Viersen Wie die Parteien den Haushalt beurteilen

Viersen · Gestern Abend hat der Viersener Stadtrat mehrheitlich für den vorzeitigen Ausstieg aus dem Haushaltssicherungskonzept gestimmt. Unsere Redaktion dokumentiert Auszüge aus den Haushaltsreden im Wortlaut.

 Manuel García Limia: "Wir vergrößern unsere politischen Gestaltungsspielräume."

Manuel García Limia: "Wir vergrößern unsere politischen Gestaltungsspielräume."

Foto: Röse Martin

Stephan Sillekens (CDU): "Der heutige Abend ist etwas Besonderes. Wir diskutieren einen Haushaltsentwurf, der erstmals seit, fast hätte ich gesagt: Menschengedenken ausgeglichen ist, der keine neuen Schulden mehr vorsieht. Und wir tun dies vier Jahre früher, als nach den bisherigen Voraussagen geplant. Das ist eine erheblich Abweichung von jenem Ergebnis, das der Haushaltsplan vorsah, den die Verwaltungsspitze uns im September zur Beratung vorlegte. Der Erfolg der Haushaltsverbesserung ist nicht hausgemacht. Es ist ein Geschenk. Zusätzliche Mittel aus Düsseldorf, Umlageabsenkungen aus Köln und dem Kreishaus und zusätzliche Mittel aus diversen Sonderprogrammen sind es im Kern, die uns diesen Weg möglich gemacht haben. All diese Faktoren treffen aber auch die umliegenden Städte und Gemeinden. Wer mit offenem Blick über die Grenzen unserer Stadt hinaus schaut, der wird feststellen, dass die Dynamik, mit der sich unsere umliegenden Kommunen bewegen, deutlich vergrößert hat. Die Ansiedlung neuer Betriebe (in Mönchengladbach), von Zalando über Esprit bis hin zum Neubau der Santander Bank mögen den ein oder anderen in unserer Stadt vielleicht nur zu spöttischen Kommentaren veranlassen. Vor wenigen Tagen ist der Stadt mit der Ansiedlung von Amazon erneut ein großer Erfolg gelungen. Dagegen muss unser Kämmerer in seiner Haushaltsrede von zurückgehenden Gewerbesteuereinnahmen berichten und den Verlust großer Steuerzahler konstatieren... Ich wiederhole es deshalb hier gern, wir beglückwünschen Sie, Frau Anemüller, zu der Entscheidung, die Wirtschaftsförderung in ihr Dezernat zu nehmen.

 Christoph Saßen (Die Linke): "Eine einkalkulierte Erhöhung der Grundsteuer ist nicht akzeptabel."

Christoph Saßen (Die Linke): "Eine einkalkulierte Erhöhung der Grundsteuer ist nicht akzeptabel."

Foto: Röse Martin

Und noch eines: der Streit, der Diskurs um die Zukunft der Stadt, unser Gemeinwesen, er ist notwendig, wenn das was werden soll mit der Zukunft. Und er ist kein Schlechtreden, wie das oft so gerne unterstellt wird. Im Wettstreit der Gedanken liegt die Erfolgschance der Demokratie - nicht im Denkverbot. Zum Wettstreit in der Demokratie gehört aber essenziell ein zweiter Gedanke: "Der Kompromiss ist eine Kardinaltugend der Demokratie", der Gedanke stammt nicht von mir, sondern von Wolfgang Schäuble. Gerade in diesen Tagen scheint dieser Gedanke aber einer Erinnerung in den Köpfen mancher zu brauchen, ich tue das gerne, denn auch wir in Viersen brauchen diesen Gedanken, nicht nur zum Besten unseres Haushaltes."

 Martina Maaßen (Grüne): "Wir scheuen uns nicht davor, die Steuern moderat anzuheben."

Martina Maaßen (Grüne): "Wir scheuen uns nicht davor, die Steuern moderat anzuheben."

