Viersen Schatten an der Wand

Viersen · VIERSEN Der Vorhang ist noch geschlossen, da quillt schon weißer Nebel unter ihm hervor. Als er sich dann öffnet, schweben und gleiten die Tänzer mit leichten, weichen, fließenden Bewegungen zu den Klängen von Bobby Mc Ferrin im wabernden Nebel über die Bühne.

 Ein Mitglied der Jon Lehrer Dance Company springt auf die Bühne der Viersener Festhalle.

Ein Mitglied der Jon Lehrer Dance Company springt auf die Bühne der Viersener Festhalle.

Foto: Jörg Knappe

Man kann es nur mit dem Begriff "unbeschreiblich" beschreiben, was die amerikanische Jon Lehrer Dance Company jetzt in der Festhalle präsentierte: Man sah Elemente des klassischen Balletts ebenso wie Motive des Ausdruckstanzes, ein bisschen Artistik und ein klein wenig Breakdance. Der Oberbegriff Tanztheater trifft es wohl am besten: Jon Lehrer und seine Company verstehen es, auf poetische Weise tanzend Geschichten zu erzählen.

Cristiana Cavallo, Jennifer Gram, Da'rius Maloe, Ryan Mogeul, Ashley Peters, Taylor Ramos, Cole Vernon und Phil Wackerfuss faszinierten das Publikum über knapp zwei Stunden mit einer getanzten Reise von menschheitsgeschichtlichen Anfängen über Ritualtänze bis hin zum Abheben unter dem Sternenhimmel.

Es sind nicht nur die Bewegungen und Hebefiguren der Tänzerinnen und Tänzer, die den Tanz ausmachen. Es sind das Licht, die weiße Leinwand im Hintergrund, die Schatten und es ist beispielsweise ein riesengroßes weißes Schwungtuch, das mittanzt. In dem Stück "Sirenic" bewegen sich die vier Tänzerinnen mit, auf und in diesem Tuch, verschwinden darunter, tauchen durch Öffnungen im Tuch wieder auf. In dem starken, an archaische Stammestänze erinnernden Stück "Chukchi" kommt ein weiteres Element hinzu: die Kostüme der Tänzer. Mit Schwarzlicht angestrahlt, verwandeln sich die Tänzer in Skelette.

Wenn dann noch die Schatten auf der Leinwand mittanzen, eröffnen sich vollkommen neue Räume: plötzlich entstehen Schattenrisse, ein Schattentheater, in dem die Tänzer bewusst mit der Wirkung auf der Leinwand spielen. In "Pulp", einem Stück aus der Zeit der Schwarzweiß-Stummfilme, wird gemordet und geschlagen: im Schatten auf der Wand. "Pulp" zeigt, dass Tanztheater nicht nur poetisch, ausdrucksstark und bewegend sein kann. Mit viel Witz und Slapstick nehmen die Tänzer die Zuschauer mit auf eine verrückte Reise. Der Schatten verschafft dem Tänzer die Möglichkeit zur Verwandlung: da wird aus einem Tänzer auch mal ein übergroßer Vogel.

Als dann am Ende jeder Tänzer auf die Bühne kommt und noch eine kleine Kostprobe seines Könnens gibt und schließlich Jon Lehrer mit seiner Company ein gut gelauntes Tänzchen veranstaltet, ist das Publikum vollends begeistert.

(b-r)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort