Kreis Viersen Wer spricht wie im Kreis Viersen?

Kreis Viersen · Vor 150 Jahren war der Dialekt die Alltagssprache der Menschen im eigenen Dorf. Sprachforscher Georg Cornelissen will wissen, wie es heute um das Platt bestellt ist. Dazu hat er einen Fragebogen entwickelt. Unter allen Einsendern verlosen wir zehnmal sein Quiz "Wie spricht der Niederrhein"

 Unser Foto entstand im Jahr 1911 auf der Dorfstraße in Niederkrüchten. Damals war das Platt noch deutlich in der Alltagssprache der Menschen verankert als heutzutage.

Unser Foto entstand im Jahr 1911 auf der Dorfstraße in Niederkrüchten. Damals war das Platt noch deutlich in der Alltagssprache der Menschen verankert als heutzutage.

Foto: HKV-Archiv

Jedes Dorf, jede Stadt hat ein eigenes Platt - darin sind sich die Menschen am Niederrhein einig, überall. Auch wenn die sprachlichen Unterschiede zum Nachbarort, objektiv betrachtet, manchmal vielleicht gar nicht so gewaltig sind. "Die sprechen schon ganz anders als wir", wird immer wieder vorgebracht, wenn es um hörbare Differenzen geht: Ob nun Sack oder Sock (Sack), jroot oder jru-et (groß), eiter oder henger (hinter), Putsch oder Mösch (Sperling) - für Menschen, die des Dialekts kundig sind, gibt es viele Indizien, die die Herkunft des Gesprächspartners verraten. Warum nur gibt es so viele Varianten?

Vor 150 oder 200 Jahren war der Dialekt die Alltagssprache im eigenen Ort, und er funktionierte auch in der näheren Umgebung problemlos: Der allergrößte Teil des eigenen Wortschatzes war auch im Dialekt des Nachbarortes gebräuchlich - und was dort anders genannt oder was dort anders ausgesprochen wurde, wusste man. Die Dialekte erfüllten also zwei Aufgaben: Sie dienten der Kommunikation, und sie erlaubten die Zuordnung des Gegenübers zu einem bestimmten Ort. Das bedeutete zugleich, dass sich die Einwohner von Kaldenkirchen, Brüggen oder Anrath (und aller anderen Orte) von den Nachbarn absetzen konnten: "Die (die andern) sagen so, wir sagen aber so." Beliebt war auch der Hinweis auf das "Singen": "Die singen schon, wenn sie reden! (Wir sprechen normal.)" So einfach kann die Welt sein!

Man stelle sich Folgendes vor: Jemand durchradelt den Kreis Viersen von Tönisberg im Norden bis nach Oberkrüchten im Süden und in Ost-West-Richtung von Willich bis nach Overhetfeld an der niederländischen Grenze. In jedem Ort besucht er einen Dialektsprecher. Dabei würde er festellen, wie kunstvoll der Sprachteppich im Kreisgebiet einst geknüpft wurde: Es gibt viele Nuancen, viele Varianten - aber kein Ort fällt, rein sprachlich betrachtet, aus dem niederrheinischen Rahmen.

Das war auch das Ergebnis einer Untersuchung, die der aus Dülken stammende Sprachforscher Theodor Frings für seine 1913 erschienene Doktorarbeit durchgeführt hat. Seitdem hat sich vor allem eins verändert: die Haltung der Menschen gegenüber dem Dialekt. Platt (oder Plott) stand bei ihnen lange Zeit nicht hoch im Kurs, sodass die Eltern diese Sprache nicht an ihre Kinder weitergeben wollten.

Das Ergebnis: Heute beherrscht nur noch ein kleiner Prozentsatz der jungen Leute im Kreis Viersen den Dialekt. Als 2014 in Bracht Fragebögen zum Dialekt verteilt wurden, lag das Durchschnittsalter der Einwohner, die ihn bearbeitet haben, bei 65,7 Jahren. Aber immerhin haben 181 Brachter mitgemacht.

Wir als Mitarbeiter des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte erforschen die sprachliche Vielfalt im Rheinland. Dazu gehören auch die regionalen Namen, etwa Familiennamen und Ortsnamen. Auf der Homepage (www.rheinische-landeskunde.lvr.de) finden Interessierte zum Beispiel akustische Dialektproben aus Amern, Breyell, Leuth, St. Hubert und Viersen. Auch eine Aufnahme der früheren Breyeller Geheimsprache (Henese Fleck) ist zu hören. Außerdem gibt es Sprachkarten, die die Sprachlandschaft des gesamten Rheinlands "lesbar" machen sollen.

Gemeinsam mit der Rheinischen Post möchten wir Sie nun um Ihre Unterstützung bitten: Wer Platt (oder Plott) spricht, möge bitte den auf dieser Seite abgedruckten Fragebogen ausfüllen und an mich schicken. Es wäre sehr erfreulich, wenn jeder Ort im Kreis Viersen vertreten wäre - am besten mit gleich mehreren Fragebögen. Und Sie können auch den Nachbarn oder die Nachbarin und den Onkel oder die Tante fragen, wenn die noch Dialekt sprechen. Eine E-Mail mit den Antworten (georg.cornelissen@lvr.de) ist mir ebenfalls willkommen. Im Gegenzug werde ich schon in wenigen Wochen an dieser Stelle eine Dialektkarte für den Kreis Viersen veröffentlichen, gezeichnet auf der Basis der aktuellen Befragung. Hu-ech on hellich versproake (Hoch und heilig versprochen)!

Welche Ausdrücke nutzen Sie? Hier geht es zum Fragenbogen.

(RP)
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