Viersen Komm, wir machen ein Festival!

Viersen · Eigentlich wollten sie ihren Gästen nur mit einem Katerfrühstück auf die Beine helfen. Seit 2006 organisieren Christoph Jinkertz, Christoph Tappesser, Saori und Jürgen Haigh "Eier mit Speck". Die Eier braten sie längst nicht mehr selbst

 Die Festivalmacher: Christoph Tappesser (von links), Jürgen und Saori Haigh und Christoph Jinkertz. "Wir machen weiter, solange Interesse besteht."

Die Festivalmacher: Christoph Tappesser (von links), Jürgen und Saori Haigh und Christoph Jinkertz. "Wir machen weiter, solange Interesse besteht."

Foto: Knappe

Eigentlich wollten sie ihren Gästen nur mit einem Katerfrühstück auf die Beine helfen. Seit 2006 organisieren Christoph Jinkertz, Christoph Tappesser, Saori und Jürgen Haigh das Musikfestival "Eier mit Speck". Die Eier braten sie längst nicht mehr selbst

Im Rampenlicht sieht man Saori und Jürgen Haigh, Christoph "Budda" Jinkertz und Christoph "Tappi" Tappesser an jedem letzten Juli-Wochenende selten. Am ehesten noch greift Tappi zum Mikrofon, um die Bands anzukündigen. Ansonsten bleibt es still um die Festivalmacher von Eier mit Speck. Nahezu lautlos stemmt die Vierer-Kombo jetzt im 13. Jahr das Musik- und Party-Ereignis am Hohen Busch in Viersen.

Jinkertz, Tappesser und den Haighs ist mit Eier mit Speck etwas Besonderes gelungen: eine Kulturmarke im Kreis Viersen, ein Spaß-Festival mit 4500 Besuchern, ein Musik-Event mit Katerfrühstück inklusive. Bescheiden halten sich die vier Festivalmacher vom Niederrhein im Hintergrund. Schnörkellos wie ein Gitarrenriff bringen sie das Festival Jahr um Jahr auf die Bühne.

Bis auf Saori, die aus Baden-Württemberg stammt, haben sie ihre Wurzeln in der Region: Christoph Jinkertz (43), überzeugter Gastronom aus einer Handwerker-Familie, kommt aus Viersen und wohnt in Mönchengladbach. Als DJ Budda legt er in den Clubs auf. Christoph Tappesser (49) ist der Tausendsassa der alternativen Kulturszene in Viersen: Sänger der Band Ranzig, Mitbegründer von "Luft und Pumpe", Hintermann der Rockschicht. Gemeinsam stellten Budda und Tappi auch die Karnevalsveranstaltung "Lückenfüller" an Altweiber auf die Beine.

Saori und Jürgen Haigh wohnen mit ihren beiden Kindern in Brüggen und arbeiten beide in Teilzeit bei einem Industrie-Unternehmen in Krefeld. Auch die Haighs waren vor Eier mit Speck nicht unbekannt: Sie betrieben 2005 in der Alten Manufaktur an der Clörather Straße die Trafostation. "Wir haben alles gemacht: Konzerte, Lesungen, Feten. Das erste Jahr lief gut, aber das zweite war schwierig. Wir hatten keine Rücklagen und eigentlich auch kein Konzept", sagt Saori lachend. In dieser Zeit trafen Budda und Tappi auf Jürgen und Saori. Der gemeinsame Nenner: Sie waren passionierte Festivalgänger. Schnell stand die Frage im Raum: "Sollen wir nicht ein Festival zusammen machen?"

"Es sollte im Sommer sein und draußen. Wir mussten Geld damit verdienen", erzählt Saori. So viel stand fest. Aber wie sollte man sich von anderen Festivals unterscheiden? "Was bisher auf Festivals fehlte, war ein gutes Frühstück. Jeder von uns hatte schon am Morgen danach verkatert an einem überteuerten Essensstand auf einem Festivalgelände gestanden", sagt Jürgen Haigh. Es wurde das Alleinstellungsmerkmal: "Wir machen ein kostenloses Katerfrühstück, Eier mit Speck eben." Der Vertriebsleiter des damaligen Sponsors Diebels fand das gut und riet: "Nennt euch doch so! Dann legt ihr euch nicht auf einen Musikstil fest." Zum ersten Festival 2006 buchten die Vier fast nur Cover-Bands. "Wir mussten die Viersener mit etwas ziehen, das sie kennen", sagt Haigh. Die Besucherzahlen bei der Premiere blieben unter 1000. "Alle zehn Minuten dachte ich: Ok, das kann man anders machen", erzählt Tappesser. Keiner habe geglaubt, dass es ein zweites Festival geben würde. Aber der damalige Bürgermeister Günter Thönnessen sagte: "Das machen wir noch mal!" Von da an ging es bergauf. Die Festivalmacher lernten dazu. Etwa, dass man den Schlauch vom Gülle-Wagen nicht durch das Festivalzelt legt, erzählt Tappesser. Nach zwei Jahren und gut 16.000 Eiern pro Festival entschied man sich für die handlichere Eiervariante im Tetrapack. Jetzt ist jedes Festival ausverkauft. Gut 4500 Besucher kommen jährlich. "Am 10. Dezember ging der Kartenverkauf für dieses Jahr online, am 3. Februar waren wir ausverkauft", sagt Haigh. Die Atmosphäre ist familiär geblieben.

Die Speckies zwischen fünf und 80 Jahren lassen sich immer noch nicht auf eine Musikrichtung festnageln. Ebenso wenig wie ihre Macher: "Wir sind Alles-Hörer - alles außer Jazz." Jinkertz vertritt die HipHop-Fraktion. "Rock, Pop, Radio-Hits, New Metal, Chill-Tracks, Deep-House. Ich schmeiße aber auch mal die Zauberflöte ein", sagt Jürgen Heigh. Die Bands wählen sie gemeinsam aus: "Wenn zwei dagegen sind, gibt es nichts", sagt Jinkertz. Schon oft haben sie ein gutes Händchen bei der Auswahl. Mehrfach haben sie einen Newcomer mit erst einem Hit an Land gezogen, noch vor der Erfolgswelle. Im Rampenlicht standen Pothead, Volbeat, Marteria und Alice Merton. Mia, Madsen, Heißkalt und Großstadtgeflüster sind in diesem Jahr vom 27. bis 29. Juli Headliner.

Das Team hat eine klare Aufgabenteilung: Jürgen Haigh ist für Sicherheit, Logistik und Aufbau zuständig. Budda kümmert sich um Gastronomie und Sponsoren. Tappi und Saori buchen die Bands. Saori ist während des Festivals das Backoffice. "Wenn wir nicht weiter wissen, fragen wir sie", sagt Tappesser. Nach 13 Jahren sind sie nicht festivalmüde: "Wir machen es, solange Interesse besteht. Keiner von uns hat Bock auf Stress."

(RP)
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