Viersen Kommunen suchen dringend Wohnraum

Viersen · Ob auch die Grenzlandgemeinden bald - wie am Montag in Nettetal geschehen - Flüchtlinge in der "vorgelagerten Erstaufnahme" unterbringen müssen, ist unklar. Schon für die regulär zugewiesenen Menschen fehlen Wohnungen.

 An der Erkelenzer Straße in Niederkrüchten werden derzeit drei Reihenhäuser umgebaut. Dort sollen Anfang Oktober bis zu 40 Flüchtlinge einziehen. Die Gemeinde sucht händeringend weitere Wohnungen zur Miete.

An der Erkelenzer Straße in Niederkrüchten werden derzeit drei Reihenhäuser umgebaut. Dort sollen Anfang Oktober bis zu 40 Flüchtlinge einziehen. Die Gemeinde sucht händeringend weitere Wohnungen zur Miete.

Foto: Busch

An der Turnhalle in Elmpt ist am Samstag ein Container aufgestellt worden. Zwei weitere sollen heute folgen. Die Gemeinde Niederkrüchten will dort Flüchtlinge unterbringen. Ein Toilettencontainer ist ebenfalls vorgesehen, Dusche und Umkleide können in der Turnhalle genutzt werden, so hat es die Verwaltung mit dem zuständigen Sportverein besprochen.

Die Gemeinde Niederkrüchten hat große Schwierigkeiten, die ihr zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen. Die Containerlösung ist zeitlich begrenzt: Derzeit werden an der Erkelenzer Straße die früheren Zolldienstwohnungen zu Flüchtlingsunterkünften umgebaut. Es handelt sich um drei Reihenhäuer, die die Bundesanstalt für Immobiilienaufgaben (Bima) der Gemeinde überlassen hat. Anfang Oktober, schätzt der Beigeordnete Klaus Blech, werden die Häuser bezugsfertig sein. 40 Menschen sollen dort untergebracht werden können. Die Container sollen dann hinter diesen Reihenhäusern aufgestellt werden - für den Fall, dass die Gemeinde plötzlich noch mehr Menschen unterbringen muss.

139 Flüchtlinge leben derzeit in Niederkrüchten, 90 davon wurden der Gemeinde in diesem Jahr zugewiesen. Blech rechnet mit bis zu 135 weiteren Zuweisungen bis Jahresende. Daher sucht die Gemeinde händeringend Wohnungen. "Wenn uns Privateigentümer Wohnungen vermieten würden, wären wir sehr dankbar", sagt Blech, "wir stehen mit dem Rücken zur Wand".

Das liegt auch daran, dass die Gemeinde nicht weiß, wann wie viele Menschen kommen. Blech: "Wir bekommen drei Tage vorher eine E-Mail, und dann müssen wir zusehen, dass wir Unterkünfte bereitstellen." Wenn es mit den Zuweisungen in dem bisherigen Tempo weitergehe, müsse man überlegen, ein größeres öffentliches Gebäude zu belegen, wenngleich das niemand wolle. Blech: "Kein Bürgerhaus, keine Turnhalle erfüllt die Anforderungen, wenn man dort längere Zeit wohnen will."

Die Unterbringung der zugewiesenen Flüchtlinge ist für die Kommunen mit erheblichen Kosten verbunden. Niederkrüchten hat im diesjährigen Haushalt eine Million Euro eingestellt - die Zuschüsse, die das Land gibt, sind da schon rausgerechnet. Daher sind Erstaufnahmeeinrichtungen für Kommunen auch aus finanziellen Gründen interessant: Die Kosten für Einrichtungen der "vorgelagerten Erstaufnahme", wie in Nettetal, trägt das Land. Das Land würde auch die Kosten übernehmen, wenn das ehemalige Gelände der Briten in Elmpt als Erstaufnahmeeinrichtung des Landes genutzt werden würde. Doch wie es dort weitergeht - und wann - , ist noch nicht klar. Hinzu kommt, dass die Zahl der in der Erstaufnahmeeinrichtung untergebrachten Menschen den Kommunen auf die Zahl der ihnen zugewiesenen Flüchtlinge angerechnet wird. Für Niederkrüchten würde das bedeuten, dass der Gemeinde wohl überhaupt keine Flüchtlinge mehr neu zugewiesen werden würden, wenn das alte Britengelände eine Erstaufnahmeeinrichtung des Landes würde.

Dass landesweit mehr Erstaufnahmezentren eingerichtet werden, sieht Brüggens Sozialamtsleiter Joachim Müllers kritisch. "Je mehr Kommunen Erstaufnahmeeinrichtungen erhalten, desto mehr Zuweisungen gehen an die übrigen Kommunen." Und die müssen dann die Flüchtlinge für längere Zeit unterbringen und versorgen. Dass auch in Brüggen eine Einrichtung für die "vorgelagerte Erstaufnahme" wie in Nettetal gebildet werden könnte, sei nicht auszuschließen, sagt Müllers. Darauf vorbereiten könne sich die Gemeinde jedoch nicht, "und wir hätten auch gar keine Immobilie, die wir anbieten könnten."

In Brüggen stellt sich die Lage ebenso dar wie in Niederkrüchten. Allein die der Kommune regulär zugewiesenen Flüchtlinge stellen die Gemeinde vor erhebliche Probleme. Brüggen zählt derzeit 155 Flüchtlinge, 93 davon wurden der Gemeinde allein in diesem Jahr zugewiesen.

Das Sozialamt sucht dringend weitere Wohnungen für Flüchtlinge. Ein Mehrfamilienhaus will die GWG zwar am Eichenweg bauen und der Gemeinde dann für Flüchtlinge vermieten, doch bis das Gebäude steht, dürfte noch gut ein Jahr vergehen. Der erste Teil der alten Landesjagdschule ist voll belegt, in einem Klassenraum im zweiten Teil sind zwei Familien untergebracht, die aber in Wohnungen umziehen sollen. "Wir sind noch nicht in der Situation, eine Turnhalle beschlagnahmen zu müssen, aber wer weiß, wie sich das entwickelt?", sagt Müllers. "Auch Container waren bei uns bislang kein Thema. Aber wenn wir es nicht schaffen, weitere Wohnungen anzumieten, halte ich Container für nicht mehr ganz ausgeschlossen."

Um das zu vermeiden, halten die Verwaltungsmitarbeiter derzeit "alle Ohren und Augen offen", wie Müllers sagt. Sie suchen im Internet nach Immobilienangeboten, setzen auf Mund-zu-Mund-Propaganda - und hoffen, dass sich Leute melden, die Wohnraum zur Verfügung stellen können - auch mit Blick auf kommende Flüchtlinge. Müllers: "Die Gemeinde muss von dem Zustand runter, dass sie heute nicht weiß, wo sie morgen die Leute unterbringen kann."

Die Gemeinde Schwalmtal zählt derzeit 198 Flüchtlinge. Auch sie sucht Wohnungen, um die Menschen nicht in größeren Unterkünften unterbringen zu müssen. In den vergangenen Wochen und Monaten hatte die Gemeinde Reihenhäuser am Zoppenberg in Waldniel hergerichtet. Die ehemaligen Briten-Häuser waren der Gemeinde von der Bima überlassen worden. Bernd Gather, Stellvertreter des Bürgermeisters, hofft, dass es in Schwalmtal weiterhin gelingt, Wohnungen für Flüchtlinge zu finden, die nicht alle an einer Stelle sind. "Unser Ziel ist weiterhin die dezentrale Unterbringung", sagt Gather, "auch wenn es da langsam knapp wird".

(RP)
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