Viersen Wie Frau Maier an die Krippe kam

Viersen · Eine Seniorin, ein Favela-Bewohner und eine Aktivistin für Menschenrechte verleihen der Krippe in der Kreuzkirche Aktualität

 Maria und Josef gehören jedes Jahr zur Besetzung in der Kreuzkirchenkrippe, die Claudia Wenzel-Freudenberg (l.) und Schmitten vorstellen. RP-Foto: busch

Maria und Josef gehören jedes Jahr zur Besetzung in der Kreuzkirchenkrippe, die Claudia Wenzel-Freudenberg (l.) und Schmitten vorstellen. RP-Foto: busch

Foto: Janny

Eine ungewöhnliche Krippe ist ab heute in der evangelischen Kreuzkirche an der Hauptstraße zu sehen: 31 Figuren, zahleiche Tiere und drei Bäume gehören dazu. Die schwangere Maria, Josef und die drei Weisen sind um den Stall gruppiert, daneben stehen unerwartete Akteure - wie Frau Maier, eine weißhaarige Dame im Rollstuhl.

"Frau Maier und ihr Pfleger Karl sind in diesem Jahr neu dazugekommen", erläutern Claudia Wenzel-Freudenberg (57) und Janny Schmitten (51), die beiden Ideengeberinnen der Krippe. Sie stellen den Pflegenotstand dar: "Frau Maier ist eine Seniorin, die im Altenheim auf ihren Tod wartet. Pfleger Karl würde sich gern mehr kümmern, hat aber viel zu wenig Zeit", erläutert Wenzel-Freudenberg. Eine weiterer Neuzugang ist Nadja Murad, die nach Einschätzung der Gemeinde besonders mutig auf die Menschenrechtsverletzungen durch den Islamischen Staat aufmerksam macht. Und Rodrigo aus den Favelas in Rio de Janeiro symbolisiert den Traum der Armen dort, einmal auch eine Chance im Leben auf Ausbildung und Arbeit zu haben.

Vergeblich wird man im hölzernen Stall dagegen das Jesuskind suchen. "Wir gehen davon aus, dass Gott uns in jedem Kind begegnet und wollen mit dieser Krippe auf so viele Kinder aufmerksam machen, die von uns vergessen werden", sagen die Frauen. Die Futterkrippe ist - wie in all den Jahren zuvor - erneut leer. Stattdessen findet sich im Stroh ein Hinweis auf das aktuelle Hilfsprojekt, für das die Gemeinde sammelt. Jetzt ist es der Verein Medica Mondiale, der weltweit Vergewaltigungsopfern hilft.

Vor sechs Jahren entstand nach dem Besuch der Kirchengemeinde in Forstwald die Idee, auch in der evangelischen Kirche eine Krippe zu basteln. Den Stall wurde ebenso selbst gefertigt wie die gesichtslosen Figuren, deren Körper aus mit Stoff umwickelten Draht besteht. Für die Kleidung der Krippenbewohner haben bereits viele Gemeindemitglieder die Nähmaschine rattern lassen oder zu Nadel und Faden gegriffen. Mal wurde ein alter Lodenmantel, mal ein Stück vom Kirchentags-Schal zur neuen Kleidung für eine Krippenfigur. Zahntechnikerin Janny Schmitten und Intensivmedizinerin Wenzel-Freudenberg basteln beide mit Begeisterung.

Maria und Josef verlassen am morgigen Sonntag den Stall - und werden erst am Heiligen Abend zurückerwartet. "Sie werden von Gemeindemitglied zu Gemeindemitglied weitergegeben. Sie stehen den einen Tag mal bei alleinlebenden Menschen, den anderen Tag in der Kita", schildert Schmitten. Begleitet werden die beiden von einem Buch, in dem die Gastgeber ihre Erfahrungen festhalten können. "Viele schildern, wie viel ihnen dieser Besuch bedeutet hat", sagt Claudia Wenzel-Freudenberg. Das Schöne: "Bisher hat es immer geklappt, dass Maria und Jesus pünktlich zum Heiligen Abend wieder in ihrer Kirche waren." Darauf hoffen die beiden Krippenbauerinnen natürlich auch in diesem Jahr.

Und 2017? "Auch da wird es sicher wieder neue Krippenfiguren geben", sind sie überzeugt. Dafür werden sie erneut vorher in den Gemeindekreisen nach Ideen und Anregungen fragen. Die große Tasche mit Stoffresten für die Kleidung der neuen Krippenfiguren ist jedenfalls noch lange nicht leer.

(busch)
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