Viersen Spärliche Bildquellen vom Flüchtlingselend

Viersen · / tönisvorst (plp) Im Vergleich zu den unzähligen Film-, Ton- und Fotoaufnahmen, die heute ganze Heerscharen von Reportern und Kameraleuten von den nach Deutschland strömenden Menschen aus Syrien oder Afghanistan machen, sind die Bildquellen, die uns einen Eindruck von der Situation der deutschen Vertriebenen seit 1945 vermitteln, eher rar. Die Menschen hatten Wichtigeres zu tun, als ihre Not mit einem Fotoapparat zu dokumentieren - wenn sie denn einen hatten.

Umfangreich ist dagegen das schriftliche Archivmaterial, das sich in vielen im Kreisarchiv in Kempen verwahrten Stadt- und Gemeindearchiven erhalten hat. Es dokumentiert, mit welcher Entschiedenheit und Planmäßigkeit Wohnraum beschafft, Gesundheitsversorgung betrieben und Ernährung gesichert wurde.

Die erhaltenen Bilder beziehen sich zu einem Teil auf die Notunterkünfte, vielfach Barackenanlagen, wie sie für die Stadt Kempen, erhalten sind. Die ärmlichen Verhältnisse spiegeln sich in der Primitivität der Notwohnungen, ihrer Enge, in dem Bemühen, eventuell vor den Baracken ein wenig Gemüse anzupflanzen, in der Einfachheit mit der die Flüchtlingskinder mit einfachsten Mitteln ihre Spielfreude zurückfanden.

Typisch ist die Aufnahme eines Güterwaggons, auf dem mit Kreide der Bestimmungsort Kempen geschrieben ist und die Zahl der im Waggon transportierten Menschen: 30. Sehr viele Fakten sind in der inzwischen reichlich vorliegenden Literatur über das Schicksal der Vertriebenen und über ihre Aufnahme am Niederrhein nachzulesen. Durchaus spannend darf man in diesem Zusammenhang die von Kreisarchivar Dr. Gerhard Rehm 2008 herausgegebenen Monatsberichte des Oberkreisdirektors an die Militärregierung (1945-1948) nennen.

Für Kempen sei auf das Ende des zweiten Bandes des voluminösen Werkes des Kempener Historikers Dr. Hans Kaiser "Kempen unterm Hakenkreuz" (2014) verwiesen.

Aus der Perspektive eines Betroffenen geschrieben ist das Buch von Hans Riechers "Sie kamen aus dem Osten. Die Geschichte der Vertriebenen in St. Tönis und Vorst" (1991), nur um nur einige Beispiele zu nennen.

Aus den Zeitzeugen-Berichten von Hans Kaiser abschließend ein kleines, aber erschütterndes Beispiel aus der Massenunterkunft in der "Königsburg" am Kempener Donkring.

Und eine evangelische Gemeindehelferin schieb: "Ein Großvater hat einen kleinen Jungen an der Hand. Er lässt ihn nicht los. Es ist das einzige, was er gerettet hat. Sei Haus und sein Hof in Pommern sind verbrannt. Seine Frau hat er verloren.

Seine vier Töchter sind verschleppt worden. Von allen Enkeln hat er nur den kleinen Horst retten können. Der Junge ist fünf Jahre alt. Er ist sehr dünn und blass. Er möchte gerne spielen, aber sein Großvater lässt ihn nicht los. Ab und zu darf er an Großvaters Pfeife ziehen, die mit Erdbeerblättern gestopft ist. Die anderen Kinder toben durch den Saal. Sie haben keine Schuhe an."

(RP)
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