Heimat erleben im Kreis Viersen Ein Heiden-Spaß in der Wasser-Wanderwelt

Kreis Viersen · Die "Wasser.Wander.Welt" (WaWaWe) lädt zwischen Schwalm, Nette und Maas zu Naturerlebnissen ein - am besten ohne Handy.

 Ein romantischer Sonnenuntergang, zu erleben etwa am Elmpter Schwalmbruch im Naturpark Schwalm/Nette. Er bietet vielfältige Landschaften von Moor über Heide bis zu hin zu Wald und gewässern.

Ein romantischer Sonnenuntergang, zu erleben etwa am Elmpter Schwalmbruch im Naturpark Schwalm/Nette. Er bietet vielfältige Landschaften von Moor über Heide bis zu hin zu Wald und gewässern.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Grauer Himmel, der Dunst wabert über den Boden. Zweige knacken. Irgendwo schallt der Ruf eines Käuzchens. Die ideale Kulisse für einen Edgar-Wallace-Film - oder auch der Blick in den herbstlichen Naturpark Schwalm-Nette. Gerade im Oktober offenbart das Gebiet zwischen drei Flüssen und zwischen zwei Ländern sein gewaltiges Gruselpotenzial und lässt manchen Wanderer wohlig schaudern.

Auch der Niederkrüchtener Bernd Nienhaus (65) kennt diese Atmosphäre, in der sich die Natur nicht von ihrer heiter-blühenden Seite zeigt, sondern geheimnisvoll und bedrohlich wirkt. Gerade diese Stimmung ist es, die der erfahrene Wanderer und Naturfotograf überaus schätzt. Im Elmpter Schwalmbruch etwa und in der Wacholderweide, fühlt sich Nienhaus eins mit der Natur in seiner Heimat: "Einfach mal hinsetzen, sich Zeit nehmen und beobachten", empfiehlt er allen Teilnehmern, die mit ihm gemeinsam die ersten Schritte in der "Wasser.Wander.Welt" (auch bekannt als "Wandervolle Wasser-Welt") unternehmen. "Man muss ein Auge für die Natur haben und sie dennoch auch mit dem Herzen sehen", sagt der Niederkrüchtener.

Wasser.Wander.Welt (WaWaWe) in Viersen ist ein Heiden-Spaß
Foto: Busch, Franz-Heinrich (bsen)

Und er rät den Wanderern auch, das Handy mal in der Tasche zu lassen: auch, wenn die natürliche Schönheit der Umgebung zum raschen Griff zum Gerät und schnellen "Klick" mit der Handykamera verführt. "In vielen Bereichen gibt es gar keinen Empfang. Und bald ist das Handy auch vergessen und die Wanderer sind begeistert von der Natur", weiß der 65-Jährige.

Was ihn auch nach Jahrzehnten am Naturpark Schwalm-Nette unverändert fasziniert, ist die Vielfalt der Landschaft: Große Heidenflächen wechseln sich ab mit Moorlandschaften, Wälder weichen unterschiedlichen Seen und Flüssen. In dieser Vielfalt ist Einzigartiges zu finden. Ein Beispiel dafür ist die Wacholderheide im Elmpter Schwalmbruch, dem ältesten Naturschutzgebiet in Niederkrüchten: Sie ist die einzige ihrer Art, die am linken Niederrhein verbreitet ist.

Auf 435 Quadratkilometern erstreckt sich der Naturpark Schwalm-Nette, teilweise auch entlang der deutsch-niederländischen Grenze. Neben einem Teil des Kreises Viersen gehören auch Flächen vom Kreis Heinsberg und vom Kreis Kleve sowie von der Stadt Mönchengladbach dazu. Gegründet 1965, wurde der Bereich elf Jahre später auch zum Naturpark Maas-Schwalm-Nette erweitert. Dieser ist mit seinen mehr als 750 Quadratmetern ein beliebtes Ausflugsziel für Besucher aus beiden Ländern.

Angesichts dieser beachtlichen Ausmaße könnte der Besucher beim ersten Mal rasch den Überblick verlieren. Orientierung bieten etwa neun Premiumwanderrouten, die unter dem Titel "Wasser.Wander.Welt" (WaWaWe) innerhalb des Naturparks Schwalm-Nette zu finden sind. Die Wege bieten den Wanderern unterschiedliche Herausforderungen: sowohl bei der Dauer als auch bei den sportlichen Anforderungen. So kann jede/r nach ihren und seinen individuellen Möglichkeiten die Schönheit dieser vielfältigen Landschaft erwandern. Etwa im Gebiet Schwalmbruch und entlang der Zwei-Seen-Runde, die Bernd Nienhaus betreut, oder im Abschnitt "Nette Seen". Um letzteren kümmert sich seit vier Jahren Paul Heublein aus Nettetal-Lobberich als Wegescout.

