon zu spät. Die Boerholzerin war vom Spinnvirus befallen. Das erste Spinnrad wurde gekauft, es folgten weitere Kurse und das Studieren von Fachliteratur. 2013 gründete die 43-Jährige ihre Handspinnerei, das Boerholzer M-ä-hhh-Werk.

"Ich habe einen Scherer, der mich anruft, wenn er bei der Arbeit ist. Ich fahre dann hin und gucke mir die Rohwolle vor Ort an", berichtet Holthausen. Wolle ist nämlich nicht gleich Wolle. Es kommt unter anderem auf die Rasse und Haltung an.

Bevor mit der Rohwolle gearbeitet werden kann, muss sie gewaschen werden, um Schmutz und Fett herunterzuholen. Holthausen spinnt die Wolle nicht nur, sie färbt auch - und das mit Farben aus der Natur. Eine zeitintensive Arbeit, die sich lohnt, wenn man die Ergebnisse betrachtet. Fürs Färben muss das Haar aufgebrochen werden, damit es Farbe annehmen kann, die sogenannte Beize. Die Boerholzenerin arbeitet mit Kaltbeize in Form einer Ameisensäure. Zwiebelschalen, Färberdistelblüten, Efeu, Birkenblätter, Löwenzahn, grüne Walnussschalen und Brenneseln sind danach nur einige Möglichkeiten, um Farbe zu erhalten. Aber egal, was es ist, es muss ein Sud hergestellt werden, der mit der Wolle gekocht wird. "Die Wolle wird dann mit Neutralseife gespült. Wichtig ist hier, dass es in der gleichen Temperatur geschieht, wie das eigentliche Färben. Danach fängt das Abstufen um jeweils zehn Grad an, bis man mit kaltem Wasser spült und im letzten Spülgang Essig zum Fixieren dazu gibt", erklärt Holthausen. Weiter geht es mit der Trommelkarde. Je nach ihren Ideen vermischt sie hier die Wolle unterschiedlichster Arten und Farben, wobei auf der Karde die Fasern parallelisiert werden und das Ergebnis ein Batt ist, wie der kardierte Wollfilz heißt. Das ist für das spätere Spinnen unabdingbar.

Ist die Trommelkarde im Handbetrieb, ist nur das gleichmäßige Bürstgeräusch im Wohnzimmer zu hören, beim Spinnrad hingegen hört man das harmonische Geräusch der Fußpedale und des Rades. "Spinnen ist einfach entspannend", bemerkt Holthausen, die gerade den Anfangsfaden der Spule mit dem Batt zusammenbringt. Kaum ist das Spinnrad angetreten, greift der Faden die Fasern vom Wollfilz auf, den Holthausen in den Händen hält und von dem sie immer wieder etwas abzupft. Durch das Drehen kommt letztendlich der neue Faden zustande.

Fertig fürs Stricken ist das Naturprodukt dann aber noch nicht. Erst wenn mehrere Fäden im Anschluss verzwirnt werden, die Wolle ihr "Entspannungsbad" genommen hat und luftgetrocknet ist, kann es ans Stricken gehen. "Durch das Entspannungsbad wird das Material plüschiger. Ich tauche sie dafür vorsichtig in handwarmes Wasser. So entweicht die Luft aus den Fasern, die Wolle entspannt. Es folgt das Ausdrücken. Danach geht es in Omas Schleuder und an den Besenstiel", erklärt Holthausen. Am Besenstiel hängend trocknet sie nämlich ihre Wollstränge.

Der Rest obliegt dann einer Strickerin, die mit Nadeln aus dem, was einst Schaf oder Alpaka wärmte, Pullover und Socken macht.

(tref)
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