Frank Gellen "Wir hoffen auf die Vernunft der Bürger"

Viersen · Heute findet in Brüggen eine Bürgerversammlung zum Wohnungsbau für Flüchtlinge statt. Bürgermeister Frank Gellen erklärt, warum die Gemeinde dringend bauen möchte und weshalb sie die Bürger nicht früher beteiligte

Frank Gellen: "Wir hoffen auf die Vernunft der Bürger"
Foto: Busch Franz-Heinrich sen.

Brüggen Nachdem sich der Rat in nichtöffentlicher Sitzung dafür aussprach, den Spielplatz an der Ecke Lindenweg/Buchenweg in Brüggen mit einem Mehrfamilienhaus zu bebauen, in dem zunächst Flüchtlinge untergebracht werden sollen, kochten die Wogen hoch. Die Gemeinde hat nun zu Bürgerveranstaltungen eingeladen: Am Montag geht es im Pfarrzentrum St. Nikolaus um die Pläne für Brüggen, am Mittwoch wird im Haus Schleveringhoven über die Pläne für Bracht gesprochen. Bürgermeister Frank Gellen (CDU) erklärt, warum die Gemeinde bauen will und warum Bürger nicht früher eingebunden wurden.

Wie sieht die Situation der Flüchtlinge derzeit aus?

Frank Gellen Derzeit leben in der Gemeinde Brüggen 327 Flüchtlinge, damit sind wir genau im Soll. Wir erfüllen die Quote zu 100 Prozent. Insgesamt hätten wir Platz für 354 Menschen, dann sind unsere Kapazitäten erschöpft. Anders als in anderen Kommunen haben wir keine Industriebrachen, die wir nutzen könnten. Die Bebauung besteht überwiegend aus Einfamilienhäusern.

Die Flüchtlinge, die jetzt da sind, haben alle eine Unterkunft. Warum wollen Sie neu bauen?

Gellen Weil 237 Menschen in provisorischen Unterkünften leben. Sie wohnen in Gemeinschaftsunterkünften, zum Beispiel in der alten Landesjagdschule, an der Stiegstraße, an der St.-Barbara-Straße und am Bernhard-Röttgen-Waldweg. Sie leben dort lange Zeit in einer Art und Weise, die man anderswo nur in einer Durchgangssituation hat. Dort teilen sich vier Menschen einen Raum von wenigen Quadratmetern. Es ist klar, dass eine solche Unterbringung zu Spannungen führt und langfristig zu sozialen Problemen. Deswegen wollen wir nachhaltig bauen. Das heißt, dass völlig normale und optisch ansprechende Mehrfamilienhäuser gebaut werden sollen, die nur zu Beginn von Flüchtlingen bewohnt werden und die später als bezahlbare Wohnungen für alle zur Verfügung gestellt werden. Wir geben im Augenblick viel Geld für diese Provisorien aus. Geld, das man besser nutzen könnte. Um eine gleichmäßige Verteilung zu erreichen, planen wir für jeden Ortsteil zwei Gebäude - mit Blick auf die Einwohnerzahl und die umgebende Bebauung in Brüggen und Bracht etwas größer, in Born kleiner. Dort stellen wir uns eher Reihenhäuser vor, die sich optisch nicht von der Bebauung rundum abheben.

Wie kam die Idee, einen Spielplatz zu bebauen, überhaupt zustande?

Gellen Die Verwaltung hatte vom Rat den Auftrag erhalten, für Gebäude, in denen zunächst Flüchtlinge untergebracht werden sollen, Standorte und Investoren zu suchen. Wir haben eine Liste mit diversen Standorten erstellt, die wir der Politik vorgelegt haben. Bis zur Ratssitzung hatte keine der Fraktionen einen Alternativvorschlag. Es äußerte auch niemand Kritik an den Vorschlägen, obwohl auch deutlich wurde, dass nicht jeder Standort einstimmige Zustimmung erlangen würde. Die Liste haben wir auch dem Kreis vorgelegt. Das Problem: Fördermittel und Baurecht passen vorn und hinten nicht zusammen. Bund und Länder brüsten sich damit, Fördermittel bereitzustellen - doch für den Bau von Flüchtlingswohnungen gibt es zurzeit für den Kreis Viersen nur knapp 7,5 Millionen Euro Fördermittel. Für den sozialen Wohnungsbau und für den Bau von Wohnungen für Flüchtlinge! Wir wollen jetzt auf politischer Ebene Druck machen, der Landrat und die Bürgermeister des Kreises haben sich da zusammengeschlossen. Denn so geht es nicht weiter: Bund und Länder können es nicht so darstellen, als werde alles für Flüchtlinge und den sozialen Wohnungsbau getan, und dann reichen die Fördermittel vorn und hinten nicht. In dieser Situation sind wir jetzt. Wir müssen also priorisieren, überlegen, welche Gebäude wir zuerst bauen können.

