Viersen Wiever fiere wie doll

Viersen · In Älempt, Braut, Brögge, Lobberick und Neel übernahmen gestern die Frauen die Macht. Kein Bürgermeister hielt lange durch

 Das Nettetaler Prinzenpaar Hans-Gerd I. (Hauser) und Susanne I. (Hauser-Glitz) schwebte in der Feuerwehr-Drehleiter über die Jecken vor dem Nettetaler Rathaus in Lobberich und warf den Möhnen Zuckerhaltiges zu - als Stärkung für ihren Angriff.

Das Nettetaler Prinzenpaar Hans-Gerd I. (Hauser) und Susanne I. (Hauser-Glitz) schwebte in der Feuerwehr-Drehleiter über die Jecken vor dem Nettetaler Rathaus in Lobberich und warf den Möhnen Zuckerhaltiges zu - als Stärkung für ihren Angriff.

Foto: Birgitta Ronge (20)/Nadine Fischer (6) /Jörg Knappe (5)

Mehr als 111 Möhne haben gestern im Dohlendorf Bracht die Macht übernommen. In einem kleinen Umzug waren sie zum alten Bürgermeisteramt gekommen. Zwar befindet sich die Verwaltungsnebenstelle inzwischen im Nachbarhaus, dennoch ist das alte Bürgermeisteramt traditionell noch Ziel der närrischen Frauen. Vor dem ehrwürdigen Gebäude schunkelten sie sich für den Angriff warm. Eingehakt hatte sich auch das Kinderprinzenpaar der Brachter Wasserratten, Jonas I. (Kreetz) und Jule I. (Heynen). "Mein kleiner süßer Prinz, kannst du nicht dafür sorgen, dass der Bürgermeister die Tür aufmacht?", flötete Möhn Renate Hartmann (54) dem jungen Prinz ins Ohr. Auf die Seite der Brachter Möhne hatte sich auch Andrea, Ehefrau des Brüggener Bürgermeisters Frank Gellen (CDU), geschlagen. "Einmal im Jahr muss das sein", erklärte sie. Von drinnen rief Obermöhn Mike Terporten den Feiernden zu: "Ich schmeiße den Bürgermeister für euch aus dem Rathaus! Was haltet ihr davon?" Unter zustimmendem Gejohle der wartenden Möhne klopfte Obermöhn Brigitte Hamacher draußen an die Tür. Als diese geöffnet wurde, schob Mike Terporten den Bürgermeister mit dem Rollator vor die Tür. Flugs ergriffen die Frauen Besitz von dem Gebäude, und Gellen musste ihnen den Rathausschlüssel überlassen.

Schon am Morgen hatten die Möhne in Brüggen das Rathaus gestürmt. Dort versuchte Bürgermeister Frank Gellen mit einem Trick, die Frauen vom Angriff abzuhalten: Schilder am Eingang verwiesen auf einen Betriebsausflug der Verwaltung - vom 8. Februar, 11.10 Uhr, bis zum 9. Februar, 7.30 Uhr. "Verehrte Möhne, wir bitten um ihr Verständnis", so Gellen. "Versuchen Sie es doch im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit in Schwalmtal oder in Niederkrüchten oder bei Obi." Doch dafür erntete er nur höhnisches Gelächter. Rund 50 Möhne waren gekommen, die in einem kleinen Zug mit Brüggener Grundschulkindern zum Kreuzherrenplatz gekommen waren. Petra Dahlberg (50), im ersten Jahr als Obermöhn tätig, erklärte: "Ich weiß, wie das geht. Ich bin schon öfters dabei gewesen", und hämmerte an die Pforte. Schließlich ging die Tür auf, Dahlberg nahm den großen Rathausschlüssel in Empfang und hielt ihn triumphierend hoch. Gewonnen!

 In Brüggen täuschte die Gemeindeverwaltung einen Betriebsausflug vor, doch auch dort ließen sich die Möhne nicht davon abhalten, das Rathaus zu erstürmen. Bürgermeister Frank Gellen ergab sich schnell - schließlich musste er weiter, um auch noch in Bracht das alte Bürgermeisteramt zu verteidigen.

In Brüggen täuschte die Gemeindeverwaltung einen Betriebsausflug vor, doch auch dort ließen sich die Möhne nicht davon abhalten, das Rathaus zu erstürmen. Bürgermeister Frank Gellen ergab sich schnell - schließlich musste er weiter, um auch noch in Bracht das alte Bürgermeisteramt zu verteidigen.

Foto: Knappe Jörg

Vor, zurück, vor, zurück: In Elmpt hatten die Möhne die richtige Schlagzahl und rückten der verschlossenen Rathaustür gleich mit einem Rammbock zu Leibe. Allen voran Obermöhn Leonie Hinssen und Niederkrüchtens Prinzessin Sabine I. Drinnen drehte Bürgermeister Kalle Wassong (parteilos) mit dem Rathausschlüssel in der Faust lächelnd seine Runden und grinste gelegentlich siegessicher nach draußen. Ob es am Ende der Rhythmus war oder die geballte Macht der Frauen, bleibt offen. Jedenfalls gelang es Wassong nicht, sein Rathaus nur bis 14.12 Uhr zu verteidigen: Pünktlich um 14.11 Uhr quollen die Menschenmassen ins Foyer des Rathauses. 70 Frauen waren allein zum traditionellen Frühstück erschienen - bis zum Sturm aufs Rathaus war die närrische Zahl 111 erreicht. Für Obermöhn Hinssen, die nach 15 Jahren zurücktrat, ein tolles Geschenk. Ihre Nachfolgerin ist Marion Weyrich. Angesichts der holden Übermacht gab sich Wassong sichtlich gern geschlagen und feierte fröhlich mit. Er hatte zwar nichts mehr zu sagen, doch singen durfte er: Für "In unserm Kröchte", eine Spezial-Version von "In unserm Veedel", gaben die Möhne gern noch einmal das Mikro an Wassong ab.

Der Bürgermeister konnte einem fast leid tun. "Meine Frau hat gesagt, ich soll nicht wie vergangenes Jahr als Versager nach Hause kommen. Aber ich fürchte...", sagte Christian Wagner (CDU) und blickte beinahe ängstlich aus dem Fenster der Cafeteria im Nettetaler Rathaus. Im Innenhof standen hunderte Jecken und Dutzende angrifflustige Möhne, die jetzt endlich an die Macht wollten. Kurz bäumte sich Wagner noch mal auf, rief seine Helfer "zum letzten Verteidigungskampf" auf - natürlich völlig zwecklos. Eben noch schwebte er winkend mit dem Nettetaler Prinzenpaar Hans-Gerd I. und Susanne I. auf der Drehleiter der Feuerwehr über die Angreifer hinweg, abwechselnd reckten sie siegessicher den Rathausschlüssel hoch. Dann war Wagner plötzlich abgeschrieben. Denn das Prinzenpaar drehte ohne ihn noch eine Runde und warf den Möhne, die johlend mit ihren Staubwedeln und Klobürsten herumfuchtelten, Kamelle zu - Zucker zur Stärkung. Dann waren die Kinderprinzen und -prinzessinnen dran: Fabian II. und Julia III. von der KG Alles det met, Jüütenprinzessin Carlotta und Larissa I. von der KG De molveren Dei stiegen vom Fenster der Rathaus-Cafeteria in die Drehleiter. Während drinnen die Vertreter der Karnevalsgesellschaften durch die Fenster ihre Fahrt verfolgen, also schön abgelenkt waren, schlichen die ersten Möhne zum Hintereingang und drängten sich rein. Dann leistete auch noch die Feuerwehr Hilfe: Lobberichs Löschgruppenführer Jörg Peschkes und sein Team überließen drei Frauen die Drehleiter, manövrierten sie zur Cafeteria - und damit waren die Jecken an der Macht.

 Niederkrüchtens Bürgermeister Kalle Wassong wurde gleich doppelt in die Zange genommen - hier mit der alten und der neuen Obermöhn, Leonie Hinssen und Marion Weyrich, nach der Eroberung des Rathaus-Schlüssels. Von da an hatte Wassong nichts mehr zu sagen. Aber singen durfte er noch.

Niederkrüchtens Bürgermeister Kalle Wassong wurde gleich doppelt in die Zange genommen - hier mit der alten und der neuen Obermöhn, Leonie Hinssen und Marion Weyrich, nach der Eroberung des Rathaus-Schlüssels. Von da an hatte Wassong nichts mehr zu sagen. Aber singen durfte er noch.

Foto: Knappe Jörg
 Am alten Bürgermeisteramt hatte die Gemeindeverwaltung ein Schild angebracht: "Wir bitten um Verständnis dafür, dass der angeborene Fleiß der hier arbeitenden Beamten grundsätzlich verbietet, sich von der Arbeit abhalten zu lassen. Das gilt auch für Karneval!" Für echte Brachter Möhne galt das natürlich nicht - sie stürmten trotzdem hinein.

Am alten Bürgermeisteramt hatte die Gemeindeverwaltung ein Schild angebracht: "Wir bitten um Verständnis dafür, dass der angeborene Fleiß der hier arbeitenden Beamten grundsätzlich verbietet, sich von der Arbeit abhalten zu lassen. Das gilt auch für Karneval!" Für echte Brachter Möhne galt das natürlich nicht - sie stürmten trotzdem hinein.

Foto: Ronge Birgitta
 Schwalmtals Bürgermeister Michael Pesch hatte sich mit wagemutigen Mitarbeitern im Ratssaal verschanzt. Doch dem Ansturm von rund 20 äußerst hartnäckigen Weibern konnte er nicht widerstehen: Als Zeichen der Kapitulation schwenkte er schließlich die weiße Fahne aus dem Rathausfenster.

Schwalmtals Bürgermeister Michael Pesch hatte sich mit wagemutigen Mitarbeitern im Ratssaal verschanzt. Doch dem Ansturm von rund 20 äußerst hartnäckigen Weibern konnte er nicht widerstehen: Als Zeichen der Kapitulation schwenkte er schließlich die weiße Fahne aus dem Rathausfenster.

Foto: Ronge Birgitta

Neel Schwalmtals Bürgermeister Michael Pesch (CDU) hat gestern wieder einmal Pech gehabt: Auch in diesem Jahr ist es ihm nicht gelungen, sein Rathaus gegen die Macht der närrischen Weiber zu verteidigen. Dabei hatten der Verwaltungschef und seine ehrenamtlichen Stellvertreter Hermann-Josef Güldenberg und Kurt van de Flierdt (CDU) beide versucht, die Frauen vor dem Rathaus zu bestechen, indem sie Kamelle aus den Fenstern warfen. Das gelang nicht: Unter Führung von Miriam begehrten rund 20 Frauen vehement Einlass, angefeuert durch zahlreiche Zuschauer auf dem Waldnieler Marktplatz. Pesch ergab sich, schwenkte die weiße Fahne des Friedens, öffnete die Tür und opferte Rathausschlüssel und Krawatte. Beseelt von Rhabarberschnaps und Live-Musik nahmen die Möhne das Rathaus in Beschlag.

(RP)
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