Ohne Geduld sind die Wunder entlang des Wanderwegs aber kaum zu entdecken. Während Blüten und Blätter noch rasch ins Auge fallen mögen, sind die Bewohner der Wald- und Wasserwelten nur allmählich zu entdecken: Amphibien, Reptilien, Vögel und Insekten haben hier ihre Lebensräume gefunden. Der flinke, bunte Eisvogel etwa, der Neuntöter, der Ziegnmelker oder das Blaukehlchen lassen ihre Stimmen erklingen. Bernd Nienhaus kennt ihren typischen Ruf - und zu Demonstrationszwecken kann er auch die Vogelstimmen auf seinem Tablett aufrufen, sollte mal kein Vogel zu hören sein. Bernd Nienhaus weiß auch, dass sich Ringelnattern hier vielerorts zuhause fühlen. Die harmlose Schlange, die die Nähe zu Gewässern ebenso schätzt wie geschützte Verstecke und einen sonnigen Platz, steht inzwischen auf der "Roten Liste" der gefährdeten Arten. Als Naurschützer interessiert sich der 65-Jährige ebenso für das rege Leben entlang seiner Wanderstrecken wie als Fotograf. Seit seiner Jugend hält er die Eindrücke vom Leben am Wasser mit der Kamera fest.

Die Freude an der Naturfotografie teilt Nienhaus mit Paul Heublein. Der Lobbericher kümmert sich ebenfalls um einen der neun Premiumwanderwege der "Wasser.Wander.Welt". "Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht hier bin", erzählt der 1938 geborene Heublein. Dabei geht es ihm zum einen um seine Aufgabe, entlang des Weges "Nette Seen" nach dem Rechten zu schauen: "Das kann dann schon mal drei Stunden dauern", schildert er mit einem Lächeln. Zum anderen genießt er die "Ruhe und Abgeschiedenheit in der Natur". Mal mit dem Rad, mal zu Fuß ist er unterwegs. Für Heublein sind diese Momente der Stille kostbar - helfen sie ihm doch, den Alltag gelassener zu verbringen. Liegt die Freude am Wandern und an der Natur in seiner Familie? "Nein", eigentlich nicht", erzählt der Lobbericher. Für seine Eltern sei dies keine Freizeitbeschäftigung gewesen. Wohl aber für seinen Großvater. Dieses schlummernde Gen hätten Nachbarn geweckt, als sie Paul Heublein zu einer Wandertour mitnahmen. Das Wandern bedeutet für ihn auch ein Stück Heimatverbundenheit: "Hier in Lobberich bin ich zuhause, hier fühle ich mich wohl", sagt Paul Heublein voller Überzeugung.

Gern zeigt der Wegescout den Besuchern seine Lieblingsplätze entlang des Wassers. Das Leitungsteam des Naturparks Schwalm-Nette bietet als Orientierungsmöglichkeit die "Wasser.Blicke". Von dort aus können Wanderer die schönsten Aussichten auf die Landschaft erleben und per Telefonnummer weitere Informationen abrufen. Wer die Nummer 02162 9199008 wählt, wird allgemein über das jeweilige Biotop informiert; außerdem kann er tiefergehende Informationen über seinen Standort erhalten.

Vor drei Jahren stellte Michael Puschmann, der Leiter des Naturparks, die insgesamt 25 unterschiedlichen Standpunkte vor. Die blauen, runden Markierungen mit einem Fuß-Paar verweisen auf besonders reizvolle Standorte. Dazu gehören etwa das Ufer des Hariksees und das Inselschlösschen, der Elmpter Schwalmbruch mit seinen Heideflächen, das Vogelparadies Krickenbecker Seen, die historische Mühle im Zentrum von Brüggen, das "Vogelbeobachtungsparadies" Rohrdommelprojekt an der Nette in Leuth, der DeWitt-See, der Aussichtsturm Tabhenberg, die imposanten Kopfweiden in Waldniel oder der Borner See mit seiner Kirche St. Peter. Eine subjektive Auswahl der "schönsten Wasserblicke" inklusive der dortigen Freizeitmöglichkeiten bietet die aktuelle "Top 10"-Liste.

Bei aller Begeisterung für die Natur: Wegescout Bernd Nienhaus ist sich auch ihrer Bedrohung bewusst und er kennt das fragile Gleichgewicht aus Wasserbedarf und Landschaftserhalt. Denn noch wird das Gebiet durch den Tagebau Garzweiler im Rheinischen Revier gespeist. Um die Braunkohle fördern zu können, muss RWE dort den Grundwasserspiegel dauerhaft senken und das Wasser abpumpen. Dieses Wasser wird zum Naturpark Schwalm/Nette geleitet, versickert dort und speist somit die unterschiedlichen Landschaftsflächen. "Doch was passiert, wenn kein Wasser mehr hierhin geleitet wird?", fragt Bernd Nienhaus. Noch sei das ökologische Gleichgewicht intakt. Noch biete der Naturpark den unterschiedlichsten Tieren Lebensräume. Bernd Nienhaus jedenfalls hofft, dass "dieses wertvolle Ökosystem erhalten werden kann".

Denn nur dann können Besucher auch in Zukunft noch den herbstlichen Nebel wabern sehen. Oder sie können die Stimmen der Vögel, das Plätschern des Wassers oder den schaurigen Ruf des Käuzchens hören. Wer den Naturpark fernab von Edgar-Wallace-Grusel er-spüren möchte, für den hat Bernd Nienhaus zur Blütezeit der Heide einen einfachen Tipp: "Einfach mal in die Heide legen, die Augen schließen und lauschen."

(RP)
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