Zum Beispiel am Eichenweg.

Gellen Ja, das Projekt könnte möglicherweise kurzfristig begonnen werden. Die Frage ist: Wie geht es darüber hinaus weiter? Wir müssen die Unterkünfte in der Landesjagdschule und am Bernhard-Röttgen-Waldweg auflösen. Für die Menschen, die dort jetzt untergebracht sind, reicht das eine Haus am Eichenweg aber nicht. Wir brauchen ein weiteres Gebäude.

Auf dem Spielplatz ...

Gellen Tatsächlich ist die Fläche an der Ecke Lindenweg/Buchenweg rechtlich ein Bauplatz, obwohl sie als Spielplatz gebaut wird. Nach aktuellem Recht könnten dort Einfamilienhäuser gebaut werden. Doch wir gehen davon aus, dass wir da so schnell nicht bauen könnten.

Warum nicht? Der Rat könnte doch an seinem Beschluss festhalten.

Gellen Ja, das könnte er. Aber wir würden uns da verbeißen. Es hilft uns doch nicht, wenn wir uns auf verwaltungsrechtliche Klagen einlassen, die möglicherweise jahrelang dauern. Der Standort wurde vorgeschlagen, weil dort im Vergleich zu anderen eine kurzfristige Anpassung des Baurechts möglich gewesen wäre. Diese Annahme kann wegen uns schon angedrohter Klagen nicht aufrecht erhalten werden. Würden wir an dieser Stelle einfach so weiter machen, wäre es, als würden wir mit der Axt durch den Wald gehen und alles zerschlagen. Die Stimmung wäre vergiftet. Schon jetzt gab es viel Häme, Beleidigungen, auch versteckte Drohungen. Man bezichtigt sich gegenseitig der Lüge. Das geht so nicht. Wir müssen in der Lage sein, auf einer sachlichen Ebene miteinander zu diskutieren. Und vor allem brauchen wir Standorte, die konsensfähig sind und auf denen wir schnell bauen können.

Warum diskutieren Sie nicht mit den Bürgern über mögliche Bauplätze?

Gellen Das geht nicht immer. Wir möchten Transparenz schaffen, und wir möchten den Bürgern auch erklären, was passieren soll und wie es passieren soll. Aber wir müssen auch unseren Aufgaben als Verwaltung und Politik nachkommen. Da sitzen 39 gewählte Vertreter der Bürger. Die müssen auch mal über etwas reden können, ohne dass man sich öffentlich zerfleischt. Und es kann sein, dass sie Entscheidungen treffen müssen, die nicht jedem Einzelnen gefallen. Hinzu kommt, dass ich das Okay von privaten Investoren brauche, bevor ich ihre Pläne der Öffentlichkeit vorstelle. Es ist ja niemandem damit gedient, wenn etwas nach außen dringt, dann ein anderer das Grundstück kauft und der Plan zunichte gemacht wird. Wir lassen gerade von der Kommunalaufsicht prüfen, ab wann wir in solchen Fällen an die Öffentlichkeit gehen müssen.

Am Montag wird über die Pläne für Brüggen gesprochen, am Mittwoch über die für Bracht. Es geht also.

Gellen Ja. Ich habe jetzt die Möglichkeit, über zwei Projekte in Bracht zu sprechen, weil ich seit Montag das Einverständnis von zwei privaten Investoren habe. Wir bieten diese Veranstaltungen an, damit Bürger sich informieren können. Wir werden aber auch erklären, dass wir bauen müssen. Und wir sprechen jetzt ja nur von einer Umverteilung der Menschen, die schon bei uns sind. Wir wissen ja nicht, ob noch mehr Flüchtlinge kommen. Da hoffen wir auch auf die Vernunft und auf das Verständnis der Bürger. Was die Fläche an der Ecke Lindenweg/Buchenweg angeht, sind wir leidenschaftslos: Wir brauchen einfach relativ schnell einen zweiten integrierten Bauplatz in Brüggen. Wo der sein könnte, ist grundsätzlich egal.

(RP)
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