Schwalmtal Schwalmtal diskutiert Gesundheitskarte

Schwalmtal · In Schwalmtal hatten die Grünen die Krankenversicherung für Flüchtlinge beantragt, dafür gab es zunächst keine Mehrheit. Im Sommer soll erneut darüber gesprochen werden, wenn Erfahrungen aus anderen Kommunen vorliegen.

Manche Flüchtlinge, die in Schwalmtal ankommen, sind krank. Traumatisiert von den Geschehnissen in ihrer Heimat, geschädigt von der Flucht. Dr. Thomas Nieberding erinnert sich an einen Flüchtling, der durchgelaufene Füße hatte - durch die lange Flucht hatte sich die Hornhaut gelöst. Die meisten Asylsuchenden, sagt Nieberding, seien gesund - viele sind keine 30 Jahre alt. Doch für diejenigen, die ärztlich versorgt werden müssten, sei die erste Zeit nach der Ankunft am wichtigsten. Und in die erste Zeit fallen entsprechend Besuche bei Haus- und Fachärzten.

Nieberding ist Arzt. Er engagiert sich im Asylkreis in Schwalmtal und für die Grünen im Gemeinderat. Seine Fraktion hatte beantragt, dass Schwalmtal eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge einführt, eine Krankenversicherung für die Asylsuchenden. Im Ausschuss für Demografie und Soziales war darüber diskutiert worden. Neben Nieberding hatte auch SPD-Mitglied Dr. Hermann-Josef Welters im Ausschuss für die Gesundheitskarte gesprochen. Aus Medizinersicht halte er die Karte für sinnvoll, erläuterte Welters. Dadurch erleichterten sich die Abläufe auch in den Praxen und zwischen den Ärzten. Der Hausarzt könne direkt die Überweisung zum Facharzt ausstellen, und der Facharzt schreibe einen Bericht für den Hausarzt. Welters: "So kann es passieren, dass jemand zum Augenarzt oder zum Kardiologen geht, Medikamente bekommt, und wir wissen nichts davon." Doch eine Mehrheit fand sich für den Antrag der Grünen nicht: Zehn Ausschussmitglieder votierten gegen die Einführung der Gesundheitskarte, sieben dafür.

Vom Tisch ist das Thema damit nicht: In der jüngsten Ratssitzung erinnerte Grünen-Fraktionschef Jürgen Heinen an das Vorhaben und schlug vor, in einem halben Jahr erneut über den Antrag zu beraten. Bis dahin sollen Erfahrungen aus anderen Kommunen in NRW vorliegen, die sich für eine Krankenversicherung für Flüchtlinge entschlossen haben. Ein Vertreter der Stadt Alsdorf könne dann, so Heinen, in Schwalmtal berichten, welche Erfahrungen Alsdorf damit gemacht habe. Auch Bonn, Bochum, Gevelsberg, Monheim und Mülheim hatten sich für die Gesundheitskarte zum Jahresbeginn entschieden. In Mönchengladbach soll es die Karte ab Juli geben.

Um die Karten einzusetzen, treffen die Kommunen eine Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen. Mit der Karte können Flüchtlinge sofort zum Arzt gehen, sie müssen sich nicht vorab einen Behandlungsschein beim Sozialamt holen. In ihren Antrag hatten die Schwalmtaler Grünen ausgeführt, dass dadurch die Verwaltung entlastet werde. Außerdem werde mit der Einführung der Gesundheitskarte die Gesundheitsversorgung der Asylsuchenden erheblich verbessert.

Derzeit ist es so, dass neu ankommende Flüchtlinge Leistungen in eingeschränktem Umfang erhalten, beispielsweise nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzen versorgt werden. Sind sie 15 Monate in Deutschland, erhalten sie die volle Gesundheitsversorgung wie Sozialhilfe-Empfänger auch und bekommen ebenfalls eine Gesundheitskarte. Nun wird also diskutiert, ob man nicht für die ersten 15 Monate schon Gesundheitskarten ausgibt.

Die Gemeindeverwaltung in Schwalmtal sieht durch die Einführung der Karte keine Entlastung für die Verwaltungsmitarbeiter. Zwar müssten diese dann keine Krankenscheine mehr ausstellen, aber sie müssten sich um die Verwaltung der Gesundheitskarte kümmern - um Berechnung und Zahlung von Abschlagszahlungen, um Umlagekosten für jede ausgestellte Karte. Sie müssten die Flüchtlinge für die Karten an- und nach 15 Monaten wieder abmelden. Und bis die Karten da sind - die Verwaltung rechnet mit zwei bis drei Monaten Bearbeitungszeit - müssten sie weiterhin Krankenscheine ausgeben.

Zugleich rechnet die Verwaltung mit erheblichen Kosten für die Gesundheitskarte, die die Gemeinde zunächst vorstrecken muss. Für das Haushaltsjahr 2016 rechnet sie mit Krankenkosten für die der Gemeinde zugewiesenen Flüchtlinge in Höhe von 200.000 Euro - und zwar für kalkuliert 500 Menschen, von denen 335 neu aufgenommen, 175 länger als 15 Monate da sind. Dieser Summe gegenüber stellt die Verwaltung die Kosten für die Gesundheitskarte. Mit Verwaltungskosten, Abschlagszahlungen und Umlagekosten kommt sie bei kalkuliert 405 Flüchtlingen, die noch keine 15 Monate da sind, bis Dezember 2016 auf 405. Dafür müsse sie 801.330 Euro aufbringen. Das Geld würde zwar mit den tatsächlich angefallenen Krankheitskosten verrechnet - aber es müsste zunächst als Ausgabe angesetzt werden.

Dass ein Asylsuchender vielleicht nicht die Behandlung erhält, die er benötigt, weil Verwaltungsmitarbeiter keinen Krankenschein ausstellten, sei unbegründet. sagt Sozialamtsleiter Werner Bongartz: "Wir beurteilen nicht, ob eine Überweisung zum Facharzt notwendig ist." Das könne nur ein Arzt.

(RP)
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