Viersen Mit Klezmer und Hüsch die Sinne berührt

Viersen · Ein Hauch von Melancholie, durchzogen von Nachdenklichkeit und stillen Tönen, aber auch die pulsierende Glut mitreißender Lebenslust berührten Herz und Sinne zum Abend mit dem "bernsteyn trio". Den Auftritt in der Pfarrkirche St. Cornelius in der Reihe Dülken Kulturbunt hatten Ute Bernstein, Peter Hohlweger und Achim Lüdecke einladend gemütvoll überschrieben: "tach zusammen und sajt gesund mir". Darin lag der Hinweis auf die Verbindung von jüdischer Musik mit den Texten des niederrheinischen Kabarettisten Hans-Dieter Hüsch.

 Das "bernsteyn trio" mit Ute Bernstein (Violine und Rezitation), Peter Hohlweger (Akkordeon) und Achim Lüdecke (Gitarre) in der Kirche St. Cornelius.

Das "bernsteyn trio" mit Ute Bernstein (Violine und Rezitation), Peter Hohlweger (Akkordeon) und Achim Lüdecke (Gitarre) in der Kirche St. Cornelius.

Foto: Busch

Die Mischung ging auf und schuf eine Gemengelage der Gefühle zwischen Freude, Sehnsucht und Wehmut. Faszinierend war dabei die oft zeitlos anmutende Ausstrahlung des Programms, das erinnerte und doch zugleich in der Reflexion seinen Platz im Hier und Jetzt hatte, wie etwa in Gedanken über Ausgrenzung und Verfolgung oder in Hüschs fiktivem Dialog mit der Jugend.

Ute Bernstein überzeugte nicht nur als Musikerin, sondern auch als hervorragende Rezitatorin. Frei und einfühlsam trug sie die ausgewählten Hüsch-Texte und die in den jüdischen Liedern enthaltenen Erzählungen mit ergänzenden Erläuterungen vor. Bernstein stellte Lebensstationen des Poeten unter den Kabarettisten vor. Für ihn sei Süchteln ein Schreckenswort gewesen, da er in der dortigen orthopädischen Kinderklinik über Jahre wegen der Missbildung an den Füßen behandelt wurde. Das habe ihm den Kriegsdienst und viel Schlamassel erspart, soll Hüsch in seiner charakteristischen Art später dazu gesagt haben.

Beim Spiel auf der Violine, dem klassischen Instrument der osteuropäischen jiddischen Musik, bewies Ute Bernstein gleichermaßen Temperament wie Einfühlungsvermögen. Sie ließ die Geige wehmütig klagen, filigran leuchten und temperamentvoll erklingen.

"Bedenkt", mahnte sie zu Beginn mit Hüschs Worten, um nach dessen Aufzählung von Ängsten, Sorgen und Missständen zu zitieren: "Sollen wir sie lieben, diese Welt. Ich möchte sagen, wir wollen es üben."

Sehnsucht, Inbrunst und Intensität in stillen und sprudelnd lebendigen Melodien bestimmte auch das Spiel des Akkordeonisten Peter Hohlweger und des Gitarristen Achim Lüdecke, die leidenschaftlich und authentisch den Charakter der Klezmer-Musik einfingen. Mit Bernstein gestalteten sie aus langsamen Tempi mitreißende Beschleunigungen, zu denen man fast hätte tanzen mögen. Das Ende vieler Lieder schien offen, als fehle etwa der Schlussakkord. So schien es oft, als fänden die Melodien in den Texten ihre Fortsetzung und Antwort.

Am Ende schloss sich der Kreis, klang die Musik im finalen Takt aus und Bernstein sagte mit Hüsch: "Ich setzte auf die Liebe. - Tschüss."

(anw)
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