Viersen Torte und Texte für Viersens großen Dichter

Viersen · Leo Fiethen und Rolf Thelen zeichneten das Leben des Dichters Albert Vigoleis Thelen nach, der jetzt 113 Jahre alt wäre

Bei Wein und Kuchen klang der poesiebunte Geburtstagsabend für Albert Vigoleis Thelen aus. Der Literat und Übersetzer, der jetzt 113 Jahre alt geworden wäre, war zugegen - über seine Texte und Stimme. Der Verein für Heimatpflege hatte aus zwei Gründen in die Albert-Vigoleis-Thelen Stadtbibliothek eingeladen: Vor 80 Jahren musste der Viersener die geliebte Insel Mallorca wegen der spanischen Faschisten verlassen. Vor 30 Jahren kehrte er in seine Geburtsstadt zurück.

Angekündigt war ein Vortrag über Thelens Leben im Exil. Leo Fiethen und Rolf Thelen zeichneten Leben und Werk des großen Vierseners nach - Fiethen anhand von Ton-, Bild und Filmdokumenten, Thelens Großneffe mit Auszügen aus Werk und Briefen. Das Viersener Gitarrentrio würzte den Abend mit spanischer Musik. Der musikalische Einstieg mutete leicht, versonnen an und war durchwirkt von einem Hauch Melancholie - absolut passend zu Thelens Persönlichkeit: Textpassagen sowie Ton- und Filmsequenzen stellten ihn als vitalen, schelmisch veranlagten Menschen mit Humor und eigenwilliger Todessehnsucht vor.

Die hinderte den Schriftsteller nicht daran, ein hohes Alter zu erreichen. Geboren wurde er 1903 in Süchteln, 1989 starb er in Dülken. Die Eckdaten könnten suggerieren, er habe ein Leben in der Heimat geführt, doch er habe 55 Jahre davon in verschiedenen Ländern gewohnt, so Fiethen. Er berichtete vom harten Leben, das Thelen und seine Schweizer Ehefrau Beatrice auf der Baleareninsel geführt hatten - immer am Rande des Existenzminimums. Beide hatten sich von den Nazis distanziert. Die Kriegsjahre verbrachten sie in relativer Sicherheit in Portugal. Gemeinsam mit dem niederländischen Schriftsteller Hendrik Marsmann hatte Thelen die Paulus-Biografie des portugiesischen Dichters Pascoaes ins Niederländische übersetzt. Der beherbergte die Thelens ab 1939 acht Jahre auf seinem Weingut.

Thema war natürlich Thelens Hauptwerk "Die Insel des zweiten Gesichts", das sich zum Longseller entwickelte und mit Verspätung von Rezensenten hoch gelobt wurde. Im Tonbeispiel erinnerte sich Thelen an eine Lesung bei der Gruppe 47, die jungen Schriftstellern nach dem Krieg eine Plattform zur Erneuerung deutschsprachiger Literatur bot. Hans Werner-Richter war Thelen in skandalöser Weise angegangen. Ein weiteres Dokument zeigte, wie sich Martin Walser an die Szene erinnerte und Thelens Hauptwerk als große Prosa lobte. Dessen Sprache sollte später wegen der anspruchsvollen, humoristischen, eigenbrötlerischen Kraft und Eleganz gelobt werden. Bereits frühe Textpassagen zeigten einen hintergründigen Humor und offene Weltsicht. Gagenhumor prägte den "Hurenbrief", in dem Thelen notgedrungen und doch erzählerisch interessant um einen Vorschuss bat. Ein Film ließ Thelen Bilanz ziehen. Er kenne die Wehmut nach dem Tod und schätze doch das Leben. Das habe er durchgeschrieben, um Erlösung im Wort zu finden, so der damals betagte Literat mit Schelmentum und Nachdenklichkeit.

(anw)
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