Viersen Klage wegen Prozessbetrugs in Arbeit

Viersen · Wie geht es weiter im Kampf gegen die Ausweisung von Überschwemmungsgebieten entlang der Niers? Bei einer Info-Veranstaltung erläuterte Wasserrechts-Experte Prof. Dr. jur. Hans-Jürgen Müggenborg den Stand.

 Die Anwohner des Grenzweges befürchten den Wertverlust ihrer Grundstücke und zukünftig bauliche Einschränkungen, wenn die Flächen entlang der Niers als Überschwemmungsgebiet gelten sollten.

Die Anwohner des Grenzweges befürchten den Wertverlust ihrer Grundstücke und zukünftig bauliche Einschränkungen, wenn die Flächen entlang der Niers als Überschwemmungsgebiet gelten sollten.

Foto: WOLFGANG KAISER

Referent Prof. Dr. jur. Hans-Jürgen Müggenborg bezog klar Stellung: "Was hier passiert, ist ein Stück aus dem Tollhaus. Das Oberlandesgericht ist dem Niersverband auf den Leim gegangen" - damit bezog er sich auf den Umgang des Niersverbandes, der für die Gewässer-Unterhaltung zuständig ist, mit Grenzweg-Anwohnern. Müggenborg vertritt das Ehepaar Schmitz in einem zivilrechtlichen Prozess gegen den Niersverband und bereitet in diesem Zusammenhang eine Klage wegen Prozessbetrugs gegen den Verband vor. Der Jurist ist Experte und hat u.a. mit zwei weiteren Autoren den 2011 erschienenen Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz verfasst.

Rund 40 Anwohner des Grenzwegs waren in der vergangenen Woche zu der von Grenzweg-Anwohner Michael Klinger organisierten Info-Veranstaltung mit Müggenborg gekommen. Anlass war die Tatsache, dass die Bezirksregierung Düsseldorf mittlerweile "vorläufig" festgestellt hat, dass Flächen entlang der Niers als Überschwemmungsgebiete im Falle eines HQ 100 (eines "Jahrhundert-Hochwassers") gelten sollen. Das bereitet den Anwohnern, die seit rund einem Jahr gegen eine solche Feststellung im Rahmen des Europäischen Hochwasser-Risikomanagements kämpfen, Sorge. Sie befürchten Wertverlust der Grundstücke und Bau-Einschränkungen. Klinger führte aus, dass auf Grund der durch ein Gutachten nachgewiesenen neuen Faktenlage die Bezirksregierung bereits ausreichend Zeit gehabt hätte, auch die vorläufige Ausweisung zurückzunehmen. Da sie es nicht getan habe, gehe er davon aus, dass sie das nicht tun werde.

Müggenborg erläuterte Besuchern seine Auffassung: Die Niers sei im Bereich Grenzweg aus der Historie ein "planfestgestellter Abwasserkanal" (Kanal IV) - wenn auch ein Fluss hineingeleitet werde. Daher müsse verhindert werden, dass sie übertrete, Überschwemmungsgebiete dürften nicht ausgewiesen werden. Ein 1966 "planfestgestelltes" Ausbaukonzept sehe ein Kastenprofil mit einer Breite von 11,30 Metern und einem Wasserstand von 0,5 Metern für die Niers vor. In diesem Konzept sei Hochwasser berücksichtigt, "ein HQ 100 passt in die Niers", so Müggenborg - der Abfluss der Wassermenge sei möglich. Allerdings warf er dem Niersverband eine falsche Bewirtschaftung und die Renaturierung auf falschen Grundlagen vor. Er empfahl den Anwohnern, Einwendungen an die Bezirksregierung zu formulieren und sich auf Planfeststellungsbescheid aus dem Jahr 1966 zu beziehen. Dass dieser Bescheid rechtmäßig sei, belege ein Brief aus dem Umweltministerium.

Das Verhältnis von Anwohnern und Niersverband ist seit Jahren angespannt. Beim Thema Ausweisung des Überschwemmungsgebiets werfen sie dem Niersverband vor, dem Gutachterbüro, das das erste Gutachten für die Ausweisung erstellt hat, falsche bzw. nicht alle Zahlen und Fakten gegeben zu haben. Dazu kommt, dass Hubert von Grabczewski (Verband wassergeschädigter Haus- und Grundeigentümer) im Januar 2015 über eigene Recherchen herausgefunden hat, dass der Niersverband über "Deposital-Verträge" bis 1993 Planungs-Unterlagen aus den Jahren 1926 bis 1933 aus dem eigenen Haus ausgelagert hat. Diese Unterlagen sollten Dritten nur mit Genehmigung des Verbandes zugänglich gemacht werden, zitierte von Grabczewski.

Auf Anfrage der RP erklärte Prof. Dietmar Schitthelm, Vorstand des Niersverbandes, nach seiner Kenntnis seien 1966 die Ausbaupläne und das Trapezprofil aus dem Jahr 1933 planfestgestellt worden. Sorge bereite ihm aktuell ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofes: Im Falle der geplanten Weser-Vertiefung habe der EuGH gesagt, ein Wasserkörper dürfe nur verändert werden, wenn sich die ökologische Situation nicht verschlechtere. Ein Umbau der Niers zum Kastenprofil wäre dagegen eine ökologische Verschlechterung. Der Verband habe im Spätwinter links der Niers ab B7 flussabwärts bis zur nächsten Brücke die Steinbefestigung entfernt, die nicht dahin gehöre. Das habe zu einer geringfügigen Abflussverbesserung geführt. Grundsätzlich strebe der Verband eine Verlagerung der Niers noch hinter die Pappel-Allee in Richtung Viersen. Das sei aber wohl ein Projekt seiner Nachfolger. Zur angekündigten Klage wegen Prozessbetrugs sagte er, der Verband werde diese abwarten.

(RP)
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