Foto: Röse Martin

Manuel García Limia (SPD): "Vor einigen Wochen schien es noch so, als ob in Bezug auf den Haushalt 2018 zwei Züge aufeinander zurasten und eine Einigung nicht möglich sei. Wir Sozialdemokraten hatten bereits zu Beginn der Haushaltsberatungen signalisiert, dass wir dem von der Verwaltung vorgelegten Haushaltsentwurf zustimmen werden und den vor Jahren von der großen Mehrheit des Rates vereinbarten Weg der Haushaltskonsolidierung bis 2022 weitergehen wollten. Die CDU und die Grünen erklärten dagegen im Rahmen der Beratungen plötzlich, dass sie den Haushalt ablehnen werden. Für Viersen, seine Bürgerinnen und Bürger, seine Vereine und Verbände hätte dies schwerwiegende Folgen gehabt. Dies konnte zum Glück verhindert werden. Auch weil sich die politischen Akteure aufeinander zubewegt haben ... Wir Sozialdemokraten (haben) uns für den frühzeitigen Ausstieg aus dem Haushaltssicherungskonzept entschieden. Und wir vergrößern, sofern der Ausstieg letztendlich gelingt, unsere politischen Gestaltungsspielräume. Der Anteil der freiwilligen Leistungen - also der Leistungen, auf die wir Einfluss haben - macht lediglich rund drei Prozent des gesamten Haushaltes aus. Zu große Illusionen dürfen wird den Bürgerinnen und Bürgern also nicht machen. Trotzdem gewinnen wir dadurch in den Bereichen Kinder, Jugend, Soziales, Sport und Kultur stärkere Gestaltungsmöglichkeiten. Und es sind gerade diese Bereiche, die den Charakter einer Kommune prägen. In der Diskussion wurde wiederholt suggeriert, dass dies ein Haushalt ohne Visionen sei, der nicht aufzeigen würde, wohin sich Viersen in den nächsten Jahren bewegen solle ... Auch (die) Politik (ist) dazu aufgerufen an der Gestaltung unserer Stadt mitzuwirken. Diejenigen, die der Verwaltung mangelnde Visionen unterstellen, können ihre Ideen ... in Form von Anträgen einbringen. Im Falle von Grün-Schwarz wären dabei auch Mehrheiten für Gestaltungen vorhanden gewesen. Allein, es mangelte offensichtlich an Ideen und Vorstellungen."

 Stefan Feiter (FDP): "Wir können dem Haushalt unter dem Diktat der Steuererhöhungen nicht zustimmen."

Stefan Feiter (FDP): "Wir können dem Haushalt unter dem Diktat der Steuererhöhungen nicht zustimmen."

Foto: Röse Martin

Martina Maaßen (Grüne): "Lassen Sie mich zu Beginn meiner Haushaltsrede einen kurzen Blick auf den Oktober 2016 werfen: Dort war in der Rheinischen Post die Aufforderung zu lesen: Vollenden Sie folgenden Satz: ,Viersen fehlt...' Und Ihre Antwort darauf, Frau Bürgermeisterin? ,...nichts. Außer Geld!' Daran wurde ich aus zwei Gründen wieder erinnert: Erstens, weil uns die Verwaltung im September einen nicht ausgeglichenen Haushalt vorgelegt hat, und zweitens, weil es in Viersen doch an Einigem fehlt ... Bereits im September war ersichtlich, dass ein Haushaltsausgleich zu schaffen ist. Die Verwaltungsspitze scheute sich jedoch, uns diesen vorzulegen und wollte im Haushaltssicherungskonzept verharren ... Erst eine gestalterische Mehrheit - getragen von uns Grünen und der CDU - brachte neue Gedankenspiele ... in den politischen Diskurs. Ob es zu Steuererhöhungen in 2019 kommen muss, bleibt abzuwarten. Wir Grünen scheuen uns nicht davor, die Gewerbe- und die Grundsteuer moderat anzuheben. Dies ist für uns kein No-Go! Uns ist es dabei aber wichtig, die Belastungen gleichmäßig auf Bürger und Gewerbe zu verteilen. Ein ausgeglichener Haushalt in den Jahren 2018 und 2019 verschafft uns spätestens im Jahr 2020 finanzielle Spielräume für die Sanierung unserer Schulen, für den Ausbau des offenen Ganztags, für längere Öffnungszeiten in unseren Kitas, für eigene Projekte gegen Langzeitarbeitslosigkeit, für mehr bezahlbaren Wohnraum, für eine besser ausgestattete ... Übernachtungsstelle für Wohnungslose, für mehr und bessere Radwege, für mehr Artenvielfalt auf städtischen Grünflächen und für die Erhaltung wertvoller Bäume an unseren Straßen und Plätzen ... Obwohl wir eine gut aufgestellte Sozialverwaltung haben, die uns ... durch fundierte Fachberichte auf die soziale Not hinweist, machen Sie sich, Frau Bürgermeisterin, dies nicht zu Eigen. Sie nehmen nicht Stellung zu den drängendsten Herausforderungen unserer Stadt. Da hilft es auch nicht, dass Sie uns eine Vorlage präsentieren, in der Sie fast das ganze Sozialdezernat übernehmen wollen. Dies ist nicht, wie es uns die SPD weismachen will, eine Aufwertung der Fachbereiche Jugend, Soziales, Schule und Kultur. Es ist deren Abwertung. ... In Ihrer ... Neujahrsrede, Frau Anemüller, konnten wir hören, dass Sie eine Stadt wollen, die Lebensraum für Menschen, nicht für Autos ist. Wie passt dies zusammen mit Ihrem Vorhaben, die Lange Straße in Dülken für Autos zu öffnen? Wie passt dies damit zusammen, dass auf dem Alten Markt in Dülken Autos fahren ... dürfen?"

