Schwalmtal Künstlerisch der Zeit ein Gesicht geben

Schwalmtal · Vor zehn Jahre ließ Heidrun Pielen in Schier ihren ehemaligen Pferdestall in ein Atelier umbauen

 Im Garten zeigt Heidrun Pielen Dinge, die sie zu Skulpturen mit oft witzigen Akzenten verwandelt hat.

Im Garten zeigt Heidrun Pielen Dinge, die sie zu Skulpturen mit oft witzigen Akzenten verwandelt hat.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Der Mensch und die Zeit sind die großen Themen im Schaffen der Künstlerin Heidrun Pielen. Zum zehnjährigen Bestehen ihres Ateliers in Schier lud sie nun zur Ausstellung "Ohne Erinnerung hat die Zeit kein Gesicht" ein. Einladungskarte und eine kleine Jubiläumsausgabe sind den Vorlieben entsprechend sehr persönlich gestaltet: Beider Cover zeigt eine Büste mit dem Gesicht des Vaters in Bronze gegossen vor dem Zifferblatt einer Uhr.

Im Atelier scheint der Blick des Vaters auf den Bronze- und Tonarbeiten der Tochter zu ruhen. Es ist, als betrachte er die Entwicklung von recht realistisch gestalteten hin zu freieren Objekten. Früher hat Pielen die Bronze häufig auf Hochglanz poliert, gerne im Gegensatz zu rau belassenen Oberflächen. Inzwischen setzt sie allenfalls leuchtende Akzente, die eher gewischt als poliert sind. Reste von Schamott ergänzen zuweilen die Aufbrüche und Spuren in der Beschaffenheit der Oberflächen, deren Farbgebung durch die Patina mit Schwefelleber oder Kupferoxit geprägt ist.

Seit nunmehr 16 Jahren widmet sich die Künstlerin den Skulpturen. "Ich war ein Kellerkind und musste damals ohne Tageslicht arbeiten. Aber das spielte für meine Skulpturen keine so große Rolle, da es mir mehr darauf ankam, was ich fühle", erzählt sie schmunzelnd von der Zeit vor der Umwandlung des Pferdestalls. Im Nebenraum stehen nicht nur ein Brennofen und das Material bereit. Dort legen viele Figuren Zeugnis ab von einer ursprünglich sehr gegenständlichen Gestaltung, darunter die "Trauer" als in sich zusammengesunkene weibliche Figur. "Mit ihr habe ich diese gegenständlich bezogene Phase abgeschlossen. Ich glaube, das hatte mit dem Tod meines Mannes zu tun. Danach sah ich das Leben als Fragment", sagt die Künstlerin. Tatsächlich sind die neueren Arbeiten durch Aufbrüche und Aushöhlung gekennzeichnet.

Das Fragmentarische spiegelt immer auch Verletzbarkeit und Vergänglichkeit. Ein Figurenpaar symbolisiert Jugend und Alter. Die Darstellung der Älteren war eine Reaktion auf den Tod des Vaters. "Doch dann dachte ich mir, mein Vater war doch auch einmal jung. Damit kam der Wunsch, der Älteren die Jugend zur Seite zu stellen. Jedes Alter ist schön", so Pielen. Sie arbeitet oft in Zyklen, wie Arbeiten zu den Themen Gesicht, Maske, Hand und Fuß sowie Musik zeigen.

Beim "Pegasus" stellt Pielen über konkrete und sich scheinbar auflösende Formen eines geflügelten Pferdekopfes Bewegung und Vergänglichkeit dar. Im Skulpturengarten beim Haus zeigt sie eine ganz andere Seite von sich. Es ist ein Ort der verlorenen und wiedergefundenen Dinge, die sie zu Skulpturen mit oft witzigen Akzenten verwandelt.

(anw)
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