Stefan Feiter (FDP): "Für 2018 ist der Haushaltsausgleich aufgrund von Sondereffekten gut zu erreichen. Für die Folgejahre schlug die Bürgermeisterin für den jeweiligen Ausgleich die Erhöhung der Grundsteuer B, der Gewerbesteuer und die Umstellung der Abschreibungsmethode auf Wiederbeschaffungszeitwerte bei Kanälen vor. Endlich Steuer- und Gebührenerhöhungen! Dies wird insbesondere den Kämmerer freuen, der schon kurz nach Beginn seines Wirkens in Viersen diese immer wieder zur Haushaltskonsolidierung vorgeschlagen hatte! Weiter hat es unsere Fraktion erschreckt, dass in der Begründung der Vorteile des vorzeitigen Haushaltsausgleiches und des Wegfalls des Haushaltssicherungskonzeptes Frau Maaßen von den Grünen der Wegfall des Kreditdeckels als ein sehr wichtiger Punkt feststellte. Dann stünden der Stadt, sprich der Politik, jährlich wieder über neun Millionen Euro Kreditrahmen für Investitionen zur Verfügung! Wir haben den Haushaltsausgleich noch nicht erreicht und Frau Maaßen gibt schon wieder das Geld mit vollen Händen aus! Wir hatten in unserem Sommerinterview bei der RP kritisiert, dass in den letzten Monaten so wenig über die Haushaltskonsolidierung im zuständigen Arbeitskreis ... diskutiert worden sei. Das hat sich im letzten halben Jahr erfreulicherweise geändert! Dass diese Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung nur in dem Beschluss der CDU, der Grünen und der SPD zu Steuer- und Gebührenerhöhungen ab 2019 führen würden, habe ich mir in meinen schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können. Abschließend möchte ich feststellen, dass wir dem Haushaltsentwurf unter dem Diktat der geplanten Steuer- und Gebührenerhöhungen ab 2019 nicht zustimmen können und werden."

Christoph Saßen (Die Linke): "Die Linke ist nicht als Freundin der schwarzen Null bekannt und unsere Einwendungen und Ablehnungen gegen ein zehnjähriges Haushaltssicherungskonzept und gegen Kürzungsmaßnahmen sind weder unbekannt noch neu. Es stellt sich doch die Frage: Was haben wir von einem jetzigen vorzeitigen Ausstieg aus dem Haushaltssicherungskonzept? Wir werden auch nach Beschlussfassung und Ausstieg keine großen Sprünge machen können, darauf weist sowohl die Bürgermeisterin als auch der Kämmerer deutlich hin ... Eine mögliche und zumindest für das Haushaltsjahr 2019 vorab einkalkulierte Erhöhung der Grundsteuer B ist für unsere Fraktion nicht zustimmungsfähig und nicht akzeptabel!"

Die Fraktion FürVie verzichtete krankheitsbedingt auf eine Rede.

(RP)
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